Abb. 5.
Herbcrstcins Wappen mit der 1521 er-
teilten VcrbesscrungÄ Rclicfstickerei aus
dem 16. juhrhundert, Museum im Schlcß
Herberstein, Steiermark.
1502 zum Bacczilaureus artium promoviert. Er bewahrte sein
Leben lang der Universität gegenüber eine große Anhängliclikeit
und ein reges Interesse für die Humaniora. Studien waren für
einen Mann seines Standes zu dieser Zeit etwas Ungewöhnliches,
wiederholt haben ihn seine Standesgcnossen als Stutliosus ver-
spottet. Er war jedoch bis zu seinem Lcbensende sehr stolz dar-
auf, einen akademischen Grad erworben zu haben. Als ein-
undsiebzigjähriger Greis ließ er noch seine Promotion in einem
Holzschnitt verewigen und als Illustration seiner deutschen Aus-
gabe der Moscovia (Wien 1557) beigegeben (Abb. 4).
Die humanistische Bildung Hcrberstcins zeigt sich nicht nur in
der tadellosen Latinität, sondern auch in der Art der Dar-
stellung. Sein Bericht über Staatsform, Religion, Brauchtum,
Kriegsführung und Wirtschaft, über die geographische Gliede-
rung, Klima, Vegetation und Fauna des Landes ist auch dann
sachlich, wenn es sich um Probleme handelt, die damals die
Gemüter erregten. Das Faktum, die Erscheinung hat für ihn
immer einen Eigenwert. Das Ding ist beachtenswert um seiner
selbst willen, es bleibt Richtmaß und Grundlage seiner Darstel-
lung. Nie berichtet er etwas nur der Kuriosität halber oder um
dem Leser seine eigenen Anschauungen aufzudrängen. Wenn
manches Kuriosum in seinem Werk zu finden ist, so liegt das
am dargestellten Objekt, nicht in der Absicht des Verfassers,
auch wenn es sich um Dinge handelt, die wir heute als unwahr
erkannt haben. Herberstein beschönigte dabei keineswegs die
Verhältnisse im Moskauer Staat und ließ sich auch nur selten
hinters Licht führen, er berichtet sehr wohl etwa über die
despotische Regierung der Großfürstcn oder darüber, wie man
für ausländische Gesandte Moskau nach außen hin so herrich-
tete, daß es den Eindruck einer ungeheuer wohlhabenden und
mensehenreichen Stadt machte. Es fehlt ihm auch nicht an Iro-
nie, er behält immer eine Distanz zu den Dingen, bleibt den
Tatsachen verbunden. Herbersteins sachliche Objektivität ist
besonders schätzenswcrt, denn sooft die Nachbarn, die ja am
ehesten über die Verhältnisse Bescheid wußten, über die Mosko-
viter schrieben, waren ihre Berichte von politischen Absichten
entstellt; ja selbst die englischen Berichte der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts zeigen starke anti-moskovitische Tendenzen.
Schon allein die genannten Vorzüge des Werkes hatten ihm
einen hervorragenden Platz im frühneuzeitlichen Schrifttum
über Rußland gesichert. Das Werk war jedoch darüber hinaus
eine wahre Pioniertat: Es war das erste, das ein Gesamtbild
vom Leben im Moskauer Staat bot, und es enthielt, wenn auch
nicht die erste Karte von Rußland überhaupt, so doch die erste
genauere, verwendbare Karte (Abb. 6). Natürlich kann man
nicht sagen, Herberstein hätte „Rußland entdeckt" wie Colum-
bus Amerika, denn die westlichen und südwestlichen zu Litauen
und Polen gehörigen Teile Rußlands und Novgorod als Handels-
Zentrum waren den Europäern keineswegs unbekannt, doch
Rußland als Ganzes war seit dem politischen Zerfall im 12. Jahr-
hundert und dann besonders seit dem Beginn der Mongolen-
herrschaft, also seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, aus dem
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