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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 4)

Zur Gedächinisaussiellung 
GEORGES RÜUAULT (1871-1958) 
in der Alberlina 
in die sentimentale Frivolität eines Picasso mit seinen 
"Clownerien" der frühen Perioden abstürzte. erscheint 
nun nicht mehr verwunderlich. 
Für Rouault war jede thematische Wirklichkeit auch 
formal ein Gesehenes, Geschehenes: Seine Zirkusper- 
sonen übertreffen an Lebendigkeit und Sinnennähe die 
Schöpfungen eines Toulouse-Lautrec oder des frühen 
Villon bei weitem und ein gleiches gilt für die Gerichts- 
herren, Reformatoren, preußischen Generäle (Km.- 
Nr. 119: „]e vornehmer das Herz ist, umso weniger starr 
ist der Nacken") und all jene, die, ob gut oder böse. die 
„Straße der Einsamen" beleben. Der gleiche Rouault, 
der in der Darstellung von Richtern gleich Daumier die 
sozialen Hypokrisen unserer Zeit geifleln will, stellt fest, 
daß „ein schwarzes Barett, eine rote Rohe ein schönes 
Nebeneinander von Farben ergeben". 
Das Hauptverdienst der Ausstellung in der Albertina 
liegt in der Erschließung von Material aus dem priva- 
testen, unmittelbarsten Umweltbereich des Künstlers. 
Direktor Univ.-Prof. Dr. Otto Benesch ist es nach einem 
Jahrzehnt zähen Bemühens gelungen, Bestände aus dem 
persönlichen Nachlaß und damit völlig unpuhliziertes 
Material nach Wien zu bringen. Dazu gehören nicht nur 
Zeichnungen und Studien aller Art, sondern auch Probe- 
ahzüge, frühe Zustände und Ähnliches. Im Verein mit 
der Schauslellung der großen Illustrationszyklen ergibt 
sich somit in der Albertina das lebendigste Bild, das 
wir uns bisher von Rouault machen konnten. 
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den großen Illustrationszyklen (.,Miserere", „Reincarna- 
tions de Pere Ubu", „Fleurs du Mal") handelt es sich um 
echte Umsetzungen, um S pfungen von Grund aus, um 
elementare, vom Buchstaben unabhängige Visionen. Auch 
gelingt es Rouault, nach dem Tod des Lehrers die Be- 
grenzungen und Fesseln des Historismus zu sprengen, die 
ihn in gefährliche Nähe zur Geistigkeit etwa der Prä- 
rafiaeliten gerückt hatten („Beweinung Christi", Kat.- 
Nr. 7, mit zahllosen Reminiszenzen an Leonardo und 
Rembrandt). Schließlich muß er noch der Gefahr des 
Absinkens ins rein Handwerkliche ausweichen: noch vor 
dem Akadamiebesuch arbeitete er in einer Werkstatt 
für Glasmalerei, seit etwa 1914 versteht er es, Elemente 
dieser Kunst, nämlich das Konturieren mit Sehwarzlot 
und Bleistegen, die Vorliebe für bestimmte Farben - 
etwa das gealterte, patinierte Rubinrot der Fenster des 
13. Jahrhunderts - und die Reduktion der Komposition 
auf eine gleichsam transparent gesehene, entmateria- 
lisierte Fläche in Verbindung mit äußerster Konzentra- 
tion aul das Wesentliche und Notwendige zur Grund- 
lage der kommenden Schaifensjahre zu machen. Die 
übermenschliche - aber nicht unmenschliche - Feier- 
lichkeit des Hauptwerks seines Lebens, des „Miserere"- 
Zyklus, ist ohne diese Voraussetzung nicht denkbar. Daß 
ein tielernstes Naturell wie Rouault, dem das Leben ein 
„harter Beruf" (Bildtitel zu KaL-Nr. 82) war, niemals 
 
 
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