JOSEPH KRANTZINGER, DER PORTRÄTIST DER DAUPHINE
Von MARGUERITE jAL
LU'
Der Gedanke, daß die jüngste ihrer Töchter dazu bestimmt
war, dereinst den Thron Frankreichs einzunehmen, muß die
Kaiserin Maria Theresia bei aller Befriedigung, die diese Ver-
bindung im Staatsinteressc hatte, doch als Mutter bitteren
Trennungsschmerz bereitet haben. Kein Zweifel, daß der Ab-
schied, ein Abschied auf immer, sehr schmerzlich war.
Die kleine, blonde Erzherzogin, reizend anzusehen mit ihren
blauen Augen, dem lachenden Mund, graziös und lebhaft, hatte
lange Wochen hindurch keinen Schritt ohne die Mutter getan,
die sie höchstpersönlich auf das neue Leben, das ihrer in Ver-
sailles harrte, vorbereitet hzitte. Nichts begreiflicher, als der
Wunsch der Kaiserin, möglichst viele Porträts ihres Kindes, das
nun in die Fremde ging, anfertigen zu lassen. Eine ganze Reihe
von Bildnissen wurden in Österreich hergestellt, ohne aller-
dings immer den Charme und die Grazie ihres Vorbildes zu er-
reichen. Marie-Antoinette ist hochgewachsen. Das anliegende
Mieder, das sie trägt, liißt ihre schlanke Taille noch zarter er-
scheinen. Wohlgeformte Schultern tragen den Hals. Die Haare
legen sieh um eine hohe und breite Stirne. Die schönen Augen,
eine leicht gebogene Nase und die etwas starke Unterlippe zeich-
nen sich vorteilhaft in dem vollkommenen Oval des Gesichtes
ab. Alle Porträts der jungen Erzherzogin waren dazu bestimmt,
ihre Schönheit in Frankreich zur Geltung zu bringen. Natürlich
wollte die Kaiserin eine große Anzahl von Bildnisscn ihrer
Tochter für sich haben, aber gleichzeitig wollte sie einige davon
Ludwig dem XV. zukommen lassen, um ihm die Anmut ihres
Kindes vor Augen zu halten. Staatsinteresse und mütterlicher
Ehrgeiz gehen damit Hand in Hand, denn für Österreich nicht
weniger als für Frankreich ist der Bund der Erzherzogin mit
dem Dauphin von größter Wichtigkeit.
Ludwig der XV. hatte einen französischen Porträtisten, namens
Ducreux nach Wien geschickt, der einige Bildnisse Maria An-
toinettes anfertigte. Und lange vor ihrer Ankunft kannte man
in Versailles und Paris die zukünftige Gattin des Dauphins durch
ein Pastell, das Ducreux an den König geschickt hatte. Kaum
in Frankreich angelangt, wurde das Werk des Ducreux auch
schon als Vorbild benützt. Unter den zuerst angefertigten Por-
träts war eines besonders gelungen. Sondcrbarcr Zufall: es war
das Werk eines Österreichers, eines jungen, in Malzen bei Salz-
burg geborenen Künstlers. Dieser Joseph Krantzinger (die Fran-
-zosen schreiben ihn Grcnzinger), ein Schüler der Wiener Mal-
und Zeichenakademie war im jünner 1769 nach Paris gekommen.
Ein Schreiben des kaiserlichen Oberstallmeisters Graf Dietrich-
stein empfahl ihn an den Gesandten der Kaiserin Maria Thercsia
am französischen Hof, den Grafen Mercy Argenteau. Krantzin-
ger bekam für das Porträt der Dauphine offizielle Aufträge,
namentlich von den Tanten des Dauphin, den Töchtern Ludwig
des XV. Er fertigte Kreidezeichnungen an und es gelang uns,
zwei dieser reizenden Pastelle aufzufinden. Man kann nur einer
Meinung mit dem Abbe de Vermond sein, wenn er, auf die zu-
künftige Königin Frankreichs anspielend, schreibt?
„Elle a une figure charmante, Elle reunit toutes les graces du
maintien, et si, comme on doit l'espc'rer elle grandit un peu, elle
aurl tous les agrements que l'on peut desirer d'une princesse."
Als Marie Antoinette unter Tränen die Heimat verlassen hatte,
wo alle jene zurückblieben, die ihrer Kindheit teuer gewesen
waren, all jene, die ihre glänzende Hochzeit vorbereitet hatten,
1 Korrespondenz des Ahhä de Vermvntl, Leipzig iass. sriri rir arir Grafen VDI!
Mercy Argetlteüu. „Sie hat ein reizenden Geslehteheli und Ist gut- anmutig; llllll
wenn isle, wle man fllglieh erwarten knnn, noch etwas Wächst, lo Wlrd slo alle
Vorzüge, ("e man von einer Prinzessin erwarten kann, In lleb vereinigen."
wurde sie, unmittelbar nach der Landesgrenze von tinendlichein
Jubel empfangen. Glänzende Feste ließen sie in Stritlllvtirg den
Absehicdssehmerz vergessen. Des Nachts WZlF die ganze Stadt
hell erleuchtet, es wurde getanzt und am nächsten Ttge feierte
der Prinz von Rohan (derselbe. der ihr dereinst so viel zu
schaffen machen wird), mit klingenden Wlorten das Welenhünd-
niS Mitriit There als mit den Bourbonen. Alle, die si auf ihrer
Fahrt von Compiegne über Äluette bis zur Sehloßkapelle von
Pzistellhilelnis alarie Antointttes im RUillxlClKl von Joseph Kraut-
zinger, 177i. KltnbtltisluflsCltei Äittst-um.
Verstiilles zu Gesicht bekamen, waren hellauf begeistert. „Quand
elle est dehout ou assisc c'est la sutue de la beaute, qtiand alle
se meut e'e t la graee cn PCIISOHHCHE (Bericht eines Augenzeu-
gen). Natüi eh war die Kaiserin glüeklieh über den Erfolg ihrer
Tochter. Alles wollte sie wis 'n, all ihr Tun und Lassen, was sie
gesagt hatte, wie sie sieh mit ihrem neuen Leben ahland. Mercy
Argentcau schickte lange Berichte, die Kaiserin selirieh und
stellte tausend Fragen an ihre 'l'oeliter und keine Antwort Marie
Antoinetics war ihr jemals gründlich genug. Dih Bildnis ihres
Kindes lvlich stets in ihrei Reichweite, sie bat um weitere, h."
traehtete sie aufmerksam, stellte Fragen: "Est-elle etiillee ainsi?
Sc lient elle si droite?"
1 „ian Elirulilltl im Schönheit, wenn alt: am utler slcltf, die Atititut st-llist, wenn
sie mit bewegt."
1 „ist sie wlrltllch so colfilerll iian slu mit ttucll wirklich so Kur1tllu1" Zltlert
aus: Arnrtlt u. Geollmy.