größeren Umfang annahmen, besondere Aktualität. Der prak-
tische Gebrauch ergab dementsprechend auch, daß trotz aller
Zunftvorschriften und kaiserlichen Verordnungen diese Form
der Arbeitsteilung immer wieder geübt wurde. Gerade dieser
Entwicklung, die dazu angetan war, die Entstehung von Groß-
betrieben zu fördern und damit endgültig die alte handwerkliche
Ordnung durch ein neuzeitliches System der Wirtschaftsform
zu ersetzen, leisteten die großen kaiserlichen Aufträge selbst
den besten Vorschub, ja sie verlangten sogar die Übertretung
der erst vor kurzem erlassenen Ordnung.
Ein glücklicher Umstand hat gerade für eine der größten und
repräsentativsten Tapisserienfolgen, die Karl V. in Auftrag ge-
geben hat, alle urkundlichen Belege erhalten, so daß sich die
Entstehungsgeschichte einer ganz großen Arbeit wenigstens cin-
mal genau verfolgen läßt. Als der Kaiser im Jahr 1535 seinen
Feldzug nach Nordafrika gegen Chaireddin Barbarossa unter-
nahm, beauftragte er den in seinen Diensten stehenden Jan
Vermeycn, ihn auf diesem Kriegszug zu begleiten und alle wich-
tigen Ereignisse in Bildskizzen festzuhalten. Nach diesen authen-
tischen Skizzen entwarf Vermeyen 1546 zwölf große Wand-
teppichkartons, von denen sich zehn aus dem Besitz Kaiser
Karl VI. im Kunsthistorischen Museum in Wien erhalten haben.
Zwei Jahre später wurden die Kartons Wilhelm Pannemakcr
übergeben und ein genauer Vertrag über die Ausführung der
Teppiche abgeschlossen. Um die Arbeitszeit abzukürzen, wur-
den alle zwölf Stücke zugleich in Arbeit genommen und an
jedem sieben Wirker gleichzeitig beschäftigt. Die kostbarsten
Rohmaterialien wurden vom Kaiser selbst beigestellt: S59 Pfund
Seide im Wert von 6637 Gulden wurden dafür in Granada unter
der Aufsicht von Sachverständigen eigens eingefärbt, Gold- und
Silberfäden in Antwerpen für über 8000 Gulden bestellt. Panne-
maker erwies sich dem großen Auftrag gewachsen. In kaum
sechs Jahren konnte er die riesige Folge mit 602 m? Gesamt-
größe fertigstellen und am 21. April 1554 einer Kommission
von Sachverständigen, den Zunftgeschworenen und besten ande-
ren Wirkcrn Brüssels, zur Begutachtung vorlegen. Ohne Ver-
zögerung wurden sie sodann auf dem Seeweg über England
nach Spanien gebracht, wo sie sich noch heute befinden (Ma-
drid, Königliches Schloß). Die Kosten dieser einen Serie betru-
gen nicht weniger als 24.000 Gulden.
Es ist selbstverständlich, daß auch ein bedeutendes Atelier, wie
das Panncmakers, allein unmöglich die Leistung in dem vor-
geschriebenen Zeitraum hätte bewältigen können. Kein einziges
Jan Vermcycn, 'l'vppichknrlon Kaiser Karl V. Aus der Heerschnu
im Barcelona. Wlen, Kumlhlslurlschex ßiueruxu.
jan Vermeyen, Teppichkarlon, Detail aus
dcv Schlacht in den Ruinen von Karthago.
Wien, Kuusthlulorhchen Museum.
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