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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 1)

EITERSTATUEN 
AUS 
ELFENBEIN 
Von HERMANN FILLITZ 
. Matthias Steinle, der vornehmlich als Architekt bekannte 
nstler des österreichischen Hochbarocks, zum „hofpainstechetß 
annt wurde, schuf er in Elfenbein, also in jenem Material, 
dessen Meister der Hof ihn verpflichtete, das Bild seines 
serlichen Herrn und Brotgebers in den monumentalsten For- 
n, die der bewegten Kunst des Barocks zur Verfügung standen: 
eh zu Roß, angetan mit Symbolen, die ihn als Imperator, 
den siegreichen obersten Feldherrn auszeichnen, reitet Leo- 
d I. über die gestürzten Symbole des geschlagenen Islam 
weg. Die erfolgreichen Türkenkricge waren die entscheidende 
t in der Herrschaft des bedeutenden Fürsten gewesen. Sie he- 
inden ein neues Zeitalter, das mit dem Begriff des österreichi- 
en Hochbarocks verbunden ist. Mit diesen Siegen wurde das 
r zum Osten wieder aufgestoßen. Die jahrhundertelange Span- 
tg, welche die drohende Gefahr der andrängenden Türken für 
christliche Abendland bedeutete, fiel ab. Der große Raum des 
kans öffnete sich dem Sieger und brachte ihm erhöhte Sicher- 
t, Macht und Reichtum. Das ist der historische Hintergrund für 
Verherrlichung Leopolds als Türkensieger. 
n Standbild Leopolds steht ein zweites gegenüber, das 1693 
lCFI ist und den Thronfolger des Kaisers, Joseph I., zeigt, der 
dieser Zeit bereits zum König von Ungarn und zum römischen 
iig gekrönt war, so daß ihm die Nachfolge nach dem Vater 
ichert war und demgemäß nach dessen Tod im Jahre 1705 
h zufiel. 
kann kaum ein Zweifel bestehen, daß die beiden elfenbeiner- 
Reiterbilder zu gleicher Zeit geschaffen wurden und genaue 
genstücke bilden. Die gleichlautende Komposition und die 
che prägnante Schärfe des Schnittes sprechen deutlich für 
einheitliche Entstehung. So mag die Daticrung, die Steinle 
dem Denkmal Josephs anbrachte, für beide Werke gelten. 
n jungen König aber konnten noch keine vollbrachten Taten 
iorm von Attributen beigegeben werden. Daher trat bei ihm 
die Stelle des besiegten Türken und der Symbole des nieder- 
torfenen Halbmondcs der Genius der Zwietracht mit den 
riienhaften Schlangen, der glosendcn Fackel und den Pfei- 
als Zeichen von Haß und Rachc. Sie hat der edle Mut des 
gen Fürsten bezwungen. Rein und klar blickt sein frisches 
litz in die Zukunft. 
' jähe Tod des jungen Kaisers und die Wahl seines Bruders 
'l als Nachfolger im Reich hat Steinle nochmals zu der Ge- 
tung eines Rciterdenkmals in Elfenbein veranlaßt. Waren es 
konkreten historischen Erfolge, die das Denkmal Leopolds I. 
en, war es bei Joseph der Genius der Zwietracht, den der 
istler in Anlehnung an den besiegten Türken zum Unter- 
tnen machte, so kniet nun vor dem reitenden Kaiser eine 
gorische Frauengestalt als Sinnbild für das Heilige Römische 
eh und bietet dem Fürsten Kaiserkrone und Szepter an. Damit 
tuch dieses Werk näherhin datierbar. Es rückt in die Zeit um 
Krönung Karls, also um das Jahr 1711. Den drama- 
t bewegten Gruppen mit den wild hingeworfenen Figuren, 
nur mit äußerster Mühe sich vor den Hufen der Pferde 
retten versuchen, dem wild aufschreckenden Pferd und als 
trast dazu der aufgcrichtetcn, straffen Gestalt des Reiters, 
en Kompositionen steht die ruhige, allegorische Gruppe ge- 
über. Die Blicke Karls und der Verkörperung des Reiches 
fen sich, sie reicht ihm die Insignien dar, er beugt sich ihr 
gegen. So ist auch aus dem geschrecktcn, gegen den Zügel 
iegehrenden Tier das formvollendete Dressurpferd gewor- 
das sicherlich nicht zufällig in der klassischen Figur der Le- 
vade gezeigt wird. Der Vergleich mit der traditionsreichen, von 
Karl geförderten Spanischen Hofreitschule liegt nahe. Die Kom- 
position ist hier geschlossener als bei den beiden anderen Grup- 
pen. Aber auch der Schnitt ist weicher und strebt stärker male- 
rische Effekte an. 
