ÖSTERREICHISCHE INDUSTRIETEPPICHE
Von WI
ELM MRAZEK
Das 19. Jahrhundert hat durch die Erfindung, Einführung und
Ausbreitung neuer leistungsfähiger Arbeitsmaschinen viele der
kühnen Gedanken, die zu Beginn der Neuzeit von Leonardo da
Vinei und seinen Zeitgenossen geträumt wurden, verwirklicht.
Die vehemente technische Entwicklung zog auf nahezu allen
handwerklichen Gebieten die Industrialisierung nach sich. Auf
dem textilen Sektor wurde der Webstuhl, eine der ältesten Ma-
schinen der Menschheit und bisher nur in gewissen Einzelheiten
ein mechanischer Hundwebstuhl, bis zur Vollendung durch-
mechanisiert und schließlich automatisiert. Die damit verbun-
denen Umwälzungen brachten völlig neue Voraussetzungen ge-
rade für die europäische Teppicherzeugung. In allen Ländern
vollzog sich in den ersten Jahrzehnten des 19. jahrhunderts der
Übergang von der Handknüpferei zur mechanischen Herstellung
und damit der Schritt von der Manufaktur zur Fabrik.
Führende Länder auf dem Gebiete der Teppicherzeugung waren
England und Frankreich. Die Engländer, konservativ in ihrem
Geschmack, ermöglichten den Fabriken die Erzeugung größerer
Mengen von Stapelwarc und begünstigten damit die Einführung
des mechanischen Verfahrens. Frankreichs Hauptstärke lag zwar
im handgeknüpften Teppich, aber schon die Folgeerscheinungen
der Revolution von 1789 zeigten dic Tendenzen, die dann mit
der vom Jahre 1848 das Ende für den handgeknüpften Luxus-
teppich brachten. Die neu heraufgekommene Gesellschafts-
schichle des „dritten Standes". das Bürgertum, konnte nur die
viel billigere Ware, die die Engländer auf den französischen
Markt brachten, kaufen und zwang damit die französischen Pro-
duzenten, sich der mechanischen 'l'cppichstühle aus England zu
bedienen.
Österreich trat ziemlich spät in Wettbewerb mit den anderen
Ländern. Erst der wirtschaftliche Aufschwung der sogenannten
Gründerjahre (1860 bis 1880) brachte eine intensive Förderung
und Industrialisierung des heimischen Gewerbes mit sich. Der
damit verbundene Wohlstand einer breiten bürgerlichen Schichte
Blick in den Vor- und Festsaal des Schlosses
Klesheim bei Salzburg. Den Boden bedecken
handgeknüpfle Teppiche aus der libergas-
singer Fabrik. Die traditionellen Dekorative
- Streumusler und Rankenbordüre - sind
der barocken Umgebung angepaßr. -
Philipp Haas und Söhne.
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