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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 10)

EINE INTARSIENDECKE 
IM SCHLOSS HERBERSTEIN, 
STEIERMARK 
Von BERTA SARNE 
Ein Salon im Südflügel des Schlosses Herberstein bei St. Johann 
in der Oststeiermark birgt eine kostbare Holzdecke, die durch 
ihre Einmaligkeit und Schönheit die Aufmerksamkeit des Kunst- 
freundes verdient. 
Den llauptreiz dieser in ihren Größenverhältnissen so har- 
monisch ausgewogenen und aus den edelsten Hölzern gefertigten 
Decke bildet der reiche Intarsienschmuck, der die zwölf recht- 
eckigen Kassetten ziert. Die Kunst der Intarsierung (Einlege- 
arbcit in Holz aus andersfarbigen Hölzern oder aus anderen 
Materialien, wie Elfenbein, Metall oder Schildpatt, Perlmutter) 
war schon im Altertum und Mittelalter bekannt und wurde 
in der islamischen Kunst gerne verwendet. Ihre höchste Blüte 
erreichte sie zur Zeit der italienischen Renaissance, wo Giu- 
liano da Majano, der von 1477 bis H90 Dombaumeister in 
Florenz war, dort als einer der ersten eine Werkstätte für 
Intarsien errichtete. Anfangs waren es hauptsächlich Chor- 
gestühle, Sakristeischränke, Türen und Truhen, die mit Intar- 
sien geziert wurden, für die rein ornamentale, aber auch häufig 
figürliche und perspektivisch-plastische oder landschaftliche 
Motive verwendet wurden. Von Italien wanderte die Intarsien- 
kunst nach Deutschland, Holland und Frankreich, wo sie leb- 
haft aufgegriffen wurde und eine reiche Entwicklung, besonders 
in Nürnberg und Augsburg, erfuhr. In der süddeutschen Schule 
stand die Werkstätte des Kunsttischlers und llolzschneiders 
Peter Flötner (i490f95 his 1546) in Nürnberg an erster Stelle. 
Eine der großartigsten und für uns wichtige süddeutsche Lei- 
stung auf diesem Gebiete ist die prächtige Intarsiendecke im 
Deutschen Trakt der Landshuter Residenz. Sie wird dem Peter 
von Sebcrum, einem Kunstschreiner im Dienste llerzog Ludwigs 
von Bayern, zugeschrieben, der sie 1575 gefertigt haben soll. 
Diese Decke weist reichen Intarsienschmuck auf und ist für uns 
deshalb von besonderem Interesse, da sie im Brennpunkt des 
damaligen Süddeutschland, am bayrischen Hof, entstand, der 
ohne Zweifel ein weitreichendes Ausstrahlungsfeld in künst- 
lerischer Beziehung darstellte. 
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In die Nähe dieser großen Landshuter Decke, die ebenfalls ein 
System von gleichmäßigen Kassettenteilungen aufweist, ist der 
Intarsicnplafond in Schloß Herberstcin zu rücken, der zu den 
schönsten und qualitätvollsten Werken dieser Art in Österreich 
zählt. Die Intarsienkunst bedient sich hier ihrer klassischen 
Form als reiner Flächenkunst, mit abstrakten Ornamenten sich 
begnügend. In phantastisch geschwungenen Mauresken breitet 
sich das zarte Intarsienmuster über die Fläche der kartuschcn- 
artig mit Rollwerk gerahmten Innenfelder. Die Maureskc, ein 
typisches Ornament-Motiv des 16. Jahrhunderts (der Name ist 
auf die formale Ähnlichkeit mit gewissen mnurischen Orna- 
menten zurückzuführen), ist ein abstraktes Gebilde, das seinen 
ursprünglich pflanzlichen Charakter zugunsten eines geistvoilen 
ästhetischen Linienspieles abgelegt hat. Meist sind es zentrale 
Motive, um die sich ein fadendünncs Liniengewebe spinnt, das 
sich - streng symmetrisch komponiert - zu jenen Gebilden 
verdichtet, die weder Blätter noch Blüten sind, und die mit wahr- 
haft bezaubernder Eleganz einem unendlichen Duktus folgen. 
Sinn und Zweck dieses Ornamentes ist die Flächenfüllung; als 
rahmendes Element verliert es seinen Zauber vollends. Die 
phantasievollsten Maurcskcn schuf Peter lilötner in seinen 
Ornamentstichen, die letztlich wohl auch dem lntarsiator der 
Herbersteinschen Decke zum Vorbild gedient haben mögen. 
Von besonderem Reiz ist die feine Farbgebung der sorgfältig 
abschattierten Intarsien: Vom hellen, seidig glänzenden Ahorn 
heben sich die tiefhraunen Töne des Palisanderholzes und des 
zu dunklem Goldbraun geheizten Ahorns ab. Ein matt glän- 
zender Schimmer zeichnet die Oberfläche der ganzen Decke 
aus, eine Eigenschaft, die den Intarsiendecken aus dieser Zeit 
im allgemeinen nicht zukommt (die heute meist eine ausge- 
trocknete und rissige Oberfläche aufweisen, wie z. B. die Decken 
von Velthurns in Südtirol und des Welserzimmers in Schloß 
Ambras), die jedoch für die Gepflegthcit und Auserlesenheit. 
sowie für den festlich-prunkvollen Gesamteindruck dieses Wer- 
kes wesentlich und maßgebend ist. 
Die Intarsiendecke befand sich nicht immer im Schlosse. 
llerbcrstein. Sie wurde im Jahre 1860 aus dem ebenfalls Her- 
bersteinschen Schlosse Neuberg bei Hartberg übertragen, wo 
sie um diese Zeit völlig unter Verputz verborgen gelegen war. 
Erst nach langwierigen Restaurierungsarbeiten und kleinen Er- 
gänzungen an den Randpartien, sowie nach einer Behandlung 
mit Pottasche, die ihr den alten Glanz wicdergab, konnte der 
Plafond in den erwähnten Salon im Südflügel des Schlosses 
Herberstein eingezogen werden. Vor einigen Jahren wurde die
	        
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