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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 1 und 2)

 
Die beiden Entwürfe (Abb. 1, 2) von Karl Goebel (1824-1899) erhielt ich während des letzten Krieges von dem in- 
zwischen verstorbenen Dr. Ludwig Münz zum Geschenk. So reizvoll diese Blätter auch sind, können wir uns bei 
ihrem Anblick einer gewissen Wehmut nicht erwehren. Sind sie doch Zeugen einer Kunst und Kultur und damit auch 
eines Lebensstils, der einst einen starken Einfluß auf weite Gebiete Europas auszuüben vermochte. Wie weit liegt das 
nun schon zurück, wie Vieles von dem, das damals geschaffen wurde, ist heute zerstört. ' 
Dr. Ludwig Münz hat in seinem Brief, der die freundschaftliche Gabe begleitete, so aufschlußreiche Worte zur kunst- 
historischen Charakterisierung der Zeichnungen gefunden, daß ich es für richtig halte, sie hier in extenso zu zitieren: 
„Die beiden Fächerentwürfe für Fürstin Schwarzenberg stammen von dem ,Pferdemaler' Goebel, der, wie es 
mir scheint, mit Unrecht völlig vergessen ist. Er verdient als Zeichner zumindest seinen Platz in der österreichischen 
Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als der einzige weltmännische Nachfolger der Biedermcierkunst eines 
Fendi oder Karl Schindler, nur scheint er mir weit lebendiger, freier im Strich als die immer wieder reproduzicrten 
Arbeiten eines Rahl oder Canon. Allerdings an Romako, den einzigen genialen Künstler dieser Zeit, reicht er nicht 
heran." 
Mit diesen wenigen Sätzen ist der künstlerische Wert der Zeichnungen derart treffend erfaßt. daß kaum Wesent- 
liches hinzuzufügen ist. Selbstverständlich denkt man angesichts der Pferde an Degas. Liegt doch der besondere Reiz 
dieser Skizzen darin, daß die Pferde in voller Bewegung und und zum Teil in ungewöhnlichen Ansichten dargestellt 
sind. Gerade um dieses Lebendige, unkonventionell Gesehene ging es aber auch Degas bei seinen Rennbildern und" 
eben darum wirken sie so anziehend. Allerdings ist ihm der österreichische Künstler in der Auffassung des Themas mit 
seinen beiden Skizzen um eine Anzahl von Jahren voraus. Das ist das überraschende Ergebnis des Vergleichs der: 
beiden Maler. Leider hat Goebel diese Seite seiner Kunst nicht weiterentwickelt. 
Nun zu dem Fächer 1 selbst. Dafl er wieder aufgefunden wurde, ist das Verdienst von Dr. O. Graf Haugwitz. Ich möchte 
diese Gelegenheit benützen, ihn zu dieser Entdeckung zu beglückwünschen und ihm überdies für seine wertvollen Hin- 
weise und seine Hilfe zu danken. Ohne seine Mitarbeit wäre dieser Artikel gar nicht möglich gewesen. 
Die eine Seite des Fächers (Abb. 3) wird zur Gänze von der Darstellung einer Reitjagd eingenommen, wofür die beiden 
oben besprochenen Blätter die Vorstudien sind, die dann in der Ausführung miteinander kombiniert wurden? - Für 
die Datierungsfrage ist der Umstand wichtig, daß im Hintergrund der Zeichnungen und des Fächers Schloß Frauen- 
berg (bei Budweis in Böhmen) dargestellt ist, und zwar so, wie es sich seit seinem Umbau, der in den Jahren 1840- 
bis 1847 3 erfolgte, noch heute dem Beschauer zeigt. 
Die andere Seite des Fächers (Abb. 4) ist in drei Felder geteiltl: 1. Ruderpartie auf dem Munitzerteich mit dem Jagd- 
schloß Ohrad (im Tiergarten von Frauenberg) im Hintergrund. - 2. Die Strecke im Hof von Schloß Frauenberg. 
Diese fand traditionsgemäß bei Fackelbeleuchtung am Abend statt. - 3. Eine Wagenfahrt im Park. Man erkennt! 
Fürstin Eleonore Schwarzenberg, geb. Prinzessin Liechtenstein (1812-1873) mit ihren beiden Kindern, Erbprinz Adolf 
Josef (1832-1914) und Prinzessin Marie Leopoldine (1833-1909), später verehelichte Gräfin Waldstein. Die Kinder 
scheinen zirka drei bis fünf Jahre alt zu sein. Somit kann also diese Wagenfahrt nur in die Zeit zwischen 1835-1840 
fallen. ' 
Nach den Notizen, die der Künstler auf einer der Zeichnungen (Abb. 1) vermerkt, erscheint jedoch das kleine Mädchen 
auf der Jagdseite des Fächers als junge, verheiratete Frau (Gräfin Marie Waldstein, deren Hochzeit 1851 stattfand) 
und nimmt an der Reitjagd teil. Folglich liegt zwischen den Geschehnissen auf den zwei Seiten des Fächers eine ziem- 
lich große Zeitspanne. Soll man deshalb vermuten, daß die beiden zu verschiedenen Zeiten entstanden sind? Wohl 
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