DIE VERBINDUNG ZWISCHEN SPANIEN UND ÖSTERREICH
Von ADAM WANDRUSZKA
Die erste Begegnung zwischen den österreichischen Erbländcrn
und den neuen, durch eine Reihe plötzlicher und nicht voraus-
zusehender Todesfälle den Habsburgern zugefallcnen spanischen
Reichen stand im Zeichen von Haß und Blut. Der jüngere Bru-
der Karls V., der in Spanien erzogene Ferdinand, der in den
Teilungsverträgen von Worms (1521) und Brüssel (1522) die
fünf österreichischen Herzogliimer (Österreich ober und unter
der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain) und dann auch noch
Tirol und die Vorlande erhalten hatte, mußte seine Herrschaft
in Österreich im Kampf gegen das nach dem Ableben seines
Großvaters Maximilian (1519) errichtete ständische Regiment
durchsetzen. Das Wiener Neustädter Blutgericht vom 9. und
11. August 1522, bei dem acht Führer der ständischen Bewegung,
darunter der Wiener Bürgermeister Martin Siehenbürger, auf
dem Schafott öffentlich hingerichtet wurden, und die Beschrän-
kung der Ständemacht wie der städtischen Autonomie. vor allem
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Wiens, verstärkten den Haß gegen die mit Ferdinand ins Land
gekommenen spanischen Berater und l-löflinge, als deren Proto-
typ der Glücksritter Gabriel Salamanca gelten konnte. Es spricht
für die staatsmiinnische Begabung des in unserem Geschichts-
hild allzu sehr von der Gestalt Karls V. überschatteten Ferdi-
nand, daß er im Laufe seiner langen Regierung diesen Gegen-
satz zwischen Regierendem und Regierten immer mehr auszu-
gleichen vermochte; aber die Tatsache bleibt bestehen, daß er
aus Spanien die „moderneren" Vorstellungen und Praktiken der
Herrscher-macht nach Österreich verpflanzte und daß er damit,
nachdem ihm noch die Erwerbung der ungarischen und der
böhmischen Krone geglückt war, zum eigentlichen Ahnherrn
der habsburgischen Staatsbildung im Donauraum wurde. Im
Zusammenspiel mit den deutschen Reichsständen hat er die
Sukzessionspläne Karls V. für dessen Sohn Philipp II. durch-
kreuzt und damit die Teilung der erdumspannenden habs-
burgischen Hausmacht in eine spanische und eine österreichische
Linie begründet.
Die ständigen Verwandtenheiraten zwischen den beiden Linien
sowie der häufige längere Aufenthalt junger deutsch-habsburgi-
scher Prinzen am Madrider Hofe bedingten einen mehr als ein
Jahrhundert währenden, höchst intensiven spanischen Einfluß
auf die österreichische Linie und die österreichischen Länder.
Philipp II., der durch mehr als vier Jahrzehnte (von 1556 bis
1598), also während fast der ganzen zweiten Hälfte des Jahr-
hunderts regierte, galt, zumal er zweifellos der mächtigste und
bedeutendste Fürst im damaligen Europa war, nach dem Tod
Ferdinands I. (1564) und erst recht natürlich, nachdem dessen
Sohn Maximilian II. (Philipps Vetter, Schwager und schließ-
licher Schwiegervater) im Jahre 1576 gestorben war, als die
unbestrittene oberste Autorität und das Haupt des Gesamthauses.
Das Verhältnis zwischen den beiden habsburgischen Linien
zeigte in der ganzen zweiten Hälfte des 16. und bis gegen die
Mitte des 17. Jahrhunderts eine eindeutige machtpolitische,
wirtschaftliche und militärische Überlegenheit der spanischen
über die deutsche Linie. Dieser Überlegenheit entsprach zu-
gleich die kulturellc Vormachtstellung Spaniens im damaligen
Europa und besonders an den habsburgischen Höfen in Prag,
Wien, Graz und Innsbruck.
Starke kulturelle und geistige Einflüsse aus den romanischen
Ländern waren in Österreich ja schon in den spätmittelalter-
liehen Jahrhunderten zur Geltung gekommen; vor allem natür-
lich, entsprechend der geographischen Lage, aus Oberitalien.
aber auch aus Frankreich und selbst von der iberischen Halb-
insel her. War doch schon die Gemahlin des unglücklichen
Friedrich des „Schönen", Elisabeth von Aragon, eine Spanierin
gewesen, die Leopolds III., Viridis Visconti, eine Italienerin,
vor allem aber die Gemahlin Friedrich III. und Mutter Maxi-
milians, Leonora, die sich dann Helena nannte, eine portugiesi-
sche Prinzessin, wie andererseits auch Maximilians Schwieger-
vater, Karl der Kühne von Burgund, Sohn einer portugiesischen
Prinzessin gewesen war. Wichtiger noch als alle diese dyna-
stischen Verbindungen aber wurde dann die starke kulturelle
Beziehung zur romanischen Welt, die im österreichischen Adel
(und zwar nicht nur in den katholischen, sondern dann auch in
den evangelischen Familien), im 16. und 17. Jahrhundert zur
Tradition gehörte. Das Studium an italienischen Universitäten,
die große „Kavalierstour" durch die romanische Welt, vor allem
durch Italien und Frankreich, brachten die jungen österreichi-
schen Adeligen immer wieder in Kontakt mit den damals in ganz
Europa tonangebenden Spaniern und ergänzten die Beziehungen,
die sich durch die Anwesenheit so vieler Spanier an den habs-
burgischen Hofhaltungen in Österreich immer wieder ergaben.