mann schritt dagegen sofort zur schöpferischen Auseinander-
setzung mit der eigenen Vorstellung. Er hatte nicht die inner-
liche Ruhe, sich ausschließlich dem Studium der formalen und
technischen Mittel zuzuwenden; er war von der Wirkung der
effektvollen Beleuchtung und dem meisterhaft verwendeten Ver-
satzstück zu sehr beeindruckt. Mit diesen großen Vorbildern
verband sich das Erleben des heimatlichen Voralpenlandes,
dessen wesenhafte Eigenheiten sich seinem scharfen Blick er-
schlossen. So entstanden in den Jahren 1824-27 eine Reihe.
von Miesenbacher Almlandschaften, die im Rahmen der öster-
reichischen Malerei durch ihre unmittelbare Kraft der Aussage
eine führende, nahezu bahnbrechende Leistung einnehmen.
Friedrich Gauermann, der damals erst 20 jahre zählte, hatte
einen llöhepunkt seiner Entwicklung erreicht.
Dieses glückliche Versenken in die heimatliche, alpine Welt,
der er sich, wie kaum einer seiner Zeitgenossen innerlich ver-
bunden fühlte, wurde von einer Begeisterungsfähigkeit getragen,
wie sie nur den jungen Künstlern der Romantik eigen war. Dem
Landschaftsmaler ging es dabei ganz ähnlich wie den Mitglie-
dern des Lukasbundes und den Nazarenern. Während jene zu-
tiefst ergriffen vor den Werken des jungen Raffael oder des
himmlischen Fra Angelico standen, wanderten diese durch die
schönsten Teile Österreichs, durch enge Felstäler, vorbei an
Wasserfällen, hinauf zum Dachstein oder hinunter zu den Seen
des Salzkammergutes. Diesem Kreis junger Künstler, dem
llöger, Rauch, Reinhold, Kröpsch und Pollak angehörten, er-
öffneten sich die Schönheiten der Alpenwelt gleichsam zum
erstenmal; die Intensität ihrer Erlebnisse sollte später nie mehr
überboten werden. Gauermann hatte für eine topographisch ge-
treue Wiedergabe wenig über. Die romantische Übersteigerung
drückte sich bei ihm viel mehr in Stimmungen aus. Damals ent-
standen die prachtvollen Farbskizzen von Gebirgsszenerien,
W0lken- und Gcwitterstudien. Dieser Dramatik der Natur war
das bewegte Geschehen der Tierkämpfe auf das engste verbun-
den. Der hinreißende Schwung dieser Studien macht es ver-
ständlich, daß auch Waldmüller zu den Bewundercrn Gauer-
manns gehörte und sich einige Farhkompositionen auch in sei-
nem Besitz fanden. Der Grund ihrer überzeugenden Wirkung lag
aber durchaus nicht im Effekt, sondern in einer meisterhaften
Charakterisierungskunst. An den Pflanzen, Wolken, Bäumen
und Felsstudien kann man immer wieder bewundern, wie es der
temperamentvolle Künstler verstand, das Wesen der einzelnen
Gegenstände lebendig zu erfassen. Vollendet gelang es ihm bei
den Tierbildern, die mit wenigen Pinselstrichen der Psyche des
Haustieres wie den raubtierhaften Instinkten gerecht wurden.
Die Tragik des künftigen Entwicklungsweges lag in dem Ge-
schmack der Zeit: ihn hatte Gauermann in idealer Weise ver-
körpert, er wurde seinem Werk oft zum Klischee. Was die kleine
Detailstudie oder die farbige Kompositionsskizze in selbstän-
diger Weise vereinte, drohte in der Auseinandersetzung mit dem
Realismus des Bildthemas zu veräullerlichen. Der Effekt der
Naturstimmung verlor seine Gültigkeit und wurde im Ge-
mälde oft zur Kulisse; diese entwertet wieder die prägnant und
charakteristisch erfaflten einzelnen Elemente. Ein literarischer
Gedanke führte in einen außerkünstlerischen Bereich: es sind
die biedermeierlichen Vorstellungen vom Leben in den [loch-
alpen, von Almabtrieben, Gewitterstürmcn auf dem See und
Tierkämpfen im Gebirge. Gauermann war Mode geworden; man
überhäufte ihn mit Aufträgen und Anerkennungen, zahlte ge-
waltige Summen für seine Bilder und drängte ihn so zur Manier
und zur steten Wiederholung. Seine Gemälde aber gehören
ebenso zur Gesellschaft des Biedermeier wie die Blumenstücke,
Genrebilder und Miniaturen.
Man hat die Stellung Gauermanns in seiner Zeit, das Phänomen
Friedrich Gauermann, Blick auf den Schneeberg mit Bauerbuben. Ol auf Papier, 27
Neue Galerie, Graz.
( 37 cm. 1840.