Fall angewandt: in welchem Maße fügt Hoflehner der gegen-
wärtigen Situation der Eisenplastik eine neue Bewußtseinsebene
hinzu?
Die Eisenplastik hat heute viele Möglichkeiten. Ich stelle davon
einige heraus. Besonders häufig greift sie zur Raumzeichnung,
also zur Verräumlichung linearer Vorgänge in Gestalt von Ge-
rüsten, Gespinsten oder Gestängen. Der Ausdrucksgehalt um-
faßt den Spielraum zwischen organischem Fabulicren und geo-
metrischer Strenge. Die Raumzeichnung tendiert zur einansich-
tigen Form, in der Anwendung also zur Wandapplikation. Hier
warten verschiedene Gefahren: Schwächung und Verdünnung
der formalen Substanz im Dekorativen, Übergang der Spiel-
freude in leere Routine, Verfall der Phantasie im Muster, selbst-
zweckhaftes Prunken mit den linearen Möglichkeiten des Ma-
terials.
Noch auf andere Art gerät das Eisengebilde in den optischen
Bereich der Flächenkunst: dort nämlich, wo Eisenplatten die
Unterlage für vielgestaltige, meist prämorphe Oberflächen-
wucherungen abgeben. Durch das Aufschweißen verschiedener
Metalle und Legierungen werden fleckige, krösige und barocke
Komplexe in der Art der Mauerflecken erzielt, von denen
Leonardo spricht und deren Patenschaft seit dem Surrealismus
immer wieder angerufen wird. Es handelt sich um rein male-
rische Vorgänge, um die Erzeugung von Oherflächcnreizen,
analog den „Tastobjekten" der Malerei. Auf beiden Seiten sind
hier Grenzgänger am Werk, um die Trennlinie zwischen Malerei
und Plastik zu verwischen.
An sich stellen Raumzeiehnung und Flächenbearbeitung legi-
time Möglichkeiten der Metallplastik dar, wenngleich sie die
Gefahr einer Verfälschung (d. h. eines Absinkens ins Zwei-
dimensionale) in sich tragen. Beide sind überdies auch als Ent-
wicklungstrager nicht zu unterschätzen: besonders die Raum-
zeiehnung treibt seit Gonzalez und Calder, also seit den frühen
dreißiger Jahren, eine Fülle neuer Gestaltungswege aus sich
heraus; die Flächenbearheitung ist notwendiger Ausdruck der
irrationalen Strömung, die etwa seit zehn Jahren Malerei und
Plastik auf die offene, quellende und unvorhersehbare Form-
bewegung hinlenkt. In den verkrusteten Oberflächen, die an
die Selbsttätigkeit von unkontrollierten Materialprozessen er-
innern, besitzt die Eisenplastik ihren „Tachismus".
3.
Auch Hoflehner weiß diese Möglichkeiten der „linearen" und
der „malerischen" Materialbehandlung wahrzunehmen. Etwas
vom grazilen, gewächshaften Wuchs seiner frühen llolzgebilde
ging auch anfänglich in das härtere Material ein, mit dem er
jetzt ausschließlich umgeht. Das Kombinieren unregelmäßiger
kleiner Formelemente zu Gebilden voll improvisatorischer Be-
weglichkeit ist ihm seit Jahren geläufig. Oftmals durchsetzt er
dann die rauhe, matte Struktur des Metalls mit fleckigen, im
Quellfluß erstarrten Unebenheiten und erzielt damit springende,
flackrige Lichtwirkungen (z. B. „Figuration", 1953). Im „Schatz-
haus", das Hoflehner für den österreichischen Pavillon auf der
Brüsseler Weltausstellung schuf, und in einem Auftrag, den er,
eben für ein Jugendgästehaus der Stadt Wien ausführt, gelangt
die „malerische" Belebung der räumlich verstrebten Puffer-
flächen zu schöner Entfaltung.
Doch all das sind formale Adejktiva, sprachliche Übereinkünfte
(die Hoflehner mit seinen Zeitgenossen teilt) und darum völlig
Rudolf Hoflehncr,
Figuration", 1953. Eisen, massiv. Höhe: 58 cm.