Beispiel Melk, St. Florian, Kremsmünster, Admont, die
Schotten in Wien, Vorau, in denen zahlreiche bedeutende
wissenschaftliche Leistungen besonders auf dem Gebiete
der Geschichtswissenschaft vollbracht wurden. Das rege
geistige Lcbcn, das in den herrlichen barocken Biblio-
theken noch heute bewundernswert in Erscheinung tritt,
gehört zu den Kennzeichen einer Zeit, die ihren geistigen
llorizont nach jeder Richtung hin zu erweitern suchte.
Das religiöse Leben und die volkstümliche Frömmigkeit
spiegeln sieh wider in den Wallfahrten zu den zahlrei-
ehen Gnadenorten. Alte Wallfahrtsstätten leben wieder
aul und viele neue entstehen zu Ehren der Heiligen Drei-
faltigkeit oder der Mutter Gottes. Weithin sichtbar
grüßen sie von den Höhen die zahlreichen Pilgerscharen,
die betend und singend zu ihnen wandeln. Eine XVall-
fahrt war zu dieser Zeit ein wirklicher Bußgang unter
beträchtlichen physischen Opfern und viele Pilger mach-
ten es sich noch besonders schwer, indem sie barfuß zu
den heiligen Stätten wanderten. Es ist die große Zeit der
Orgelbauer, Glockengießer und Paramentenmacher, die
es geradezu zu künstlerischer Vollendung bringen. Un-
gleich häufiger als heutzutage wurde der Alltag durch
kirchliche Feste unterbrochen, die mit aller barocken
Prunkliebe und Schaulust gefeiert wurden. Die arbeiten-
den Menschen der damaligen Zeit hatten wahrscheinlich
mehr freie Zeit als die heutigen Arbeiter und Angestell-
ten mitsamt ihrem Urlaub. Man glaubt an allerhand
Wunder und erbaut sich gern an höchst unglaubwürdigen
Legenden; immer besteht die Gefahr einer übertrie-
benen mystischen Illusion. Man liebt eben auch im
läeligiösen das Außergewöhnliche und Unfaßbare. Die
s . gefühlsmäßig betonte Frömmigkeit findet kein
(ienügen in abgeschicdener Stille, sondern sucht nach
äußerer Kundgebung inneren Erlebens. Wie das kor-
porative Zusammenwirken vieler Menschen im allge-
meinen zur theatralischen Gebärde des Barock gehört,
so sammelt sich auch im religiös-kultischen Zere-
moniell gemeinsames Empfinden zu eindrucksvoller
Darstellung.
Die Zeit des blühenden Hochbarock hatte freilich auch
ihre Schattenseiten. Leicht konnte die Lust an schmücken-
dem Beiwerk zu reinem Blendwerk werden und Schwulst
und leeres Pathos an die Stelle wahrhafter Empfindung
treten. Es gibt viel bloßen Schein und vorgetäuschte
Größe, hinter der nichts steht als eine kleinliche Sucht,
zu glänzen. Es gibt viel handwerkliche Routine, die bei
dem Versuch, sich mit wahrer Kunst zu messen, kläg-
lich scheitern muß. Es gibt viel leere Phantastik und
sinnlose Spielereien, unangebrachte und weithergeholte,
daher kaum mehr verständliche Allegorie und falsche
Mystik. Die Sucht nach Kuriosität. nach Neuem, Sensa-
tionellem, überhaupt Ungewöhnlichem verführt zuwei-
len zu absonderlichen Ideen. Besonders bedauern wir, daß
diese Zeit mit ihrem absoluten Stilgefühl so viele kost-
bare Denkmäler der Gotik rücksichtslos vernichtete,
wenn sie dem neuen Gestalten im Wege standen. Wie
viele gotische Kirchen samt dem ganzen unersetzlichen
Inventar an Altären, Bildern und Erzeugnissen der Holz-
schnitzkunst sind dieser Bauwut und dem Streben, modern
zu sein, zum Opfer gefallen! Doch gehen wir mit den
weniger erfreulichen Zeiterscheinungen und Denkweisen
nicht allzu streng ins Gericht. Eine große künstlerische
Kraft und ein verschwenderisehes Ausdrucksvermögcn
hat doch Leistungen vollbracht, die ihresgleichen suchen.
Das barocke Österreich ist in der Tat eine große, voll-
blutige Zeit, die ungewöhnlichen Energien zum Ausdruck
verhilft. Dieses Österreich, ob es sich in Wien oder Prag
oder Breslau repräsentiert, sammelt seine geistige Kraft
zu einer großen und einheitlichen Kulturmission im ge-
samten Donauraum. Heute werden die prächtigen Denk-
mäler eines hochgemuten Zeitalters mit Scheinwerfern
angestrahlt und Hunderttausende wandern durch die
hohen Marmorsäle und glänzenden Bibliotheken. Sie
sehen sich in eine Zeit versetzt, der Raum noch etwas
Wesenhaftes war, der nach Gestaltung verlangte, in
eine Zeit, die aus der Fülle des Lebens schuf, Geist und
Phantasie in Bewegung setzte und die Grenzen des Da-
seins in die Unendlichkeit zu rücken suchte. Wir heuti-
gen Menschen verdanken unseren Ahnen viel an Le-
bensfreude und geistigen Werten.
1 Georg Raphael Donner, Apothcose des Kaisers Karl VI.
Barockmuseurn Wien.
2 Balthasar Permoser, Apotheose des Prinzen Engen. Ur-
sprünglich im Erdgeschoß des SW-Turmes des Oberen Belvc-
dere. Barockmuseum Wien.
3 Medaille mit dem Bildnis des Abtes Berthold Dietmayr, die
anläßlich der Grundsleinlcgung am 29. Juni 1702 geprägt
wurde, Guß, vergoldet. Stiflsarchiv Melk.
4 Rückseite der Medaille mit dem Wappen des Abtes und sei-
nem Wahlspruch „Entweder nürzen, oder überhaupt nicht Abt
sein". Guß, vergoldet. Stiflsarchiv Melk.
5 Wappen des Erzherzcgtums Unter der Enns (Bundesland
Niederösterreich) von der Pestsäule am Graben in Wien.
Der Aufsatz ist mit gütiger Erlaubnis der Zeitschrift „Christ-
liche Kunstblätter", Heft 1, Jahrgang 1959, S. 1 ff. entnom-
men, wofür wir der Redaktion herzlichsten Dank sagen.