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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 5)

Im Jahre 1763 hat Johann Bergl, ein aus „Böheimb ge- 
bürtiger" Wiener Maler, vom Melker Abt Urban II. den 
Auftrag erhalten, das im Gartentrakt des Stiftes en- 
bautc „Lust-Haus" mit Fresken zu schmücken. 
Nach Beratung mit dem Auftraggeber entschloß sich 
Johann Berg] für den großen Ovalsaal und einigen klei- 
neren Ncbenräumen, einen Themenkreis zu malen, der 
ihm besonders gelegen war und worin er bereits Er- 
folge aufzuweisen hatte. Und so schmückte er die Decke 
des großen Saales mit dem Triumph des Lichtes, den 
vier Jahreszeiten und mit den vier Weltteilen. An den 
Decken und Wänden der Nebenräume aber malte er 
exotische Szenen, Pflanzen, Tiere und Menschen des 
fernen Ostens und Westens, wie er sie kurz vorher im 
kaiserlichen Luslschloß St. Veith bereits gemalt hatte. 
Unter den Weltteilen kam Europa der vornehmste Platz 
zu. Bergl malte sie gegenüber dem Eingang, im Norden, 
und umgab sie mit einem großen Gefolge von Friedens-, 
Kriegskünsten und Wissenschaften. Folgend dem grie- 
chischen Mythus vom Raube der Europa, thront sie auf 
dem Rücken eines bekränzten Stieres. Damit durchbrach 
Bergl das übliche Schema, das Europa immer mit dem 
Pferd darstellte. Aber auch den übrigen Wcltteilen, Afrika 
im Süden, Asien im Osten und Amerika im Westen, ord- 
ncte er andere Tiere zu als allgemein üblich war. Aber 
gerade durch diese Freiheit gewinnt seine Invention 
einen zusätzlichen poetischen Reiz. Diese Weltteile sind 
eben nicht einem wissenschaftlichen Weltbilde entsprun- 
gen, sondern der Phantasie eines barocken Künstlers, der 
dem Theatralingenieur verwandter ist als dem nüch- 
ternen Topographen. 
Über der Europagruppe, aufsteigend bis zum Decken- 
miltelpunkt, wo eine vom Tierkreis mit den Monats- 
zeichen der hellen Jahreszeiten überwülbte Sonnen- 
seheibe im Himmelsraume leuchtet, hat Bergl die vier 
Jahreszeiten gemalt. Dem Erdbereiche zunächst den 
alten, geflügelten Nordwind und einen kleinen Wind- 
putto, die beide aus vollen Backen Schnee und Regen 
über Europas nordwestliche Gefilde blasen.Darüber den 
Winter mit gesenkler Fackel und weiter nach oben den 
Ilerbst mit einem Füllhorn und den Sommer mit einem 
Ährenbündel. Dem Lichtzentrum zunächst aber fährt der 
reichbekränzte Frühling in einem Triumphwagen dahin. 
Johann Bergls künstlerische Lösung, seine hellen und 
leuchtenden Farben, die von der Sonnenscheibe der 
Deckenmitte nach unten zu immer kräftiger, bunter wer- 
den, und die kompositorische Anordnung zeigen ihn als 
einen echten österreichischen Künstler. Bis ins kleinste 
Detail atmet alles eine beschwingte Heiterkeit und ist 
alles ein „irdisches Vergnügen in Gott". 
Eine solche farbige Welt diente in erster Linie der 
„Lustbarkcit und Anmut". Damit hat Johann Bergl in 
allem dem Wesen und der Bestimmung eines barocken 
„Lust-Hauses" oder „Maison de plaisance" entsprochen. 
Er gab der harmonischen Architektur des Melker Gar- 
tenhauses ein heiteres und leuchtendes Innen, das es zu 
einem besonderen Juwel österreichischer Kunst macht. 
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