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nmsc von jnkob Sriscncggcx" Im Kunst-
hibtorischcn Museum. Von lmks nach
rechts: Bildnis eincr Tochtw Ferdi-
nnnds 1., lirzherzogin Elcunorc als
Kind, Kai-w Karl V., lirzhcrvug Fc-r-
dinand.
Direktor Univ.-Prof. Dr. Vinzenz Oberhammer, der Chef des Kunst-
historischen Museums in Wien, hat die oben ausgeführten Prinzipien
mit einer Konsequenz verwirklicht, die hierzulande nicht oft angetrof-
fen werden kann. Er schreibt in der Katalog-Einleitung u. a.: „. . . so
möchte die gegenw ge Aufstellung die Kunstwerke so wenig als nur
irgend möglich mit dem Prunkstil der Säle in Beziehung bringen. Aus-
gehend von dem Grundsatz, daß der Charakter des einzelnen Kunst-
werks dessen Aufstellung bestimmen muß... wurde getrachtet, jedes
Bild... ins beste Licht zu rücken und in jenem kunstgeschichtlichen
Zusammenhang zu zeigen, der den Weg zu seinem Verständnis er-
schließt. Es war das Ziel, durch diese Art von kunstgeschichtlicher
Systematik eine höhere Art von Ordnung anzustreben, als sie die
Dekorationsschemata vergangener Epochen zu geben vermögen."
Die Wahrung und Darstellung kunsthistorischer Zusammenhänge ist
nun sicher jenes Anliegen, dessen Realisierung in der Neuaufstellung
am besten geglückt ist. Der Rundgang, der durch die Bildanordnung
immer wieder gesteigert und betont wird, führt von den Niederländern
des 15. und frühen 16. Jahrhunderts (im Saal hinter dem Stiegenhaus)
im Gegcnsinn des Uhrzeigers durch die Flucht der Kabinette und Säle.
Es folgen die Niederländer des 16. Jahrhunderts in drei Kabinetten
und einem großen Saal; die berühmten Brucgel-Bilder haben, wie nicht
anders zu erwarten, einen eigenen Groß-Saal zugewiesen erhalten. Be-
sonders gelungen ist die Hängung der Werke der Prager Hofmanieri-
sten; nie noch war Spranger so gut und eindringlich zu sehen wie heute.
Auch die „kleinen" Bruegels aus der Nachfolge Pieter d. Ä. kommen
in den Kahinetten glänzend zur Geltung.
Von gleichsam hämmernder Eindringlichkeit ist die Folge von Mei-
stern der deutschen Schule des 16. Jahrhunderts; das Fortschreiten
vom Dürer-Eckzimmer durch die nördliche Flucht der Kabinette bis
zum Nordwestraum mit den ganz neu zu sehenden, besonders her-
vorgehobenen ganzfigurigen Bildnisse des 16. Jahrhunderts führt pau-
senlos von Höhepunkt zu Höhepunkt, in geradezu erregender Drama-
tik. Die Westflucht der Kabinette schließlich leitet von den Vlamen
des 17. Jahrhunderts über die zeitgenössischen Holländer (warum hängt
der Vermeer so wenig günstig?) zu den Herrlichkeiten von Rembrandt
und Frans Hals über, die auch rein hängeteehnisch in der ihnen einzig
zukommenden Würde und Stille verharren. Der „innere Ring" der
Groß-Säle führt von Bruegel d. Ä. über die Rubens-Zeitgenossen (Jor-
daens, Snyders, Sandrart) und van Dyck zu den zwei großen Rubens-
Sälen, um im Raum mit Werken holländischer Landschafter des
17. Jahrhunderts auszuklingen.
Nun zur Hängung als solcher: Im Saal mit den frühen Niederländern
sowie vorwiegend in den der deutschen Malerei gewidmeten Kabinetten
feiert die Devise „los vom Raum" ihre größten Triumphe und steigert
sich zu einem nicht mehr zu überbietenden „Weg von der Wand!"
Scherwände mit hellgrau gemusterter Bespannung in sehr massiver
Ausführung, auf schweren Metallständern aufruhend, sind je nach den
Belichtungsverhältnisscn entweder zu kleinen Raum-Nischen frei ge-
fügt, oder aber locker und schräge hingestellt. Sie gestatten es, die
auf ihnen angebrachten Bilder mit hoher Ausschließlichkeit nur als
solche zu betrachten; der Besucher vcrgißt in vielen Fällen überhaupt,
daß er sich in einem fest gebauten Raum mit vier Wänden befindet,
so sehr dominiert das Bild. Das ergibt, ganz besonders im Dürer-Raum
und im Zimmer der ganzfigurigen Bildnisse, neue und erregende Ef-
fekte. Zahlreiche würfelförmige Glasvitrinen auf hohen Metallständern
dienen kleinformatigen Kostbarkeiten als Behausung und vollenden das
„Weg von der Wand".
Kaum irgendwo ließ sich der Direktor des Kunsthistorischen Museums
von den lockenden Gefahren einei ästhetischen Eingliederung in die
gegebenen Wand- und Scherwandflächen verführen. In streng wissen-
schaftlicher Konsequenz ist zu Gruppen zusammengefügt, was zusam-
mengehört; kein anderer Gesichtspunkt war maßgebend. Das führt
natürlich zu unvermeidlichen Spannungen, wenn z. B. eine Wand über-
dicht behängt erscheint, während die anschließende reich an „Luft"
und Spielraum ist. Ältere, traditionshedachte Besucher werden sich be-
sonders in den großen Sälen, bei denen die Bindung an die gegebene
Wandfläche unumgänglich war, durch das Vermeiden jeglicher Sym-
metrie und raum-achsialcr Beziehung nicht so leicht wohlfühlen. Dazu
kommt noch, daß, immer um der totalen wissenschaftlichen Konsequenz
willen, kaum irgendwelcher Bedacht auf formatmäßige Zusammen-
hänge genommen wurde; so hängt im Rubens-Saal XIII neben dem
riesenhaften Ildefonso-Altar das kleine Bild „Der Einsiedler und die
schlafende Angelica", während auf der Wand gegenüber der köstliche
„Schloßpark" in der Nachbarschaft des „Venusfestes" buchstäblich
„an die Wand gedrückt" wird. Aber, wir dürfen eben nicht vergessen,
daß es sich hier um eine Hiingung nach streng kunsthistorischen Prin-
zipien handelt, wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, in
welch geradezu heroischer Weise dcr Direktor des Kunsthistorischen
Museums auf sicher leicht zu erziclcnde, billige Effekte verzichtete.
Auch das oft krasse Nebeneinander von Profanem und Sakralem höch-
sten Ranges - gerade bei Rubens äußerst spnnnungsreich - kann nur
aus solcher Gesinnung verstanden werden. Wie nützlich diese kunst-
historische Konsequenz ist, zeigt sich wiederum am schönsten am Bei-
spiel Rubens', wenn neben die gewaltigen Bilder für die Jesuitcnkirche
von Antwerpen die kleinformatigen Kontraktskizzen und vor allem
auch eine Innenansicht der Kirche von Peter Ncefs d. gehängt wur-
den. Hier ist die didaktische Grundabsicht wohl auch dem Stumpfsten
klar, von hier aus wird auch der an das Museum in seinem „guten al-
ten" Zustand Gewöhnte Zugangswege zum Sinn der neuen Hängung -
und auch zum Sinn der dargebotenen Kunstwerke finden.
Wir aber können nichts anderes tun, als dem Direktor des Kunsthistori-
sehen Museums für seine Leistung zu danken. E. K.
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