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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 11)

größeren Umfang annahmen, besondere Aktualität. Der prak- 
tische Gebrauch ergab dementsprechend auch, daß trotz aller 
Zunftvorschriften und kaiserlichen Verordnungen diese Form 
der Arbeitsteilung immer wieder geübt wurde. Gerade dieser 
Entwicklung, die dazu angetan war, die Entstehung von Groß- 
betrieben zu fördern und damit endgültig die alte handwerkliche 
Ordnung durch ein neuzeitliches System der Wirtschaftsform 
zu ersetzen, leisteten die großen kaiserlichen Aufträge selbst 
den besten Vorschub, ja sie verlangten sogar die Übertretung 
der erst vor kurzem erlassenen Ordnung. 
Ein glücklicher Umstand hat gerade für eine der größten und 
repräsentativsten Tapisserienfolgen, die Karl V. in Auftrag ge- 
geben hat, alle urkundlichen Belege erhalten, so daß sich die 
Entstehungsgeschichte einer ganz großen Arbeit wenigstens cin- 
mal genau verfolgen läßt. Als der Kaiser im Jahr 1535 seinen 
Feldzug nach Nordafrika gegen Chaireddin Barbarossa unter- 
nahm, beauftragte er den in seinen Diensten stehenden Jan 
Vermeycn, ihn auf diesem Kriegszug zu begleiten und alle wich- 
tigen Ereignisse in Bildskizzen festzuhalten. Nach diesen authen- 
tischen Skizzen entwarf Vermeyen 1546 zwölf große Wand- 
teppichkartons, von denen sich zehn aus dem Besitz Kaiser 
Karl VI. im Kunsthistorischen Museum in Wien erhalten haben. 
Zwei Jahre später wurden die Kartons Wilhelm Pannemakcr 
übergeben und ein genauer Vertrag über die Ausführung der 
Teppiche abgeschlossen. Um die Arbeitszeit abzukürzen, wur- 
den alle zwölf Stücke zugleich in Arbeit genommen und an 
jedem sieben Wirker gleichzeitig beschäftigt. Die kostbarsten 
Rohmaterialien wurden vom Kaiser selbst beigestellt: S59 Pfund 
Seide im Wert von 6637 Gulden wurden dafür in Granada unter 
der Aufsicht von Sachverständigen eigens eingefärbt, Gold- und 
Silberfäden in Antwerpen für über 8000 Gulden bestellt. Panne- 
maker erwies sich dem großen Auftrag gewachsen. In kaum 
sechs Jahren konnte er die riesige Folge mit 602 m? Gesamt- 
größe fertigstellen und am 21. April 1554 einer Kommission 
von Sachverständigen, den Zunftgeschworenen und besten ande- 
ren Wirkcrn Brüssels, zur Begutachtung vorlegen. Ohne Ver- 
zögerung wurden sie sodann auf dem Seeweg über England 
nach Spanien gebracht, wo sie sich noch heute befinden (Ma- 
drid, Königliches Schloß). Die Kosten dieser einen Serie betru- 
gen nicht weniger als 24.000 Gulden. 
Es ist selbstverständlich, daß auch ein bedeutendes Atelier, wie 
das Panncmakers, allein unmöglich die Leistung in dem vor- 
geschriebenen Zeitraum hätte bewältigen können. Kein einziges 
Jan Vermcycn, 'l'vppichknrlon Kaiser Karl V. Aus der Heerschnu 
im Barcelona. Wlen, Kumlhlslurlschex ßiueruxu. 
 
jan Vermeyen, Teppichkarlon, Detail aus 
dcv Schlacht in den Ruinen von Karthago. 
Wien, Kuusthlulorhchen Museum. 
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