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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 4)

schiffen der Spittalcr Kirche erscheint, taucht dann noch spät 
im Ocuvre Fischers auf, nämlich bei der Karlskirche, und zwar in 
der ausgeführten, von der Abbildung der historischen Architek- 
tur abweichenden Lösung des Altarraumes; diese wird ja neuer- 
dings von Popelkam noch Fischer d. Ä. zugeschrieben. 
Ein weiteres österreichisches Bauwerk des 16. Jahrhunderts, das 
für die Arbeiten Fischers wichtig wurde, war das Neugebiiude 
bei Wien." Dieses 1569 von Maximilian II. begonnene und nie 
vollendete Lustschloß vertritt dcn in Mitteleuropa im 16. Jahr- 
hundert seltenen Typus der Villa Suburhana. Es war für die Un- 
terbringung von Kunstsammlungen, als Jagdhaus und Tier- 
zwinger eingerichtet und fand im ausgehenden 17. und Anfang 
des 18. Jahrhunderts wiederholte Beachtung. In der vom älteren 
Fischer inauguricrten Serie von Darstellungen von Gebäuden 
rund um Wien wurde es von Fischer d.  und Delsenbach ge- 
stochen und Josef I. dachte an eine Restaurierung des Objektes." 
Für Fischer wichtig ist daran zunächst die Lage, welche geschickt 
einen kleinen Berghang für die Ausführung von Terrasscngär- 
tcn ausnütztc, also für jene hängenden, mit Brunnen gczierten 
Gärten, die ihn wiederholt beschäftigt haben (siehe etwa die 
Rekonstruktion von Babylon oder die Borromäischcn Inseln in 
der Historischen Architektur), und die er in dem großen Entwurf 
für das kaiserliche Schloß Schönbrunn I in monumentalstar 
Form auswertete. Hier am Neugebäude war unmittelbar vor den 
Toren Wiens dieser Gedanke schon im 16. Jahrhundert ver- 
wirklicht worden. Es gab vielleicht sogar in Wien für solche 
Anlagen gewisse Vorbilder, wofür die Nachricht spricht, daß 
Matthias Corvinus in der Wiener Burg hängende Gärten, ähnlich 
Basilika von Maritizell. Kuppelrnum von Domenico Sciassia 1654. 
I" L.l'u])clk11, Studien zur Wiener Knllxkltlthe, Alle irrrrt Neue Kunst, 1955, s. 75. 
11 A. llg, Das Nriigrliaiitis llrl Wien. Jb. d. kll. Satllmlungeu d. Allcrh. Kalser- 
hnutieit xvi. was, s. iii ii. - n. Rieger, Du: Wiener Neugehäude, Miti. d. IIISK. I. 
um". Cetltbichtslursrhtlng ux, 1951, s. 75. 
Klosterkirche St. Barbara, Matitern in der Steiermark, von Dome. 
nico Sciassia, 1669-1676. Südöstlicher Vierungspfciler. 
wohl wie etwa in Visegrad, anlegen ließ." llicr war also der An- 
schlufS an eine ältere kaiserliche Tradition möglich, was wohl 
für einen historischen Interessen so aufgeschlossenen Künstler 
wie Fischer von Erlach sicherlich nicht bedeutungslos war. Neben 
den zahlreichen anderen Momenten, die ihn bei der Gestaltung 
des Planes Schönbrunn I inspirierten," dürfte also das Neuge- 
bäude eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt haben. Dieses 
Lustschloß mit seinen offenen Arkaden, Spaziergängen und XVm- 
delhallen ist überdies in dem gleichen fvlaßc ein „unrealisti- 
sclter" Bau, wie die Fischerschen Entwürfe für Lustgchäude un- 
realistisch gedacht sind. Ihre flachen Dächer und offenen Loggizn 
standen mit den Gegebenheiten des rauhen Klimas ebcnsowenig 
in Einklang wie die luftige Arkatur des Neugrbäudes, das ja 
auch bald in Verfall geriet und nur in einem entstcllenden Um- 
bau erhalten ist. Zu Fischers Zeiten war jedoch noch die ur- 
sprüngliche Anlage zu erkennen und cin Einfluß auf seine 
Ideen und Gestaltungen liegt wohl im Bereiche der Wahr- 
scheinlichkeit. 
Wenn auch Fischer von Erlach dic bedeutendsten Anregungen 
aus den Spitzenleistungen des architektonischen Schaffens nahe- 
zu aller Völker und Zeiten bezogen hat, so ist doch auch die 
künstlerische Umwelt seiner engeren fleimat für ihn nicht ohne 
Bedeutung geblieben. Darauf hinzuweisen erscheint nicht un- 
wichtig, denn der Umstand ist wesentlich dafür mitverantwort- 
lich, daß Fischer in der Entwicklung des österreichischen Barock 
nicht isoliert steht, wie es durch die starke Betonung der fremden 
Einflüsse fast erscheinen könnte, sondern dall er sie vielmehr in 
genialer Weise zu ihrem Höhepunkt führen konnte. 
11 srriiiiiiryr, S. 4a. 
1' Geschichte der Stadt Wien iv. s. 2x5. 
H Etwa ("G Anlage des Belveileres lu Rein. J. s. arkr-rmririn, The Uelvctlerl: a: a 
clnsslenl Villa, Jimrriiii o! tlte wiirbtrrg llhtl eutrrtiiuiii Instltutes, XIV, 1951, s. 70. 
15
	        
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