Kreuznbnahmc. Prcdellenilügel des Hochallarcs der
Pulknu. Meister von Pulkau, um 1520.
Heil
gblulkirchc in
der Plastik in Niederösterreich so entwickelte, daß zu Ende des
_]ahrhunderts die schöne Madonna und die Pietät geradezu be-
herrschend für einen weiten Kreis geworden sind. Die böhmi-
schen Einflüsse mögen hiebei nicht übersehen werden. Sie sind
aber letztlich nicht bestimmend für die Gesamtrichtung. Der
Realismus der Parler-Schule hat die Kunstübung in Niederöster-
reich wohl gefärbt, aber nicht von ihrer Richtung abgelenkt.
Die schlanken und eleganten Figuren der Eligiuskapelle bei
St. Stephan in Wien aus dem Ende des 14. Jahrhunderts sind
frei von diesen Einflüssen.
Sehr traditionell und bestimmt in seiner Auffassung ist ein
Kunstwerk, das dem Stift St. Florian gehört und aus der XVa-
chau stammen dürfte, eine liegende Madonnenfigur aus Ton in
zwei Stücken gebrannt, zusammengesetzt und schließlich poly-
chromiert. Die Gruppe ist nicht vollständig, es fehlt eine Figur
des hl. Joseph zu Füllen der liegenden Figur, ein kleiner Engel,
von dem nur Hände und Füße vorhanden sind und vielleicht die
Figur einer Magd mit dem Wasserschaff, zu welchem das Kind
hinabgercicht wird. Das Anekdotische ist in diesen Darstellungen
immer stark betont worden. Das Kind spielt mit den Zehen
seiner Füße.
Vielleicht handelt es sich um das Weihegeschcnk einer Dame,
die Kindersegen erhofft oder erhalten hat. Das Volkstümliche
der Darstellung ist darin begründet, daß der Künstler sich eines
Hafners bedienen mußte, um dieses einzigartige Kunstwerk zu
schaffen.
Die Hochblüte niederösterreichischen Kunstschaffens in der go-
tischen Zeit ist durch die Figur einer Pietät aus der Burg
Kreuzenstein dokumentiert. Es ist ein Werk von hoher
Qualität. Unzählig sind die Variationen dieser Kunstwerke, die
in Gulistein oder Naturstein entstanden sind. Die Ausstellung
Croccfissi e pieta, welche 1958 in Udinc gezeigt wurde, wies
nach, wie weit nach Süden, bis nach Aquilea, Venzone, Gemona
diese Darstellungen exportiert worden sind. Die Darstellungen
der Pietät sind letzten Endes auf die Marienklage zurückzufüh-
ren, wie sie in den Frauenklöstern zur privaten Andacht immer
wieder in vielen literarischen Nachweisen sich findet. Die Her-
kunft der Pietä aus Kreuzenstein ist unbekannt. Der Stein kommt
aus Bayern, es ist ein Kehlheirnerblock. Spuren von Polychro-
mierung sind vorhanden, leider hat die Spaltbarkeit des Steines
frühzeitig zu einer Beschädigung am Kopf Christi geführt, wel-
che durch eine Restaurierung behoben werden mußte. Die stark
lyrische Note, die in diesen Marienstatuen hervortritt, ist wohl
für das Gebiet von Niederösterreich sehr bezeichnend, doch geht
die Verbreitung des Themas in dieser Gestaltung weit über die
Grenzen Österreichs hinaus. Eine sehr rustikale Abhandlung
dieses Typus ist in der Pietä von Gars-Thunau zu sehen,
einem Kunstwerk aus Gußstein mit Spuren ältester Poly-
chromierung.
Die Ausstellung bringt eine Fülle von Plastiken, die bisher kaum
bekannt gewesen sind. Darunter befindet sich auch ein Werk
aus der Schule Jakob Kaschauers aus Hundshcim, eine Ma-
donna mit Kind, welche ohne Zweifel in der Türken-
zeit schwere Beschädigungen erfahren hat und durch eine ba-
rocke Restaurierung wiederhergestellt ist. Zum Unterschicd von
der berühmten Freisinger-Madonna ist das Kind schlafend dar-
gestellt, ein Motiv, das sich vielleicht daraus erklären läßt,
daß nach der Türkenzeit die schwer beschädigte Figur des
Kindes in dieser Form wiederhergestellt worden ist. Es ist der
Kunstgeschichte entgangen, daß in Niederösterreich im 17.]ahr-
hundert viele Plastiken, sei es durch die Schweden, sei es durch
die 'l"ürken schwer beschädigt wurden und sonach in barocker
Zeit eine Wiederherstellung erfuhren, die natürlich manche
Veränderung mit sich brachte. S0 konnten vor kurzem bei einer
Restaurierung an der Madonnenfigur aus der Pfarrkirche in
Lunz am See, die den Namen „Maria auf dem goldenen Sessel"
trägt, einwandfrei die Spuren der türkischen Säbel und Äxte
aus dem jahre 1532 nachgewiesen werden. Es wäre interessant,
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