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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 1)

  
   
den reiche: Sammlungen, einer berühmten Bibliothek und einer 
hervorragenden Verwaltung verdankt, sondern auch den Plan 
zu einer groß angelegten Klosterehronik? Was tatsächlich ent- 
stand, blieb zwar ein Torso und war nicht eine Geschichte Gött- 
weigs, dennoch wurde es eines der wichtigsten historischen 
Werke der Zeit. Denn als Bessel, wie zahlreiche Stiftschronisten 
vor ihm, ans Werk ging, sah er sich auf Schritt und Tritt ge- 
hemmt, - eben durch die mittlerweile erwachte Kritik des Histo- 
rikers an den bisher naiv übernommenen Quellen. Bessel machte 
sich daher kühn an die fundamentale Vorarbeit, an die Unter- 
suchung der Urkundenschätze auf ihre Echtheit, indem auch er 
einem französischen Vorbild, dem bekannten Benediktiner Ma- 
billon, folgte, und damit wirkte er bahnbrechend für die deutsche 
Urkundcnforschung überhaupt. 
Während die Benediktiner und alten Orden sich auf diese Weise 
um die bei ihnen verwahrten Geschichtsquellen bemühten, er- 
wachte auch in einem anderen Orden in neuartiger Weise der 
historische Sinn und wir finden nun hervorragende Mitglieder 
der Gesellschaft jesu bereits im Begriffe, selbst erarbeitete For- 
schungsergebnisse nun zu großen Gcschichtsdarstellungen zu- 
sammenzufassen. So wurde nicht nur Franz Wagner der Ver- 
fasser des Standardwerkes über Kaiser Leopold I., sondern Pater 
Markus Hansiz wagte sich an die gesamte Kirchengeschichte 
Deutschlands, zu der er aus ltalien seine Vorbilder bezog. 
Die enge Bindung der Kirche in Österreich an das Kaiserhaus als 
ihrem Erretter und Beschützer, eine Bindung, die im 17. jahr- 
hundert äußerst fmchtbar war, im 18. jedoch in ein verhängnis- 
. N 1111!. u... nutucucunucuc, 
Abb. 2. 
Titelblatt zu den „Scriptores Rerum Austriacarum" 
von Hieronymus Pez (1721). 
 
 
Abb. 3. Titelblatt zur „Germania Sacra" von Marcus Hansiz (l 
volles Staatskirchcntum überging, zeigt sich nicht nur .1 
Kloster- und Kirchcnbauten des barocken Österreich, sond 
gleicher Weise auch an den geistlichen Geschichtswerken. 
Beziehung findet aufs beste ihre Illustration in dem Ti 
des genannten kirchcnhistorischen XVerkes von Markus H: 
Neben diesen großen gelehrten Werken machte sich abe 
Buchgattung bemerkbar, die dem nun schon viel zahlr 
gewordenen Leserpublikum, und nicht zuletzt auch der 
als Leserin entgegenkommt: die „galante" Lektüre. 
Salons des 18. Jahrhunderts paßten nicht mehr die sch 
barocken Folio- und Quartbiinde, sondern kleinere, zierl 
und handliche Formate, die nun auch für historische P 
Verwendung fanden. Zunächst erschien in dieser Gesta 
meist nur Flugschriftenliteralur über Fest- und Kriegsgct 
nissc der Gegenwart. Bald aber wurde der Büchermaik 
kleinen Biographien über große Männer überschwemmt t 
stehen hier die Beschreibungen über „Leben und Thater 
Prinzen Eugen wohl an der Spitze. Diese Bücher sind nur 
nicht mehr lateinisch oder italienisch geschrieben, sc 
deutsch - und französisch. Der französische Einfluß, der 
für die Geschichtswissenschaft festgestellt wurde, dehnt sie 
in noch viel stärkerem Maße auf die Salons aus, französisch 
stigkeit, sei es im Gewandc des Jansenismus oder der Aufkli 
sickert durch viele kaum merkbare Kanäle in das barocke i 
reich ein und verhilft dazu, dessen geistige, kirchliche, i 
sehaftlichc und staatliche Grundfesten auszuhöhlen. Rokok 
Aufklärung sind im Begriff, die barocke Kultur abzulösen 
' Österreichische Geschichtsschreiber. 
f Chronicon Gotwicense, 1732. Prodromus. 
3 ("xermnnia Sarra. 1727ä172Q 
.,........ uuuövaulannull .wyuußu n," 1 I u, nun. de. xlunxlayalvlllxlnulau, 
den reichen Sammlungen, einer berühmten Bibliothek und einer 
hervorragenden Verwaltung verdankt, sondern auch den Plan 
zu einer groß angelegten Klosterchronik? Was tatsächlich ent- 
stand, blieb zwar ein Torso und war nicht eine Geschichte Gött- 
weigs, dennoch wurde es eines der wichtigsten historischen 
Werke der Zeit. Denn als Bessel, wie zahlreiche Stiftsehronisten 
vor ihm, ans Werk ging, sah er sich auf Schritt und Tritt ge- 
hemmt, - eben durch die mittlerweile erwachte Kritik des Histo- 
rikers an den bisher naiv übernommenen Quellen. Bessel machte 
sich daher kühn an die fundamentale Vorarbeit, an die Unter- 
suchung der Urkundensehätze auf ihre Echtheit, indem auch er 
einem französischen Vorbild, dem bekannten Benediktiner Ma- 
billon, folgte, und damit wirkte er bahnbrechend für die deutsche 
Urkundenforschung überhaupt. 
Während die Benediktiner und alten Orden sich auf diese Weise 
um die bei ihnen verwahrten Geschichtsquellen bemühten, er- 
wachte auch in einem anderen Orden in neuartiger Weise der 
historische Sinn und wir finden nun hervorragende Mitglieder 
der Gesellschaft jesu bereits im Begriffe, selbst erarbeitete For- 
schungsergebnisse nun zu großen Geschichtsdarstellungen zu- 
sammenzufassen. So wurde nicht nur Franz Wagner der Ver- 
fasser des Standardwerkes über Kaiser Leopold I., sondern Pater 
Markus Hansiz wagte sich an die gesamte Kirchengeschichte 
Deutschlands, zu der er aus Italien seine Vorbilder bezog. 
Die enge Bindung der Kirche in Österreich an das Kaiserhaus als 
ihrem Erretter und Beschützer, eine Bindung, die im 17. Jahr- 
hundert äußerst fruchtbar war, im 18. jedoch in ein verhängnis-
	        
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