Es mag im Jahre 1924 gewesen sein, als ich Oswald llacrdtl kennen
lernte. Schon damals erwies er sich als phantasicvoller Künstler und so
bemühte ich mich, ihn zur Mitarbeit heranzuziehen. In den schönen
Gläsern, die er für uns entwarf und die wir ein Jahr später in Paris bei
den „arts decoratifs" ausstellten, verwirklichte er ganz neue und eigen-
willige Ideen. Es waren Gläser für den Tafelgebrauch, Blumengefäße,
Dosen, Schalen und Pokale. Alle diese Dinge sind kein Augenbliekserfolg
geblieben. Sie werden heute noch ebenso modern empfunden, wie am
ersten Tag. Diese Gläser gingen in viele 'indt:r hinaus, sie stehen in
den meisten Museen der Welt, sic schmücken und schmückten zahllose
Tafeln in allen Kontinenten, so auch die Tafel John Foster Dulles'.
Oswald l-laerdtls Schaffen war von einer bewundcrswertcn Universali-
tät. Es gab kaum ein Material, in dem er nicht seine schöpferischen Ideen
zum Ausdruck bringen konnte. S0 entwarf er Kleinmöbel, Kassetten,
Spicgelrahmen, Schmuck und Stoffe, die zum Rcizvollstcn gehören, was
in Wicn auf diesem Gebiet während der letzten Jahrzehnte geschaffen
wurde, und lieferte ausgezeichnete Entwürfe für Silberwarcn, die 1937
auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt waren. Auch die derzeitigen
österreichischen Orden sind von ihm entworfen worden. Aus den letzten
Jahren, als sich Haerdtl besonders eingehend mit dem Problem der indu-
striellen Formgcbung befaßte, stammen Entwürfe für Bestecke, die in
Steyr zur Ausführung gelangten. Wo immer er für das Kunstgewcrbe
tä g war, entstand etwas Einmaliges, Wienerisches, voller Charme.
Er erwies sich damit als würdiger Nachfolger seiner Meister Kolo Moser,
Oskar Strnad und Josef Hoffmann, mit einem Wort der „Wiener Werk-
stätte", deren Tradition er den heutigen formalen Gegebenheiten ent-
sprechend fortsetzte. Die „Österreichischen Werkstätten", deren Auf-
sichtsrat-Vorsitzender er war, verdanken ihm ihr hohes Niveau und
ihre Prosperität. Als Vicepräsident des „Österreichischen Werkbundes"
war er entscheidend auch an dessen Entwicklung he iligt. Bei Aus-
stellungen Österreichs, insbesondere bei den „'l'rennailcn" in Mailand
war Hacrdtl stets Spiritus rector.
In den fünfunddreißig Jahren unserer Bekanntschaft, ja unserer Freund-
schaft, war es stets eine Freude für mich gewesen, mit Oswald llaerdtl
zusammcnzutreffen. Klar in seinen Gedanken und Ansichten verstand
er es stets, sei in liebenswürdigstcr Weise zu vertreten. - lir hinter-
liißt eine Lücke, die sich kaum so bald schließen wird.
Stefan Rath,
J. 8: L. Lobmeyr.
im echten bildnerischcn Tun des einzelnen Laien vollzieht, nichts zu
schaffen hat.
Damit sind wir aber auch eigentlich schon dort angelangt, wo die
ganze Frage ein anderes Gesicht bekommt, wo das Gerede von der
Kunst, und ob das Laienschaffcn auch oder keine Kunst sei, gänzlich
überflüssig wird. Hier gibt es professionelle und dort unprofcssionelle
Maler, Graphiker und Plastiker, und was von beider Taten Kunst ist,
wird keineswegs allein durch die Zugehörigkeit zur einen oder anderen
Gruppe ausgemacht. Je weniger aber die Gruppe der „Nicht-Professio-
nellen" nach der der Professionellen schielt - und leider tauchen
immer wieder genügend Menschen auf, die sie zu solchem Schielen
geradezu berufsmäßig verleiten und damit eine Art Konkurrenzvcrhält-
nis der Laien zu den geschulten Bildnern fördern -, desto besser und
sinnvoller ist ihr Tun. Denn nichts kann dieses gründlicher von seinem
Sinn befreien als der falsche lihrgciz, es den sogenannten akademischen
Künstlern gleichzutun.
Von hier aus gesehen, ist sogar schon der Buchtitel „Schöpferische
Freizeit" um einiges zu hoch gegriffen. Warum das große Wort
„Schöpferisch"? Warum „hinan zu den schweigenden Hallen der
Kunst"? Würde es das Wort „Besinnlich" nicht auch tun, denn geht
es nicht im Grunde um etwas hr Einfaches und Menschliches, nämlich
darum, dafl der bildnerisch tige innere Muße und so sich selber
findet? ist das nicht genug?