Die drei Gruppen stehen in einer langen Entwicklungsreihe. Die 
Antike hat das Reiterstandbild als eine der monumentalsten Ge- 
staltungen des Herrschers geschaffen. Ihr Vorbild wirkte durch 
alle Epochen des abendländischen Kaisertums fort und wurde vor 
allem in jenen Zeiten, da man stärker sich des klassisch-antiken 
Vorbildes besann, gerne nachgeahmt. Karl der Große hat das 
Reiterstandbild Justinians nach Aachen bringen und dort vor 
seiner Palastkapelle als ein sichtbares Zeichen für die Tradition 
seines Kaisertums aufstellen lassen. Doch haben die antiken Vor- 
bilder auch auf das eigene künstlerische Schaffen der Karolin- 
gerzeit anregend gewirkt. Die Kleinbronze eines Kaisers aus 
karolingischem Geschlecht ist uns erhalten geblieben. Vor nicht 
allzulanger Zeit wurde sie in der Galerie d'Apollon des Louvrd 
in der Vitrine der Kroninsignien ausgestellt und daher als ein 
Symbol herrscherlicher Repräsentation angesehen. Zur Zeit der 
klassischen Kunst der Romanik, während der Regierung der 
letzten Staufer finden wir das Reiterstandbild wieder: der Bam- 
berger Reiter und das Reiterdenkmal Otto des Großen in Mag- 
deburg sind allgemein bekannte Beispiele. Dann kommt es im 
14. Jahrhundert auf den prunkvollen Reitersiegcln vor, die aus 
dem Streben erhöhter Monumentalität an den führenden Für- 
stenhöfen entstanden. Im Süden aber, in Verona, sehen wir be- 
reits bei den Grabplastiken der Skaliger die Fürsten als reitende 
Krieger dargestellt. 
Doch erst die Renaissance fand wieder das Reiterstandbild im 
klassischen Sinne. Im Gattamelata-Denkmal vor dem Santo in 
Padua, hat Donatello das erste große Reiterdcnkmal dieser Art 
geschaffen. In Verrocchios Standbild für Colleoni in Venedig 
hat es bald ein Gegenstück erhalten. Angeregt wurden diese 
Werke vom Reiterdenkmal Marc Aurels, das während des Mit- 
telalters vor dem Lateran in Rom aufgestellt war und dann von 
Michelangelo zum hlittclpunkt einer der schönsten römischen 
Plätze gemacht wurde. Zahlreiche kleinplastische Nachformun- 
gen zeugen für die Beliebtheit dieser Skulptur. In ihr erscheint 
die harmonische Verbindung des Reiters mit dem ruhig schreiten- 
den Pferd schlechthin vollendet. Erst Leonardo da Vinci aber 
hat sich bei seinen Entwürfen für Reiterdenkmäler Francesco 
Sforzas und Trivulzios mit dem Motiv des sich aufbäumenden 
Pferdes, das vor dem auf dem Boden liegenden Besiegten zu- 
rücksehreckt, auseinandergesetzt. Seither ist dieses Motiv immer 
wieder erwogen und für Monumental- und Kleinplastik oft ver- 
wendet worden. In diese Reihe ordnen sich auch Steinles Fi- 
gurengruppcn ein. Sie stellen eine Weiterentwicklung im hoch- 
barock bewegten Sinne dar. 
Während aber in den nachlconardcsken Gestaltungen das Motiv 
allzugern ins Artistischc abgewandelt und immer wieder der 
Versuch unternommen wurde, Pferd und Reiter allein darzu- 
stellen und das ganze Gewicht der Gruppe auf den Hinterbeinen 
des Pferdes auszubalancieren, behält Steinle den gestürzten Be- 
siegten als Motiv für die jähe Bewegung des Pferdes bei. Die 
technischen Schwierigkeiten, die er bei dem spröden und leicht 
brechenden Material zu überwinden hatte, geben dafür nur 
teilweise eine Erklärung. Das Motiv selbst ist zu sehr im kaiser- 
lichen Kult und Zeremoniell verankert. S0 gehört in Byzanz der 
besiegte Feind wesentlich zum Bild des triumphierenden Kaiser- 
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