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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 5)

stcr, des Glaubens mit dem Unglauben, das geistige Stre- 
ben zu hoher Erkenntnis - das alles nimmt greifbare 
und deutbarc Gestalt an und immer trägt das Gute, Edle 
und Hohe den Sieg davon. Dieser triumphale Stil offen- 
bart den ganzen Optimismus eines sieghaften, selbst- 
bewußten und aufbauenden Zeitalters, das Kraftbewußt- 
sein und die seelische Aufnahmsfähigkeit eines erlebnis- 
reichen Menschentums. 
l)er Wiener kaiserliche Hof ist ein Mittelpunkt geistiger 
und weltlicher Kultur. Mögen auch die Habsburgcr Leo- 
pold I., Joseph I. und Karl VI. einfachere Formen lieben 
und nur gelegentlich die ganze Pracht der Majestät ent- 
fallen, der aristokratische Hof versteht es umso besser 
zu repräsentieren. Die Aristokratie lebt im Lichte kaiser- 
licher Gnade und Libertät, sie hat ihren vorgezeichneten 
Lebensgang im Dienste des Kaisers oder im Dienste der 
Kirche. Die hohen repräsentativen Stellungen in den 
höfischen Ämtern und in der llierarchie sind dem Adel 
reserviert. Mit den damit verbundenen Einkünften be- 
streitet er den kostspieligen Haushalt und seine ebenso 
kostspieligen modischen Beschäftigungen und Vergnü- 
gungen. Dieser Adel bekommt ein internationales Gepräge: 
denn der kaiserliche Hof übt eine mächtige Anziehungs- 
kraft auf alle unternehmungslustigen, ehrgeizigen und 
auch habsüehtigcn Elemente aus. Aus dem Reich, aus 
Italien und Spanien, aus den Niederlanden strömen sie 
zusammen. Hier, in Wien, gibt es unzählige Möglichkei- 
ten sozialen Aufstieges, des Gewinnes von Ehren und 
Reichtum, von Amt und Würden. Hier verbinden sie sich 
bald mit heimischen Geschlechtern, erwerben Grund und 
Boden und fügen den deutschen, böhmischen, ungarischen 
und italienischen Familiennamen einen französischen, 
spanischen oder irischen hinzu. Besonders aus den geist- 
lichen Fürstentürnern, die im Reiehsgedanken fest ver- 
wurzelt sind, kommen die Söhne des Adels nach Oster- 
reich, um hier ihr Glück zu machen. Gar manche fliehen 
aus der Enge landesfürstlicher Territorien in die kaiser- 
liche Resiclenzstadt. So sind etwa die Schönborn, Metter- 
nich, Gudenus und Stadion nach Österreich gekommen. 
Friedrich Karl von Schönborn, der Neffe des Kurfürsten 
von Mainz und Bischofs von Bamberg Lothar Franz, hatte 
als Reiehsvizekanzler eines der höchsten Reichsiimter 
inne und hinterließ, als er nach dreißig Jahren als Bischof 
von Würzburg und Bamberg ins Reich zurückkehrte, 
sein großes Besitztum in Osterrcich einem seiner Neffen. 
Wie sein Onkel, war auch er ein großer Bauherr und 
Kunstiiebhaber, besaß in Lukas Hildebrandt einen llaus- 
architekten, der ihm sein Schloß Schönborn und sein Gar- 
tenpalais in der Josefsstadt erbaute und mit viel bewun- 
derten Gartenanlagen schmückte. Sein Bruder Johann 
Philipp war vor ihm Fürstbischof von Würzburg und 
begann den Bau der prachtvollen Residenz, bei dem auch 
Hildebrandt mitwirkte, der auch beim Bau des herrlichen 
Schönbornschen Schlosses in Pommersfelden bci Bam- 
berg seine Hand im Spiele hatte. im Dienste des Kurfür- 
sten Lothar Franz war Gottfried Bessel herangewachsen, 
der später als Abt von Göttweig die erstaunlichen Pläne 
des Stiftes von Hildebrandt entwerfen ließ, die selbst in 
ihrer nur teilweisen Verwirklichung noch eindrucksvoll 
genug sind. Die adeligen Bauherren, an ihrer Spitze Prinz 
Eugen, verstanden etwas von Plänen und Rissen - das 
gehörte sozusagen zur adeligen Erziehung. Martinelli, 
Fischer von Erlach, Lukas llildcbrand waren große 
Herren, die Landklöster begnügten sich mit Baumeistern 
aus der Provinz, die auch noch zu großen Leistungen 
fähig waren, wie die Namen Jakob Prandtaucr, Joscf und 
Franz Munggenast und Matthias Steinl beweisen, ganz 
zu schweigen von vielen anderen, die sich an dem Neubau 
von unzähligen Kirchen und ganzen Straßenzügen in den 
Provinzstädten beteiligten; denn das wohlsituierte Bür- 
gertum, das der aufblühende Handel oder das vielbc- 
schäitigte, zu reichem kunstgewerblichen Schaffen sich 
emporschwingende Handwerk zu Ansehen und Reichtum 
gebracht hatte, war darauf bedacht, sich dem Geschmack 
der Zeit anzupassen und sich modern einzurichten. Die 
österreichischen Städte verdanken ihrem Kunstsinn viele 
erlesene Bauten. 
Gerade heuer jährt sich zum dreihundertsten Mal der 
Geburtstag Jakob Prandtauers, der am 16. Juli 1660 in 
der Pfarrkirche von Zams getauft wurde und wahr- 
scheinlich am gleichen oder am vorhergehenden Tag 
das Licht der Welt crhlickt hatte. Bei dem Maurermeister 
Georg Asam in Schnann im Stanzertal (Tirol) hatte er 
das Handwerk gelernt, sich später als Bildhauer in 
St. Pölten in Niederösterreich niedergelassen und schließ- 
lich als Baumeister eine hohe Meisterschaft erlangt. Bis 
zu seinem Tode am 16. September 1726 war er unermüd- 
lich im Dienste der bauireudigen Prälalen Nieder- und 
Oberösterreichs tätig, in Melk, St. Florian, Gnrsten. Her- 
zogcnburg und Dürnstcin. Er baute die schönen Kirchen 
von Sonntagberg, in Ravelsbaeh und Wullersdorf und
	        
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