EIN VERGESSENER KLEINMALER AUS
ÖSTERREICH
DER OBEROSTERREICHISCHE LANDSCHAF
FS MAI.
ER JOHANN HU]
EBER
VON GUSTAV FESTENBERG
Es ist kein Zufall, daß die Kunst der Kleinmalerei im 18. Jahr-
hundert ihren Höhepunkt erreichte.
überdrüssig oder nicht mehr fähig der heroischen Geste, des Le-
bens um hohe Ziele, um gewaltige Leidenschaften, wandte man
sich ganz dem Intimen zu, dem Privaten, dem Licbenswürdigen.
Wohl gab es noch Glanz, aber es war nicht mehr der Glanz der
großen Aktionen, sondern der des persönlichen Reichtums; wohl
gab es noch Leidenschaften, aber sie galten nur noch der Liebe,
und wenn etwas die Allgemeinheit beschäftigte, so war es der
Einzelne. In der Kunst, sofern sie ihm nicht Vorbild war, spie-
gelte sich das Dasein. Das Genrehafte, das Einmalige beherrschte
die Malerei, bukolische Landschaften mit Hirten und Schäfer-
innen, Augenblicksbilder aus dem gesellschaftlich-geselligen Le-
ben und eine Fülle von Porträts, leichte unbeschwerte Gesichter,
die Stolz und Sorge hinter einem Lächeln vcrbargen, waren ihr
Gegenstand. Und mit diesen großen Werken ging kleinen feinen
Schrittes gleichsam eine besondere Art der Malkunst einher, die
Miniatur. Das Antlitz, das man liebte, immer bei sich zu tragen,
das war wohl der Anlaß für die hundert und aberhundert zarten
und zärtlichen Bilder, die noch heute Entzücken und Bewunde-
rung hervorrufen. Diese XVoge der Klcinmalerei, die rasch und
glücklich emporgestiegen war, brach sich an der Revolution
von 1789. Ihr Schwall verebbte. Was sie aber endgültig verlö-
schen machte, war die Photographie, ihre wohlfeil-prosaisehe
Halbschwester.
Doch wie wir es an der Sonne erleben, die, ehe sie scheidet, noch
einmal die ganze Fülle ihres Glanzes über die Erde ergießt, so
hat auch die Kleinmalerei im Scheiden noch eine ihrer schönsten,
reichsten Blüten getrieben. Es ist Johann H ue be r, der diese
sterbende Kunst in ihrem ganzen Reichtum zeigte, sic in bis da-
hin ungeahnter Tiefe erschloß. 1813 als Sohn eines Spengler-
meisters in Waizenkirchen, einem unbedeutenden Nfarktfleckcn
Oberösterreichs, geboren, besuchte er die fvfünchncr Kunstaka-
demie, die er anfangs der vierziger Jahre verließ. Von da bis
zum Jahre 1864 bereiste er, als Lehrer in aristokratischen lia-
milien, ganz Deutschland, Österreich und Holland. Zwei Epochen
verdienen aus dieser Zeit besondere Erwähnung. 1852 wurde er
nach Schloß Possenhofen berufen, wo er zwei Jahre lang die
Prinzessin Elisabeth, die naehmalige Kaiserin von Österreich,
und ihre Schwestern unterrichtete. 1862 - 6-} verbrachte er in
der Familie des Barons Risenfels auf Schloß Seisencgg in Nic-
derösterreich, wo sich die reichste Sammlung seiner Bilder be-
findet. 1864 kehrte er in seinen Geburtsort zurück, in dem er
auch 1889 starb.
Man kann sich schwerlich ein ruhmloseres Leben denken als
das Huebers. Nicht daß es ihm an Anerkennung im engen Kreis
gefehlt hätte. Moritz von Schwind, Spitzweg schätzten ihn, und
seine Brotherren gaben ihm ihre Bewunderung dadurch zu er-
kennen, daß sie die Bilder, die in ihrem Hause entstanden, käuf-
lich erwarben. Darüber hinaus hatte es nur einmal den An-
schein. als ob sein Leben eine Wendung nach oben nehmen sollte.
Es war im Jahre 1853, als sein Gönner, Herzog Ludwig in Bay-
ern, ihm riet, sich an den hohen Verlobten seiner Schülerin, den
Kaiser Franz Joseph, zu wenden. Der Entwurf eines Gesuches
um eine entsprechende Stelle in Wien ist erhalten, Es dürfte nie-
mals abgesandt wordcn sein. Nach Huebcrs Tod fand man auf
dem Speicher seines Hauses Kisten mit Hunderten von Bildern.
Sie hatten, ziemlich achtlos verpackt, vielfach gelitten.
So einfach das Leben dieses Mannes bei flüchtiger Betrachtung
erscheint, so verwickelt wird es bei näherem Zusehen. Hucber
begann damit, Bilder gewöhnlichen Formats in der Manier Rich-
ters zu malen. Es sind Landschaften, die große Genauigkeit in
der Beobachtung der Natur verraten, nicht mehr. Später dann,
als Lehrer, so meinen seine Biographen, habt: es ihm an Zeit ge-
mangelt und er habe sich dem kleinen Format zugewandt. Da-
neben sind uns Skizzenbüchcr erhalten, die mit Zeichnungen als
titgebuchartigen Eintragungen angefüllt sind. Jeder Strich verrät
einen Meister des Stifts, ob es sich um eine Baumwurzel, eine
Blume, das licll eines Tieres oder die Gestalt eines Soldaten han-
delt. Alles ist mit unfehlbarer Sicherheit gesehen, alles auf Kon-
tur, auf Linie gestellt, alles von unbcstechlicher Wahrhaftigkeit.
Umso überraschender wirken seine Gemälde. Zwischen vier und
zehn Zentimeter schwankend (nur wenige sind größer), enthal-
tcn sie alles, was die Landschaft dem Auge zu geben vermag:
sonnendurchtriinkte Ebenen, mondübergliinztc Wasser, Berge,
Hans Hueber, Hof eines Bauernhauses. Öl auf Karton. 8.2 X 10.5 cm.
Aus der Ilxlmlzelelieitsantmiuug des nberösterr, Luntlesuiuseutus.
das Meer, Stitdte, Flüsse, im Herbst, im Winter, bei Gewittern,
unter Rcgcnsehauern, glühend in Sonnenuntergängcn, aber im-
mer mit tmgehcurem, weitgespanntem Himmel und einer gerade-
zu atcmbaren Luft. Es sind Gemälde im reinsten Sinn, in ihrer
äußeren Kleinheit von tinhcimliclter innerer Wfeite, ganz durch-
wirkt vom Licht, leuchtend in liarbe wie die Flügel eines Schmet-
terlings oder ein erlesener Edelstein. Nur wenige deutsche Maler
haben so aus dem Licht heraus gemalt, haben so das Geheimnis
der Materie entschlciert, die ihrem Wesen nach nichts als ver-
dichtetcs Licht ist.
Je mehr man sich versenkt in diese winzigen Offenbarungen,
desto unbegreiflichei" wird es, dali ihr Schöpfer sich nicht im
Großen auslebte. Es mufl gesagt werden, daß sich in der küttst-
lerischen Hinterlascnschaft Huebers einige Gemälde in nor-
malem Ausmaß gefunden haben. Sie fallen - genau wie ihre