EINE INTARSIENDECKE
IM SCHLOSS HERBERSTEIN,
STEIERMARK
Von BERTA SARNE
Ein Salon im Südflügel des Schlosses Herberstein bei St. Johann
in der Oststeiermark birgt eine kostbare Holzdecke, die durch
ihre Einmaligkeit und Schönheit die Aufmerksamkeit des Kunst-
freundes verdient.
Den llauptreiz dieser in ihren Größenverhältnissen so har-
monisch ausgewogenen und aus den edelsten Hölzern gefertigten
Decke bildet der reiche Intarsienschmuck, der die zwölf recht-
eckigen Kassetten ziert. Die Kunst der Intarsierung (Einlege-
arbcit in Holz aus andersfarbigen Hölzern oder aus anderen
Materialien, wie Elfenbein, Metall oder Schildpatt, Perlmutter)
war schon im Altertum und Mittelalter bekannt und wurde
in der islamischen Kunst gerne verwendet. Ihre höchste Blüte
erreichte sie zur Zeit der italienischen Renaissance, wo Giu-
liano da Majano, der von 1477 bis H90 Dombaumeister in
Florenz war, dort als einer der ersten eine Werkstätte für
Intarsien errichtete. Anfangs waren es hauptsächlich Chor-
gestühle, Sakristeischränke, Türen und Truhen, die mit Intar-
sien geziert wurden, für die rein ornamentale, aber auch häufig
figürliche und perspektivisch-plastische oder landschaftliche
Motive verwendet wurden. Von Italien wanderte die Intarsien-
kunst nach Deutschland, Holland und Frankreich, wo sie leb-
haft aufgegriffen wurde und eine reiche Entwicklung, besonders
in Nürnberg und Augsburg, erfuhr. In der süddeutschen Schule
stand die Werkstätte des Kunsttischlers und llolzschneiders
Peter Flötner (i490f95 his 1546) in Nürnberg an erster Stelle.
Eine der großartigsten und für uns wichtige süddeutsche Lei-
stung auf diesem Gebiete ist die prächtige Intarsiendecke im
Deutschen Trakt der Landshuter Residenz. Sie wird dem Peter
von Sebcrum, einem Kunstschreiner im Dienste llerzog Ludwigs
von Bayern, zugeschrieben, der sie 1575 gefertigt haben soll.
Diese Decke weist reichen Intarsienschmuck auf und ist für uns
deshalb von besonderem Interesse, da sie im Brennpunkt des
damaligen Süddeutschland, am bayrischen Hof, entstand, der
ohne Zweifel ein weitreichendes Ausstrahlungsfeld in künst-
lerischer Beziehung darstellte.
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In die Nähe dieser großen Landshuter Decke, die ebenfalls ein
System von gleichmäßigen Kassettenteilungen aufweist, ist der
Intarsicnplafond in Schloß Herberstcin zu rücken, der zu den
schönsten und qualitätvollsten Werken dieser Art in Österreich
zählt. Die Intarsienkunst bedient sich hier ihrer klassischen
Form als reiner Flächenkunst, mit abstrakten Ornamenten sich
begnügend. In phantastisch geschwungenen Mauresken breitet
sich das zarte Intarsienmuster über die Fläche der kartuschcn-
artig mit Rollwerk gerahmten Innenfelder. Die Maureskc, ein
typisches Ornament-Motiv des 16. Jahrhunderts (der Name ist
auf die formale Ähnlichkeit mit gewissen mnurischen Orna-
menten zurückzuführen), ist ein abstraktes Gebilde, das seinen
ursprünglich pflanzlichen Charakter zugunsten eines geistvoilen
ästhetischen Linienspieles abgelegt hat. Meist sind es zentrale
Motive, um die sich ein fadendünncs Liniengewebe spinnt, das
sich - streng symmetrisch komponiert - zu jenen Gebilden
verdichtet, die weder Blätter noch Blüten sind, und die mit wahr-
haft bezaubernder Eleganz einem unendlichen Duktus folgen.
Sinn und Zweck dieses Ornamentes ist die Flächenfüllung; als
rahmendes Element verliert es seinen Zauber vollends. Die
phantasievollsten Maurcskcn schuf Peter lilötner in seinen
Ornamentstichen, die letztlich wohl auch dem lntarsiator der
Herbersteinschen Decke zum Vorbild gedient haben mögen.
Von besonderem Reiz ist die feine Farbgebung der sorgfältig
abschattierten Intarsien: Vom hellen, seidig glänzenden Ahorn
heben sich die tiefhraunen Töne des Palisanderholzes und des
zu dunklem Goldbraun geheizten Ahorns ab. Ein matt glän-
zender Schimmer zeichnet die Oberfläche der ganzen Decke
aus, eine Eigenschaft, die den Intarsiendecken aus dieser Zeit
im allgemeinen nicht zukommt (die heute meist eine ausge-
trocknete und rissige Oberfläche aufweisen, wie z. B. die Decken
von Velthurns in Südtirol und des Welserzimmers in Schloß
Ambras), die jedoch für die Gepflegthcit und Auserlesenheit.
sowie für den festlich-prunkvollen Gesamteindruck dieses Wer-
kes wesentlich und maßgebend ist.
Die Intarsiendecke befand sich nicht immer im Schlosse.
llerbcrstein. Sie wurde im Jahre 1860 aus dem ebenfalls Her-
bersteinschen Schlosse Neuberg bei Hartberg übertragen, wo
sie um diese Zeit völlig unter Verputz verborgen gelegen war.
Erst nach langwierigen Restaurierungsarbeiten und kleinen Er-
gänzungen an den Randpartien, sowie nach einer Behandlung
mit Pottasche, die ihr den alten Glanz wicdergab, konnte der
Plafond in den erwähnten Salon im Südflügel des Schlosses
Herberstein eingezogen werden. Vor einigen Jahren wurde die