Warum also der unbedingte Bezug auf die „Kunst", der bloß das Ganze
auf ein theatralisches Geleise schiebt und so die feinen, stillen Ansii .e
und Würzelchen der Mußebildung zunichte macht? So aber sind auch,
nicht wenige der publizierten Bilder. lTJSOnClLTS unter den nicht-naiven,
eher von der Art der „Auch-Kunst", die niemandem wirklich weiter-
hilft, auch wenn es Schulen geben sollte, in denen sie gleichsam syste-
matisch vorfahrizicrt wird.
Die ungeheure Menge an „Reproduktionen" offizieller Kunst verführt
selbstverständlich auch den Laien dazu, sich sozusagen auf ein äußer-
liches Rezept einzustellen, statt gründlich danach zu fragen, was eigent-
lich in ihm selber los st und zum Bilde drängen könnte. Das vorliegende
Buch hat sich um diese Gefahr nicht gekümmet. Es läßt beschwingte
Frühlingsglocken läuten und referiert sn munter am eigentlichen Ge-
staltproblem des Laienbildnertums vorbei. Jorg Lampe.
BUCHBESPRECHUNG
SCHOPFERISCHE FREIZEIT
Künstlerisches Schaffen des arbeitenden Volkes; ein Schaubuch. 192 Sei-
ten, 139 einfarbige Bilder, 16 Farbtafeln. Europa-Verlag, Wien 1959.
Die Ausstellung „Talente entdeckt, erweckt", die im F ühjahr 1958
im Künstlerhaus stattfand, gab mancherlei zu denken. Es ist daher nur
allzu verständlich, dall man auch in einem Buche die angeschnittenen
Probleme darzustellen zumindest versuchte. Das ist in dem vorliegenden
Buche allerdings nur sehr bedingt der Fall. Es nennt sich ein „Schau-
buch" und will infolgedessen hauptsächlich durch seine Abbildungen
und meist recht ordentlichen Reproduktionen wirken. Zu diesen ge-
sellen sich einige Texte, die in kurzen Abschnitten wie dem von Arnulf
Neuwirth einige Aspekte der „Sonntagsmalerei in Oster eh" oder, wie
in dem von Alfred Schmeller, die Frage „Sind Frcizeitmaler Künstler?"
zur Debatte stellen. Willi Bahner geht auf die Frage des lirlcrnbareit
im Laienschaffcn und Franz Senghofcr ein wenig auf den „tieferen Sinn"
des ganzen Laienbildens cin.
Richtig an die Grundfragen der Laienbildnerci jedoch kommt eigentlich
nur Schmellcr an einigen Stellen seiner Ausführungen heran, dann nam-
lich, wenn er erwähnt, was es für den Menschen bedeutet, sich mit
Form und Farbe zu befassen. Da klingen echte Töne an. die um so
wünschenswerter sind, als der dem Buch vorangestellte „Psalm von dem
Leuchten auf den Spitzen der Arbeiterfinger" von Josef Luitpold einiger-
maßen schwer erträglich ist. Das ist die Sprache der Gesehwollenheit
und jener lebenden Bilder, die weiland im „Haus der deutschen Kunst"
in München und seinen roten Gegenstüeken Gefallen finden mochte
oder mag, aber mit dem höchst Persönlichen und lntimen, das sich
UNSEREAUTOREN
Leopold Nou-ak, Direktor der Musiksammlung der Österreichischen
Nationalbibliothek. 1904 in Wien geboren, vollendete er hier seine
Studien 1927 mit der Promotion zum Dr. phil. Die musikalische Aus-
bildung empfing er von Dominik Josef Peterlini, Louis Dite und Franz
Schmidt. 1928 Assistent des Musikwisscnschaftlichen Instituts der Uni-
versität Wien, 1932 Privatdozent, 1939 Professor; bis 1945 bei der
Wehrmacht und ab 1946 an der Österreichischen Nationalbibliothek.
Nowak ist wissenschaftlicher Leiter der Gesamtausgabe der Werke
Anton Bruckners; seine Arbeiten beschäftigen sich mit der Renais-
sance (Deutsches (iesellschaftslied), Joseph Haydn (Biographie Wien,
Amalthca 1951. Z, Aufl. 1958), Anton Bruckner und der katholischen
Kirchenmusik,
Dr. Wieland Schmied, geboren 192"), lebt als freier Schriftsteller in
Mödling bei Wien. Arbeitete sechs Jahre lang als Kunstkritiker der
„Furcht-Ü deren gelegentlicher Mitarbeiter er heute noch ist. 1957 er-
schien sein Essayhand „Von den Chinesen zu den Kindern, Notizen zur
Malerei", 1960 werden zwei weitere Essaybände in der Reihe „Nürn-
berger Liebhaberausgaben" des Verlages (ilock und Lutz folgen. Für
seinen Gedichtband „Landkarte des Windes", erschienen 1957 bei Otto
Müller in Salzburg, erhielt er 1958 den Förderungspreis für Literatur
der Stadt Wien. Gegenwärtig arbeitet er an einem Roman.
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