Kleine
(Qaltmenkztnde
Von
PAUL THUN-HOHENSTEIN
de seiner Aschel llr war ein tüchtiger Fachmann, der Herr
n. Als ich, vor sehr vielen Jahren, in Wien, das erstemal
en Geschiiftsladen in der Himmelpfortgasse betrat, brachte
einen älteren Kupferstich mit, der eines Rahmens bedurfte.
r Grün besah das Blatt sehr genau, dann murmelte er: „1780
1790." Damit verschwand er nach rückwärts und ließ mich
: gute XVeile allein. Als er wicderkam, hielt er in jeder Hand
zn alten Rahmen. Er legte beide vor mich hin und sagte:
1er von diesen zweien, ein anderer kommt nicht in Frage."
war kategorisch, und beide Rahmen waren schön. Ich wählte
tn von ihnen und habe meine Wahl nie bereut. Viele Jahre
:er - ich lebte damals in München - trug ich den Rahmen
Reparatur, weil cr an den geleimten Ecken ein wenig locker
'orden war. Der Mann musterte den Rahmen lange, dann
te er: „Das ist ein wunderschöner Rahmen, der muß aus
rn sein. Nur in Wien hat man so schöne Rahmen gemacht."
ich, manches Jahr danach, mich neuerdings in Wien nieder-
w, war Herr Grün schon tot. Aber ahnungslos hat er mir seine
ude am schönen, am passenden Rahmen hinterlassen. Und
habe allmählich zugelernt: jedes Bild, das aufgehängt werden
, braucht einen Rahmen, das ist klar, aber jedes Bild hat
ten besonderen Wunsch, dem der Rahmen sich zu fügen hat.
' jeden Fall mul} er das Bild richtig umgrcnzen, er muß es
usagcn hermetisch abschließen. Dabei sind ihm zwei Ex-
ne verstattet: entweder muß er genauestens in die Entste-
igszeit des Bildes passen oder darf er völlig zeitlos sein. Was
wischen liegt, ist allemal von Übel. Dieses Übel aber ist so
rankenlo; verbreitet, daß über die Erfordernisse jener zwei
reme einiges zu sagen ist. Der erstgenannte Fall stellt dem
kundigen ein einziges Problem, das er nur lösen kann, wenn
er auch über einigen Geschmack verfügt: so mancher Rahmen,
ganz besonders ein aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
stammender mag, zeitlich gesehen, stilecht sein, aber sein Stil
ist nicht echt - man denke nur an die breiten goldgipsernen
Ungetüme, mit denen man damals Ölbilder „sehmückte" und
so um ihre Wirkung brachte. In dieser Epoche hat übler Ge-
schmack, den es ja immer und überall gibt, geradezu Orgien
gefeiert. Man denke aber auch an die schönen Goldrahmcn, die,
in den gleichen Jahrzehnten, etwa Lenbach für seine Porträts
sorgsam auszuwählen wußte. Seither ist man freilich längst, aus
materiellen Gründen und wegen Raummangels, zu sehr einfa-
chen, schmalen Rahmen übergegangen. Damit aber nähern wir
uns schon dem zweiten Extrem, dem völlig zeitlosen Rahmen.
Dieser ist für zarte, nur leicht getönte Blätter, insbesondere für
jede Art von Graphik, ganz unentbehrlich, aber er braucht einen
Helfershelfer, das gut gewählte und richtig dimensionierte Passe-
partout. Dieses wird für dunkle Blätter hell zu wählen sein,
weiß oder gelblich, für hell wirkende aber dunkler gehalten
werden müssen. Ein dünnes, ganz unauffälliges Holzstfibchen
gibt hier den besten Abschlull, wenn man es nicht vorzieht, das
Bild lediglich zu kaschieren. Aber selbst bei dieser einfachsten
Art der Rahmung kann man kleine Wunder erleben: das Un-
fertige einer Handzeiehnung weicht zurück, aber die hohe Fer-
tigkeit des Künstlers tritt merklich hervor und gibt der Skizze
plötzlich unerwartete Bildhaftigkeit. Und gerade die Bildhaftig-
keit ist es, mit der ein Kunstblatt, welcher Art es auch sei, am
unmittelbarsten und stärksten auf uns wirkt. Aber sie ist heikel,
man kann sie empfindlich verstören, auch wenn man nicht so
lebhaft fühlt wie jener Sammler, der behauptete, ein falsch ge-
rahmtcs Bild irre ruhelos im ganzen Zimmer umher, immer
auf dcr Suche nach seinem richtigen Rahmen. Er ging noch einen
Schritt weiter: kein Bild dürfe an der Wand „kleben", denn
auch dies schaffe Unruhe. Auf meine kleinlaute Frage, was denn
da eigentlich zu tun sei, wics er auf seine Bilder und erklärte
mir, dali man den Haken deutlich sehen müsse, dazu noch ein
wenig von der rechteckigen Spange, mit der das Bild am Haken
hänge; denn Ringe lehnte er kurzwcg ab: „Da hängen die Bil-
der zu oft schief."
Weiß Gott, von dem alten Manne konnte man lernen. Weil jedes
richtig gerahmte Bild ein ruhiges, in sich geschlossenes Ganzes
sei, dürfe man ohneweiters, so meinte er, an einer und derselben
Wand Stile und Zeitepochen mischen - das sei nicht anders, als
säßen im gleichen Zimmer Großvater, Sohn und Enkel. Aber
diese vcrtrügen sich doch nur, wenn sie, menschlich gesehen,
etwas Gemeinsames an sich hätten. So sei es auch mit Bildern:
sie müßten, im künstlerischen Sinne, etwas Gemeinsames haben,
er nannte es das „Gekonnte".
An diesen sonderbaren alten Mann habe ich oft denken müssen,
wenn mir, was Rahmen tbetrifft, Ungeheuerliches vor Augen
kam. Das war gar nicht selten der Fall, am erschütterndsten viel-
leicht in jener alpenländischen Burg, die seit Jahrhunderten der-
selben Familie gehörte. Ich konnte Ahnenbilder bewundern, die
wohl noch nie die Wand gewechselt hatten - aber was war mit
ihnen geschehen? Der Vater des greisen Besitzers hatte um die
Mitte des 19. Jahrhunderts die vielleicht schon etwas unansehn-
lich gewordenen alten Rahmen entfernt und den spätgotischen
Tafelbildern die damals beliebten „BlondelP-Rahmen gespendet,
die an Bildern von Waldmüllcr, Danhauser, Gauermann stilrein
sind, für Gotik aber als Maskerade wirkten. Der Hausherr merkte
mein Erstaunen und versicherte mir, er wisse wohl, daß diese
Rahmen nicht recht entsprechend seien, aber aus Pietät gegen
den seligen Vater müsse er sie doch wohl belassen...
Ernster zu nehmen als dieser absonderliche Fall war die Not-
lage, in der sich in der lnflationszeit, zu Beginn der zwanziger
Jahre, die deutschen Maler befanden, die im Münchner Glas-
palast ihre neuen Werke ausstellen wollten. Allgemein gültige
Bedingung war, daß jedes eingesandte Bild einen Rahmen haben
müsse, aber diese Forderung war für die meisten kaum erfüllbar.
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