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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 7 und 8)

Dcluil aus dem großen Kuppclwml. Knminxvund. 
 
Detail aus dem großen Kuppclsaal. Kaminwand. 
wählte nicht die „altmodische" Lösung einer Kuppel, sondern 
die Fischers Idee entsprechende Ringkronc mit statuenbesctztcr 
Balustrade. 
Hildebrandts Erstlingswerk in Wien war jedoch keine Nach- 
ahmung Fischers, es war eine selbständige Auseinandersetzung 
mit dessen XVerk. In ihm offenbarte sich bereits seine völlig 
verschiedene künstlerische Persönlichkeit. Die künstlerischen 
Gegensätze waren wohl der ticfstc Grund für die starke Rivali- 
tät zwischen den beiden. Wie später viele andere seiner Werke, 
sollte auch das Patlais Mansfeld zeigen, wie Hildebrandt einen 
Baugedanken Fi "hers verändert wis n wollte. Er entwarf cs 
nicht als ein Gefüge von mehreren Baukörpern, das durch die 
Dynamik des vorschwingcnden Mittelteils zwischen tiefen, schat- 
tendcn Rücklagen zentriert wird und sich vor unserem Auge zu 
einem malerischen Prospekt schließt, wie etwa Schloß Engclhart- 
stetten oder das „Lustgartengebäude-"Ü Sein Ziel war ein ge- 
schlossener Baukörper mit flächig wiikendcn, einheitlich durch- 
gestalteten, langgestreckten Fassaden. Die geringe Tiefe der 
Rücklagen, die einheitliche Fcnstergliederung und ein durch- 
laufendes Gesimse reduzierten die Dynamik des konvc 'en Mittel- 
traktcs an der Gartenfassade und banden ihn optisch in die 
Fassadcnfläche ein. Auch in der Höhenstrcckung verlor er durch 
die weithin sichtbaren SlClldäChLT der Seitcntrakte an Dominanz. 
Noch deutlicher ist diese Tendenz an der Ehrcnbofseite, wo das 
sich in drei Arkaden öffnende Vestibül die konvexe Rundung 
des Mitteltcils der Fassade verdeckt. Erst über der Attika des 
Vestibüls erhebt sich - wie cingcsunken zwischen den Seiten- 
trakten - die Ringkrone der Kuppel. Die verschiedenen künst- 
lerischen Auffassungen der beiden Architekten erklären sich zum 
Teil aus ihrer verschiedenen Herkunft und Schulung, Der in 
Genua von deutschen Eltern geborene Hildebrandt war zwar 
wie Fischer in Rom bei dem Nachfolger und Erben der Werkstatt 
  
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Berninis, ("trlo Fontana, geschult worden, aber nicht mehr wie 
der um zwölf jabrc tere Fischer in pers" lieber Verbindung zu 
Bernini und dem iomischen lrloehbaroek gestanden. Seine Aus- 
bildung in der Kriegsbatikttnst hattc er als Volontär der kaiser- 
lichen Armee in Piemont erhalten, wo der italienische Barock 
zum lctztcnmal große und selbständige architektonische Lei- 
stungen hcrvorbrachte. Es nimmt daher nicht wunder, daß in 
seinem Wcrk die genucsiscbc Architektur des 16. und 17. jahr- 
bundcrts, etwa BLIFIOlUHImCO Hianco, und der piemontesische Ba- 
rock, vor allcm Guarino Guarini, stärkeren Anteil haben. Die 
Einwirkung des ersteren ist in diesem Werk besonders stark am 
Vestihül zu sehen, die des letzteren in dem von Hildebrandt pro- 
jektierten Gitrtenhclvetlerc. Es ist jedenfalls in Kenntnis dcr 
Fischerschen Entwürfe zu Gartenhiiuschen für Klesheim ent- 
standen, die im Grundrili von einfachen geometrischen Grund- 
formen (Kreis, Ellipse usw.) ausgehen. Hildcbrandt fügte sie 
aber nicht wie Fischer als selbständige Raumzcllen, die sich 
nicht beeinträchtigen, nebeneinander, sondern ließ sie im gua- 
rineskcn Sinn sich gegenseitig fragmcnticren und durchdringen. 
In den um den Ebrenbof angeordneten Flügelbauten dachte 
Hildehrandt nicht nur „obcritalicnischcr", sondern auch „fran- 
iscber" als Fischer; besonders augenfiillig sind dabei die hohen 
hlansarddächer. 
  
