EPHESOS, ÖSTERREICHS GRABUNGSSTÄTTE IN ANATOLIEN
Von FRANZ MILTNER
Etwa 70 km südlich der heute blühenden Hafenstadt Izmir
(Smyrna) liegt das fast 4km erfüllende Ruinenfeld jener antiken
Großstadt, deren seit alters weithin berühmter Tempel der ho-
hen Artemis zu den sieben Weltwundern zählte. Diese Stadt,
welche zu ihrer Blütezeit im 2. jahrh. n. Chr. eine halbe Million
Einwohner, vielleicht sogar darüber gezählt haben mag, zu er-
forschen, ihre wichtigsten Bauten und Denkmäler frcizulegen
und die Geschichte dieser eigenartigen Stadt, die als griechische
Kolonie etwa 1000 v. Chr. gegründet, bis zum Einbruch rder
Seldschuken Ende des 13. jh. n. Chr. bestand, zu erkunden, hat
das Österreichische Archäologische Institut 1896 begonnen. Na-
turgemäß wurden die Arbeiten durch die beiden Weltkriege
und ihre für Österreich besonders schweren Folgen unterbrochen.
So konnte von 1896 - 1914 unter der Leitung von Prof. Rudolf
stöckige Bühnenfassade wenigstens zeichnerisch wiederherstel-
len. Hier in diesem Theater SplClIC sich die gewaltige, in der Apo-
stelgesehichte so eindrucksvoll geschilderte Demonstration der
Ephesier, welche um die Geltung ihrer Artemis bangtcn, gegen
den ersten Predigtversueh des Apostels Paulus ab. Vom Theater
führt nach Westen zum Hafen eine 600m lange Straße mit 11 m
breiter Fahrbahn, beiderseits von je 5m tiefen Säulenhallcn b:-
gleitct, welche nach dem Kaiser Arkadius, Arkadiane benannt
wird, da sie in der Wiederherstellung durch diesen Kaiser uns
erhalten blieb. Vom Theater führt nach Süden die zweite große
Hauptstraße, wegen des vollständig erhaltenen Pflaslers aus
schweren Marmorplatten, Mnrmorstraße benannt. An ihrer
Westseite dehnt sich die Agora, der große Marktplatz, 120 m
im Geviert messend, an allen vier Seiten von doppelten Säulen-
Blick auf das ephesische
Ruincnfeld, die österreichi-
sche Grabungsstättc in Klein-
asien.
Heberdey, 1926 - 1935 unter jener von Prof. Dr. Josef Keil und
seit 1954 unter der des Berichterstatters, gegraben werden.
Wenn auch hier in erster Linie die Arbeiten und Ergebnisse der
jüngsten Grabungsjahre vorgelegt werden sollen, so muß wenigv
slens summarisch zunächst das in den vergangenen Perioden
Erarbeitete dargestellt werden.
Abgesehen von wenig ergiebigen Naehgrabungen an dem bis auf
einen einzigen noch an Ort und Stelle verbliebenen Stein völlig
zerstörten Artemistempel, wandte sich das Hauptinteresse der
Ausgräber zunächst dem weiten Ruinenfeld der Hafenebene zu,
welche im Süden vom Bülbüldag (Nachtigallenbcrg), im Osten
vom Panayirdag (Festesberg) umrahmt wird. Eines der ersten
Objekte bildete das in den Hang des Panayirdag gebettete große
Theater mit seinem in drei Rängen emporsteigenden Zuschauer-
raum, der einst etwa 25.000 Menschen Platz bot; auch das Büh-
nengebäude wurde freigelegt und aus den aufgefundenen Resten
ließ sich die mit einer überreichen Architektur geschmückte, drei-
hallen umrahmt, hinter denen die Gewölbe der Kaufleute und
Händler angeordnet sind. Man wird sich Leben und Treiben auf
diesem Mnrkte, auf dem die feinsten Gewebe, die duftendsten
Gewürze des nahen Orients, die schönsten Mädchen aus aller
Herren Länder feilgeboten wurden, wo Gold- und Silberschmiede
die Erzeugnisse ihrer Werkstatt verkauften, die Geldwechsler
ihr gericbenes Handwerk trieben, nicht bunt, nicht laut genug
vorstellen können. Doch zwischen den Säulenhnllen standen Hun-
derte von Statuen verdienter Beamter des Reiches und der Stadt,
hoheitsvoller Priesterinnen und würdiger, um die Öffentlichkeit
verdienter Matronen. Handelsplatz und Ehrenhalle waren hier
eine Einheit.
Südlich des Marktplatzes konnte die Bibliothek mit dem Lese-
saal und einer kunstvollen, vielfältig verkröpften Architektur
und westlich ein riesiger Tempel des ägyptischen Gottes Serapis
freigelegt werden. Neben diesen, zahlreiche Statuenfunde ge-
währenden Gebäuden, beansprucht in Ephesos ein Bautypus be-