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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 3)

 
Wiedergabe der Naturwirklichkeit eingesetzt. Zu 
beiden Bildern (Nürnberg, Germanisches National- 
museum, 1774 bzw. 1776 datiert), die wahrscheinlich 
natürliche und künstliche Klüftungen vom Steilabfall 
des Thebener Kogels gegen die March hin zeigen, gibt 
es Vorzeichnungen, die als Naturstudien gelten ß. Das 
spätere, kleinere Bild mit dem beleuchteten Hohlweg 
scheint im Vorwurf der wenig gegliederten Masse eines 
beleuchteten, fast vegetationslosen Hügels vor einer 
Wand aufsteigender Wolken und auch im Effekt der 
tatsächlich und gedanklich kleinen Menschen am höch- 
sten Punkt des Steilrandcs weniger konventionell als das 
andere. In der künstlerischen Bewältigung jedoch ist es 
durch ein einfaches System rahmender dunkler Hügel- 
kulissen und durch die Masscn- und Lichtponderation 
(dunkle Wolken- bzw. Hügelwand rechts und links vom 
leuchtenden Hang) auf eine traditionelle Bildform ähn- 
lich jener der zuvor genannten Landschaften orientiert. 
Die erstrebte Bildform scheint die Naturbeobachtung und 
auch das Naturerlebnis in die Bahnen eines Romantizis- 
mus in der Art Salvator Rosas zu lenken. - In der 
„großer? Sandgrubenlandschaft mit dem Blick auf 
Schloßhof (Abb. 3) ist hingegen eine selten glückliche 
Ausgewogenheit zwischen Naturwiedergabe und Bild- 
form erreicht. Das Mittel dazu ist vorerst das Spiel mit 
inhaltlichen Gegensätzen und ihre adäquate künstleri- 
sche, vor allem malerische Ausformung. Die Idylle der 
Staffage im Vordergrund unterstreicht die Größe des 
geologisch erstaunlich richtig wiedergegebenen alten 
Steilufcrs mit herausgewitterten Kalkbänken. Hier wie- 
der wird das tektonisch Tragcnde und Lastende dem 
Amorphen des Sandes und der Vegetationskruste gegen- 
übergestellt, das Schattig-Dunkle den hell beleuchteten 
Blöcken im Vordergrund. Das Ganze aber ist, durch eine 
dunkle Silhouette von der hellen Flußniederung getrennt, 
wuchtig geklüfteter Vordergrund zu dem - aus der Bild- 
mitte versetzt - hell in der verdämmernden Ebene hin- 
gelagerten Schloß. Die ungewöhnlich direkte Wiedergabe 
der steilen Wand, die das linke Bilddrittel erfüllt und in 
ihrem Auslaufen nach rechts die Vielfalt der Bewegungs- 
richtungen von Berg, Flußniederungen und sanft stei- 
gendem jenseitigen Ufer ahnen läßt, hat im lichten Kom- 
plex des Schlosses den ruhend-beruhigenden Widerpart 
gefunden. Diese der Natur entsprechende Verknüpfung 
der beiden Gründe (bei „fehlcndem" Mittelgrund), ein 
scheinbar unkompliziertes Einfließen der Natur- in die 
Kunstform, wird durch die sichere Handhabung der ma- 
lerischen Mittel erreicht, die hier im Dienst der Natur- 
wiedergabe die prä-imprcssionistisehen Elemente der 
Malerei des Hintergrundcs zu den nuancenreichen pasto- 
sen des Vordergrundes in Beziehung setzt. Im Verein 
mit dem ruhigen Himmel vermittelt diese Farbigkeit 
jenen Ausdruck heiterer Monumentalität, wie sie nur 
klassische Lösungen zeigen. 
Es ist der geglückte Versuch, erfaßte Naturwirklichkeit 
in der Tradition holländischer Landschaftsschilderung 
mit der Kenntnis moderner Farbigkeit nicht bloß zur 
Vedute, sondern zu einem barocken Bild zu machen. Die 
Akademie jedoch erachtete die künstlerisch interpre- 
tierte Topographie für wichtiger als den Mut zur Natur- 
wirklichkeit, den Brand in den Sandgrubenlandschaften 
bewies. Sie forderte, „daß ein reizender und für jeder- 
mann interessanter Gegenstand gewehlet werde, den nicht 
sowohl öde unbedeutende Auen, und walddichte Gründe 
in einer gar zu genauen, und folglich mehrernteils 
einförmigen Vorstellung abgeben, als vielmehr die Pro- 
spekte bekannter Gebäude und des umliegenden Landes 
mit der Aussicht in die Ferne darbieten; wozu die ver- 
mischten Gegenden um Wien und seine Vorstädte genüg- 
lich Gelegenheit geben. . ."9. Auch Brand widmete sich 
in den folgenden jahren, einer Zeitmode folgend, liebens- 
werter Erfassung der Topographie und des Volkslebens 
Wiens und der Wiener Umgebung. 1780 suchte er um ein 
Privilegium zur Herausgabe des „Kaufrufs" und der „Ge- 
genden bey Klosterneuburg" an. Daneben entstanden 
Deckfarben- und Aquarellblätter mit Naturstudien aus 
dem Prater und den Gegenden um Wien, die farbig mehr 
denn je im Gefolge Weirotters und Pillements stehen, 
doch voll deskriptivcr Klcinteiligkeit sind, wie sie dann 
Erbteil einer Anzahl seiner Schüler, besonders Heideloffs 
und Molitors und der Wiener Vedutenstecher wurden. 
In den gemalten Veduten dieser Zeit hält Brand stärker 
als im graphischen Oeuvre an der barocken Bildform fest, 
so etwa besonders augenscheinlich und reizvoll im „Blick 
auf St. Martin in Klosterneuburg und den Bisamberg" 
(Wien, Österreichische Galerie)". Dieses kleine, fast qua- 
dratische Bild ist aber - abgesehen von Vordergrundku- 
lisse und raumschaffenden Solitärbäumen - ein zauber- 
haftes Beispiel einer Naturwiedergabe, für die die Erin- 
nerungen an die blau-grünen Mittelgründe der Nieder- 
länder und an das dekorative, pastellartige Kolorit der 
Franzosen nur Mittel sind zur Erfassung der duftigcn 
Atmosphäre über den Donauauen in fast frühimpres- 
sionistisehem Maß. 
Daneben aber unternahm Brand - immer in der Tra- 
dition der Niederländer des 17. jahrhunderts - Ver- 
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