 
Sein erstes Werk in Wien hatte llildebrandt bereits in den Vor- 
dergrund des künstlerischen Interesses gerückt und zu einem 
ernsthaften Rivalen Fischers gemacht, doch war cs ihm nicht 
vergönnt, den Bau zu vollenden. Er war 170-} zwar im Außenbau 
fertig, doch fehlte, wie uns Fresehot in seinen „Memoires de la 
Cour de Viennc" berichtet, die Innenausstattung. Die Neben- 
gebäude scheinen damals noch niebt bestanden zu haben. Der 
Entwurf Hildehrandts für die architektonische Gestaltung des 
Gartens - mit T cppenanlagcn, Wlasserhassin, Belvedere und 
Gartentheater-kttm nie zur Ausführung. 1716, ein Jahr nach 
dcm Tode des Grafen Mansfeld, verkauften dessen Töchter das 
Palais um 50.000 fl. an den Obcrsthofmarschttll Adamliranzliürst 
Schvrarzenberg. Eine Bestandsaufnahme für den Käufer über- 
liefert uns, daß damals die Westhälftc mit der Kapelle völlig, die 
östliche nur teilweise eingerichtet war. Der große Saal stand 
noch in „rauben Matter-n". Die Nebengebäude waren bereits vor- 
handen und der Garten im wesentlichen nach dem Plan Jean 
'l'rchet.s angelegt. Furst Scbwarzenberg scheint Hildebrandt nicht 
weiter beschäftigt zu haben, als er 1720 an die Vollendung der 
Anlage schritt; er zog Fischer von Erlach heran, der schon einige 
Jahre zuvor für sein Stadtpalais tätig gewesen war. Der Fürst 
schätzte ihn sehr und schrieb von ihm, er babc „wenig seines- 
gleichen in diesen Landen", wenn er auch hinzufügte, „und doch 
im Kopfe sichtbarlich einen Sparren zuviel". Fischer sollte jenen 
Paktst vollenden, der seine Lieblingsidec, das Gartensehloß mit 
vorgewölbtcnt Mittcltrakt, in monumentaler Weise verwirklicht, 
aber zugleich einsebneidcnd verändert hatte. Der Urheber des 
Baugedankcns kämpfte nun um dessen unverfälschte Wieder- 
gabe. Änderungen waren ohne große Umbauten nur mehr am 
Mitteltrakt möglich. Fischer vergrößerte die Fenster im Haupt- 
geseboll der Gartenfassitde, schloß sie rundbogig ab und zog die 
beiden Reihen der Obergescboßfenster zu ebensolchen hohen 
Rundbogcnfenstcrn zusammen, was auch eine bessere Belich- 
tung des Kuppclsilttls ermöglichte. So durchbrach er die ein- 
heitliche Fassadcngliedcrung und verlieh dem Mitteltrakt stär- 
kere Dynamik. Durch diese Veränderungen kam die Fassade dem 
„Lustgartengcbäude" so nahe, daß der gesamte Bau lange Zeit 
von der Forschung als ein Werk Fischers angesehen wurde. 
Der Umbau des Palais Schwarzcnbcrg war für Fischer nicht nur 
eine Gelegenheit zur „Vcrhesserung" Hildebrandts, sondern auch 
zur Auseinandersetzung mit cincr eigenen früheren Schaffens- 
epoehc. In den 25 Jahren, die seit der Konzeption dieses Bau- 
gcdankens verstrichen waren, hatte sich seinc Kunst, die nun 
vordringlich von der französischen „Klassik" und dem "Palladiu- 
nischen Klilus smus" Nordwesteuropas beeinflutit war, entschei- 

	        
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