Einzug der Barbaren in Athen, Vernichtung
aller Kultur. Eine fliehende Frauengcstalt in
Ketten soll andeuten, dnß die letzte Entschei-
dung noch ausstcht. Im Hintergrund die See-
schlacht von Salamis, die wenige jahre später
den Sieg der Griechen über die Perser brachte.
Licht und ganz aufgelockert ist die Palette
des spätesten Kokoschka, gelöst und ohne
Spnnnungsmomenre. Das Werk war ursprüng-
iür die Universität Hamburg bestimmt -
warum wurde es nicht übernommen?
Jllur Alarm (Vater Hirsch). Öl auf Lmmwumd, 6' {M um. Um 1907.
Ncuu Galerie der Stadt Lin7 Mit nllcr Kmßhßit sind dic Zcichcn du's
Alterns und N JUCDS hcrvnrgchnbcn. Eine liefe, rlcmcnlure Lvbcns-
zlnga! spricht aus diesem Bxld,
1923 über ihn: „Seine Psychoanalyse ist von jener ergreifenden
Art. . ., der man nicht entrinnen kann, die mit ganz ungeheurem
Raffinement vorbereitet, unfehlbar ihren Fang machen muß."
Faszination durch Erfüllung: Man betrachte die Porträts Dirszv
tay (um 1911) oder Ehrenstcin (1914) um immer noch zu erle-
ben, was künstlerische Offenbarung heißt! Man sollte es getrost
wagen, in diesem Zusammenhang den Namen Kokoschkas in
einem Atemzug mit dem Rembrandts zu nennen - der Haupt-
unterschied liegt im Typus der Dargestellten, weniger in dem
des Künstlers. Die solchermaßen enthüllte Welt ist dies in einem
sehr wortwörtlich zu verstehenden Sinn; das berühmt-berüchtigte
„Stilleben mit Himmel und Hyazinthe" (1909) offenbart eine
Welt des Nächtigen, Abseitigen, Enthäutet-Geschundenen, einen
Bereich der niederen Wesen. Eine „Symphonie der Verwesung"
hat Sedlmayr es genannt, Nie wird den erlebnisbereitcn Beschauer
das Gefühl verlassen, als verstecke sich hinter dem Manifesten,
Offenkundigen dieser „böscn" Welt etwas unsagbar Geheimnis-
volles, Tiefes, grauenhaft Abgründiges: Das Werk wird zum
Zeichen, zum Symbol; der Schritt ins Esoterische ist getan.
Die Zeit hat gelehrt - und Kokoschka hat es in Worten immer
wieder bestätigt - daß das Ahnen um kommende Katastrophen
in Werken dieser Art wie nirgendwo sonst und bei keinem m-
deren Künstler seinen visuellen Niederschlag gefunden ltat. Wir
wissen heute, daß die Zeit-Katastrophe sich keineswegs mit dem
ersten Weltkrieg erschöpfte, sondern, von einer Art Atem-Rhyth-
mus bewegt, immer noch ihrem Klimak zustrebt.
Von solcher Warte aus gesehen erklärt sich die Tatsache, wes-
wegen das spätere Gesamtwerk Kokoschkas nicht annähernd so
zu packen vermag wie jene genialen Bilder der frühesten Zeit.
Wie alle vernünftigen Menschen hat auch er um des Über-
lebens, um der Kontunität der Entwicklung willen nach einer
Stelle inmitten des Chaos gesucht, die relative Sicherheit zu ver-
heißen schien; vielleicht sind diie verschiedenen Fluchten des
Künstlers in den Folgejahren so zu erklären. Nicht etwa, dal}
Kokoschka sich „drücken" wollte - es gibt in Leben und Kunst