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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 3)

 
DIE MALERIN 
 jOlb-IANN MUSCIIIK 
FlEGLHUBER-GUTSCHER 
 
Mit dem Expressionismus trat die Kunst des 20. jahr- 
hunderts recht eigentlich erst in Erscheinung. Die im- 
pressionistische Strömung hatte den Gegenstand auf- 
gelöst in Farbgeflimmer. Die Darstellung des Lichts war 
ihr großes Anliegen gewesen. An Verfestigung, an Volu- 
men und Bildordnung lag Cezanne. Der Symbolismus 
wollte der Malerei wieder bedeutendere fnhalte geben. 
Gewalttätiger als jede andere Richtung vor ihm d e f o r - 
mierte der Expressionismus, um den Ausdruck 
2 u s t e i g e r n. 
Alles, was nach dem Expressionismus kam, hängt mit 
ihm zusammen. Die Richtungen, die auf ihn folgten, 
haben sich von ihm abgenabelt. waren zumindest keim- 
haft in ihm schon enthalten, Das Phantastische, Freie, 
die Souveränität, die der Künstler über den Gegenstand 
gewann, und ohne die keine der folgenden Strömungen 
möglich gewesen wäre, sind echtester Expressionismus. 
Er war die letzte umfassende Richtung. Er hat geflucltt 
und gebetet, verherrlicht, verdammt, den Himmel und 
die Hölle und die Alltagswelt aufgesucht. Farbe wurde 
zum Ausdrucksträger, bekam einen Eigenwert, den sie 
nie vorher hatte. Grüne Himmel wurden möglich, blaue 
Bäume, die radikale Vereinfachung und Verzerrung der 
Form. Der Realismus des Details verlor an Bedeutung. 
Das Vereinfachende der, wie wir heute sehen, vergleichs- 
weise naturnahen expressionistischen Formensprache 
und die gesteigerte Bedeutung der Farbe gehören auch 
zu den Wesensmerkmalen des Werks von Marianne 
Fieglhuber-Gutscher, das man daher mit Recht einer 
insbesondere auch in Wien immer noch lebendigen Rich- 
tung, nämlich der postexpressionistiscben zuzahlen wird. 
Der Künstlerin geht es um Landschaft und Stilleben, 
um Figur, die einzelne und die Figurcngruppe, um das 
allegorische und religiöse Thema. Frühe Bilder wurden 
aus einem Grau heraus modelliert. Ein Rosa, ein helles 
Blau kamen hinzu. Später (seit 1944) haben es Marianne 
Fieglhuber-Gutscher die starken Farben angetan. Ihre 
Welt beginnt zu lodern, zu glühen. Das Schwermütige, 
Sanfte weicht einer inbrünstigercn llaltung. 
Schreckenerregende Dinge ereignen sich. Ein gelbes Ge- 
sicht, vom Verfall gezeichnet, ein magerer gelber Arm, 
der in einer roten Wolljacke steckt: ein gebrechlicher 
Körper, von einer blauen Tuehent bedeckt, ringt mit 
dem Tode. In der weiten, großen Felsenlandschaft eines 
anderen Bildes tritt der Versucher auf. Der Gekreuzigte, 
drittes Beispiel, erscheint, Furcht und Mitleid erregend, 
im Fenster, vor dem eine Frau in gebeugter llaltung 
sitzt. Ein ziegelrotes „l-laus" unter einem düsteren Him- 
mel steht in einer vom Krieg zerstörten Landschaft. Das 
brennende Rot im Hintergrund einer „Wienerwaldland- 
schaft" wird mit Dunkelgrau, Grüngrau und Blau kon- 
trastiert. 
Aber auch Engel singen in den Bildern von Marianne 
Ficglhuber-Gutscher, Kinder begegnen einander. Land- 
schaft kann einen schmeiehlerischen, prickelnden Cha- 
rakter annehmen. Der Adel des Grau wird wieder um- 
worben. Farbigkeit geht dabei nicht verloren. [n allem 
ist ein Streben nach Beständigkeit, nach dem Dauernden, 
Ewigen spürbar. 
20 
1 Wienerwnldlandschaft, 1956. 
2 Geschwister, 2. Fassung, 1957. 
3 Küslenlnndschaft, 1958. 
4 Das Haus (ehemalige Mautncr-Markhofschc Fabrik 
in Wien-Erdberg), 1957.
	        
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