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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 6)

Es gibt in Niederösterreich ein gutes halbes Hundert Orte, in 
denen sich nennenswerte Reste von gotischen Wandgemälden 
erhalten haben. Dennoch ist es heute kaum möglich, zu einem 
brauchbaren Urteil über den einstigen Umfang, über Bedeutung 
und künstlerische Qualität dieses Kunstzweiges im niederöster- 
reiehischen Donau- und Alpenvorland zu gelangen. Die Streu- 
ung, in geographischer wie in künstlerischer Beziehung ist zu 
beträchtlich, als daß sich - allerdings mit wenigen sehr gewich- 
tigen Ausnahmen - der Denkmälerbestand heute schon so ord- 
nen ließe wie anderswo. Das Ergebnis des vorläufigen Über- 
blicks: daß auf dem Gebiet der Monumentalmalerei ein Gefälle 
in der Richtung vom Süden und Südwesten Österreichs her 
zu bestehen scheint. Gemessen an der Größe des Landes und an 
der Zahl der Kirchen ist - im Vergleich zur inneren Steiermark 
etwa oder zu Kärnten -- der Denkmälerbestand gering. Bei der 
großen Rolle, die im allgemeinen die malerische Ausstattung 
in den gotischen Kirchen spielt, muß angenommen werden, 
daß in Niederösterreich entweder durch Umbauten oder durch 
andere Umstände seit dem 16. und 17. Jahrhundert besonders 
viel zugrunde gegangen ist und noch manches unter deckenden 
Tünchcn verborgen liegt, oder, daß die Monumentalmalerci im 
Mittelalter hier nicht in dem Maß Bedürfnis war, wie in den Ge- 
bieten an der Südseite des Alpenhauptkammes. Es bleibt frei- 
lich dahingestellt, 0b sich für ein Urteil in dieser allgemeinen 
Form überhaupt je die nötige Grundlage ergeben wird. 
Der verhältnismäßig geringen Anzahl der Denkmäler entspricht, 
mit den oben angedeuteten Ausnahmen, eine im Durchschnitt 
bescheidene künstlerische Qualität. Die Ausnahmen allerdings 
entschädigen uns in mancher Hinsicht. So kann das Werden 
und die Entfaltung des gotischen Stils in der österreichischen 
Dürnstein, Ehem. Clarissinncnkir- 
chi: (jetzt Museum), Kreuzigung 
 
Christi mit Maria und johanncs 
(um 1360). 
Monumentalmalerei von den letzten jahrzehnten des 13. his 
zur Mitte des folgenden Jahrhunderts nirgends so gut verfolgt 
werden, wie an Hand einiger Wandgemälde und Gemäldezyklen, 
die sich in niederösterreichischen Kirchen erhalten haben und 
zum größeren Teil erst in den letzten Jahren ans Tageslicht 
gebracht worden sind. 
Die letzte Phase der romanischen Malerei, gleichzeitig die erste 
Dokumentation des neuen „gotisehen" Stils offenbaren die um 
1300 entstandenen Prophetcn- und die Apostelfiguren der Alt- 
l i c h te n w a r t h e r Pfarrkirche und die noch unter einer he- 
trächtlich stärkeren Spannung stehenden Heiligengestalten der 
Chorausstattung von Michelstetten. Die unmittelbare Verbin- 
dung aber eröffnet das von dem Kremser Bürger Gozzn um 1280 
gestiftete Fresko mit der Krönung Mariae und der Kreuzigung 
Christi in der ehemaligen Dominikanerkirche in Krem s, ein 
Kunstwerk von hohem Rang, als dessen stilistischen Vorgänger 
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