MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 10)

DIE FASZINATIONSKRAFT FREMDER WELTEN 
ZU DEN BILDERN ROBERT DOXATS 
Von KRISTIAN SOTRIFFER 
Als einer der eindrucksvollsten und originellsten Mitarbeiter 
an den in Istanbul aufbewahrten "Alben des llrobere " aus 
dem 15. Jahrhundert schalte sich vor noch nicht langer Zeit ein 
Künstler heraus, dessen Name Mehmet Siyah Kalem. auf 
deutsch: Schwarze Feder ist. Man weiß von ihm so put wie 
nichts, leitet aber aus seinen Darstellungen Aufenthalte bei 
Nomadenstiimmen Zentralasiens und die Kenntnis chinesischer 
Graphik ab; außerdem nimmt man an, daß er auch mit anderen 
Kulturkreisen, besonders mit solchen des Abendlandes, in Be- 
rührung gekommen ist. 'l'i'ulz des Assimilierens verschiedener 
Einflüsse erweist er sieh letztlich jedoch als ein frei und tinah- 
ltiingig sehaffender, mit unverkennbar eigenen Stilmerkmnlen 
versehener Künstler. 
In Wien gibt es einen jungen, erst in diesem Jahr in der (Jalerit- 
liuehs in Erscheinung getretenen Künstler, der nicht nur, was 
seinen Habitus betrifft, ostasiatische Vorstellungen von veiv 
 
klärter Ruhe und Meditation in einem wachruft, sondern der 
sich auch in der Thematik oder besser: dem Stil seiner Blätter 
im asiatisch-mythischen, exotischen angesiedelt hat. Nicht nur 
die Gesichter, Leiber, phantastischen Aufbauten und Land- 
schaftshintergründe, die er mit penibler Genauigkeit entwirft, 
die skurrilen Mischgebilde aus Mensch und Tier weisen Par- 
allelen zu den Arbeiten Mehmet Siyah Kalems auf; Doxat hat 
auch die Art, seine von überall hergeholten Einflüsse und Ein- 
drücke in durchaus eigenen Schöpfungen zu absorbieren und zu 
amalgamisicren, mit jenem frühen Kollegen gemeinsam. 
Die Entdeckung einer Verwandtschaft zwischen Robert Doxat 
mit der „Schwarzen Feder" wurde ganz zufällig gemacht, und 
Doxat wird von der Existenz dieses Mannes und seiner Kunst 
wahrscheinlich nichts wissen, obwohl er sich in allem sehr gut 
auskennt, was von morgcnländisch-fremdartigem Charakter ist. 
Aber der Vergleich beweist über diesen Zufall und die ins Auge 
springende Verwandtschaft hinaus, daß es zu allen Zeiten Künst- 
ler gab, die in ihren Werken gleichsam das Fazit aus mehreren 
Ausdrucksmöglichkeiten gezogen haben, um trotzdem eine 
völlig eigene und neue Sprache herauszudestillieren und zum 
Sichtbarmachen neuer Wirklichkeiten vorzudringen. Doxat ist 
noch nicht so weit, daß man schon absehen kann, wohin ihn 
seine Ideen, die ihm aus allen Kultur- und Kunstepochcn in 
reichem Maß zufließen und die er in eindrucksvolle Arbeiten 
umsetzt, führen werden. Aber seine Blätter sind durchaus origi- 
nelle, sehr eigenartige und faszinierende Produkte, die ihren 
Reichtum an Geschehen, an Assoziationen aller Art, an Dra- 
matik und innerer Spannung vor allem auch einem sehr müh- 
seligen und geduldigen Arbeitsprozeß verdanken. Der für sur- 
realistische Malerei aufgestellten Regel folgend, nach welcher 
der Künstler nur Registrierapparat ist, dessen aktive Rolle 
seinen Stillstand herbeirufen würde, beginnt Doxat eine neue 
Arbeit ohne irgendeine Art von Konzeption an einer beliebigen 
Stelle, um dann an den ersten gezeichneten Figuren oder 
Formelcmenten systematisch weiterzuarbeiten und sie in ein 
Liniengespinst einzuhüllen, ein quellcndes, abwechslungsreiches 
und skurilles Gemengsel, das beim fertigen Blatt selbst nach 
längerem Betrachten nicht ausgeschöpft werden kann. Erstaun- 
lich ist dabei, daß die meisten Blätter trotzdem eine geschlos- 
sene, übersichtliche Gliederung besitzen, die besonders bei sol- 
chen klar hervortritt, in denen sich das Figurengewebe um 
einen festen großflächigen Punkt - meistens ist es ein monu- 
mental hervortretendes Gesicht - rankt. Tanzende, derwisch- 
artige menschliche Gebilde, Fratzen, Trolle und drologdyten- 
artige Aufbauten verbinden sich, oft mit sehr wirkungsvollen 
farbigen Füllseln durchsetzt, zu spukhaften, dämonischen Bild- 
komplexen. Gewisse Schemen der Bildgestaltung schälen sich 
heraus, aber auch bestimmte Perioden, deren letzte naturgemäß 
die entwickeltste, fortgeschrittenste ist. 
Doxats Entwicklung läuft, in seinen frühen Zeichnungen beein- 
flußt von Callot, Goya, Dore, Klee, Kubin u. a., über ein nach- 
cmpfundencs, höchst eigenartig verwandeltes Mittelalter, dem 
sich schon Elemente orientalischer Kunst zugescllen, bis zu 
indisch-chinesischen, mit Elementen tibetischer, mittelamerika- 
nischer (präkolumbianischcr), aber auch europäischer Kunst an- 
gereicherten und durchsetzten Arbeiten, die von immenser Ge- 
duld und hingebungsvoller Lust am Detail zeugen. In sich 
kann man diese Arbeiten, in denen sich manchmal verschiedene 
Slilperioden mischen, in feierlich-hieratische und in zerbrochene 
Systeme gliedern. 
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