MASS, GESTALT UND AUSDRUCK IN STEIN
zu FRLTZ WOTRLJBAS 50. GEBL,R'I'S'I'A(I
von JORG LAMPE
Fritz Wotruba, der am 23. April sein 50. Lebensjahr vollendete,
ist eine viel zu klare und vitale Persönliehk-it, eine zu gesunde
und lebensnahe bildnerische und künstlerische Potenz, als dail
er auf irgendwelche gedankenblasse Theoreme festzulegen wäre.
Seine ungeschwätzige und gestenlose, aber darum nicht weniger
reiche Einfachheit der Haltung, des Fühlens, Denkens und Tuns
Maß, Gestalt und Ausdruck für Sein, Erleiden und Bereitschaft
des Menschen zielt. Da wird nicht eine „äußere" Realität ins
„Idcztl-Schöne" transportiert, sondern vielmehr von ihrem We-
sen her zu ihrer Bedeutung und deren plastischem Gleichnis
durchgehildet, sodaß Gehalt, Inhalt und Form ein unaullösliehes
Ganzes werden.
Österreichs prominentester Bildhauer, Fritz
tißotruba, wurde 1907 in lWien geboren. Nach
der Pflirbisclazile absolvierte er die prakti-
srhe Lehre als Graueur und verdiente sich
dann als Äletallarbeiter die Mittel für seine
künstlerische Ausbildung. Seine starke Be-
gabung gewann ihm das erste Stipendium
der Arlreiterlaammer. Zwei ]abre war er
Schüler bei Professor Hanak. ll-"Olflllßtl! Na-
me ist heute in der ganzen Kunstwelt be-
kannt, und zahlreiche Ausstellungen in Paris,
Venedig, lnndon. Zürich haben ihn auch
einem weiten Fulrlikumskreis zum Begriff ge-
macht. Eine Ausstellung seiner Werke, die
derzeit in den USA gezeigt wird, ist die um-
tangreichste. die nach dem Krieg nach ("her-
see gebracht wurde. Anschließend wird sie
in San Francisco zu sehen sein. In Paris.
Jilzandinavien und Holland werden in dieser
Saison die llVerke llßutruhas den Mittelpunkt
weiterer Ausstellungen bilden. In Holland
wird die Kollektion im Freien gezeigt und
zum erstemnal auch die „Große Liegende".
die vor dem Museum der Stadt Wien am
Karlsplatz aufgestellt werden soll.
ist gleich rmaik-n für ihn alx Mcnsuh u d kumtlv. h slimmtnd.
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Zur Zeit dieses Torsos nun und selbst während Wotrubas
Schweizer Emigration, ließ sich ein solches Gleichnis noch
durch eine gewisse formale Straffung und Archaisierung der
Figur erreichen. Doeh schon die „Stürzende" von 1944, die
„Weibliche Kathedrale" von 1946, die „Verhüllte" von 1947
zeigen deutliche Erschütterungen in Wotrubas eigenem thema-
tischen Grunderlebnis an. Der Seins-, Erleidungs- und Bereit-
schaftszustand des Menschen füllt sich für ihn in den Kata-
strophenjahren mit einer Dramatik, die die Figur zu sprengen
droht und nun einen besonderen Grad von Abstraktion er-
zwingt.
In der großen weiblichen Figur („Roc feminin") von 1947 dem-
nach, im „Denker" von 1948, in der „Sitzenden Figur" von 1949
oder im „Hockenden" von 1950 kündigt sich das Formstadium
Abb. 1. „Liegende", Konglomerat, 1953
Nach der „Liegenden" im gleichen Material von 1951 stellt diese Figur
bereits die Überwindung der Schwere und des Stoffes dar. Allein schon
die sich vom Hals und Kopf der Figur zum rechten Knie spannende
Kurve verleiht der Gesamtgestalt eine schwebende Anmut, die durch die
graphischen Einzeichnungen in die Körperlliiche noch unterstrichen und
gesteigert wird.