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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 10)

Fall angewandt: in welchem Maße fügt Hoflehner der gegen- 
wärtigen Situation der Eisenplastik eine neue Bewußtseinsebene 
hinzu? 
Die Eisenplastik hat heute viele Möglichkeiten. Ich stelle davon 
einige heraus. Besonders häufig greift sie zur Raumzeichnung, 
also zur Verräumlichung linearer Vorgänge in Gestalt von Ge- 
rüsten, Gespinsten oder Gestängen. Der Ausdrucksgehalt um- 
faßt den Spielraum zwischen organischem Fabulicren und geo- 
metrischer Strenge. Die Raumzeichnung tendiert zur einansich- 
tigen Form, in der Anwendung also zur Wandapplikation. Hier 
warten verschiedene Gefahren: Schwächung und Verdünnung 
der formalen Substanz im Dekorativen, Übergang der Spiel- 
freude in leere Routine, Verfall der Phantasie im Muster, selbst- 
zweckhaftes Prunken mit den linearen Möglichkeiten des Ma- 
terials. 
Noch auf andere Art gerät das Eisengebilde in den optischen 
Bereich der Flächenkunst: dort nämlich, wo Eisenplatten die 
Unterlage für vielgestaltige, meist prämorphe Oberflächen- 
wucherungen abgeben. Durch das Aufschweißen verschiedener 
Metalle und Legierungen werden fleckige, krösige und barocke 
Komplexe in der Art der Mauerflecken erzielt, von denen 
Leonardo spricht und deren Patenschaft seit dem Surrealismus 
immer wieder angerufen wird. Es handelt sich um rein male- 
rische Vorgänge, um die Erzeugung von Oherflächcnreizen, 
analog den „Tastobjekten" der Malerei. Auf beiden Seiten sind 
hier Grenzgänger am Werk, um die Trennlinie zwischen Malerei 
und Plastik zu verwischen. 
An sich stellen Raumzeiehnung und Flächenbearbeitung legi- 
time Möglichkeiten der Metallplastik dar, wenngleich sie die 
Gefahr einer Verfälschung (d. h. eines Absinkens ins Zwei- 
dimensionale) in sich tragen. Beide sind überdies auch als Ent- 
wicklungstrager nicht zu unterschätzen: besonders die Raum- 
zeiehnung treibt seit Gonzalez und Calder, also seit den frühen 
dreißiger Jahren, eine Fülle neuer Gestaltungswege aus sich 
heraus; die Flächenbearheitung ist notwendiger Ausdruck der 
irrationalen Strömung, die etwa seit zehn Jahren Malerei und 
Plastik auf die offene, quellende und unvorhersehbare Form- 
bewegung hinlenkt. In den verkrusteten Oberflächen, die an 
die Selbsttätigkeit von unkontrollierten Materialprozessen er- 
innern, besitzt die Eisenplastik ihren „Tachismus". 
3. 
Auch Hoflehner weiß diese Möglichkeiten der „linearen" und 
der „malerischen" Materialbehandlung wahrzunehmen. Etwas 
vom grazilen, gewächshaften Wuchs seiner frühen llolzgebilde 
ging auch anfänglich in das härtere Material ein, mit dem er 
jetzt ausschließlich umgeht. Das Kombinieren unregelmäßiger 
kleiner Formelemente zu Gebilden voll improvisatorischer Be- 
weglichkeit ist ihm seit Jahren geläufig. Oftmals durchsetzt er 
dann die rauhe, matte Struktur des Metalls mit fleckigen, im 
Quellfluß erstarrten Unebenheiten und erzielt damit springende, 
flackrige Lichtwirkungen (z. B. „Figuration", 1953). Im „Schatz- 
haus", das Hoflehner für den österreichischen Pavillon auf der 
Brüsseler Weltausstellung schuf, und in einem Auftrag, den er, 
eben für ein Jugendgästehaus der Stadt Wien ausführt, gelangt 
die „malerische" Belebung der räumlich verstrebten Puffer- 
flächen zu schöner Entfaltung. 
Doch all das sind formale Adejktiva, sprachliche Übereinkünfte 
(die Hoflehner mit seinen Zeitgenossen teilt) und darum völlig 
Rudolf Hoflehncr, 
Figuration", 1953. Eisen, massiv. Höhe: 58 cm.
	        
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