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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 5)

Barocker Prunk 
in kirchlichen 
Stickereien 
DORA HEINZ 
Seit dem hohen Mittelalter sind reichste und kostbarste 
Werke der Stickereikunst zum Schmuck kirchlicher Ge- 
wänder entstanden. Insbesondere in den Frauenklöstern 
wurde die feine Stickerei der Paramente gepflegt; da- 
neben aber waren schon seit der Spätgotik auch berufs- 
mäßigc Sticker ti g. Sowohl von den Klöstern, wie auch 
von diesen selbständigen Kunsthandwerkern getragen, 
erlebte die kostbare Stickerei im Barock ihre letzte 
künstlerische Blüte und ihre größte Ausbreitung. Von 
der Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte 
des 18. Jahrhunderts fand die kostbare Nadelarbeit auch 
in Österreich reiche Pflege; im Auftrag der Kirchen und 
Klöster oder als Widmung an diese entstand in dieser 
Zeit die reiche Fülle prunkvoller Ornate, die heute - 
da die gleichartigen Werke weltlicher Bestimmung zum 
weitaus größten Teil verloren gegangen sind -, noch 
den ganzen Reichtum und die Vielfalt der Möglichkeiten 
barocker Stickkunst vor Augen führen können. 
Bis zum Ende des 17. )ahrhunderts bestimmt üppigstcr 
Aufwand den Charakter der Paramente. Auf immer neu 
sich vcrzweigenden Ranken geordnet, füllen die Blüten 
in ihren charakteristisch stilisierten Formen den ganzen 
Raum und bedecken den Grund fast vollständig. Star- 
kes Relief in verschiedenen Höhen und vielfältige In- 
nenmusterung bereichern die Goldstickerei noch um 
plastische Effekte; reichlich verwendete Pailletten he- 
leben den Grund durch flimmerndc Lichtreflexe (Abb. 1). 
Um 1710 verlieren die Muster an Dichte, die Einzelmo- 
tive an Schwere. Die unendlich wandlungsfähigen For- 
men des Laub- und Bandelwerks bringen Klarheit und 
betonte Gliederung in die Dekorationen. Gegenüber dem 
Reichtum der Zeichnung hält sich die Farbigkeit in sehr 
zurückhaltenden Grenzen, Gold und Silber bestimmen 
vorherrschend den Eindruck (Abb. 2 und 3). Die Leich- 
tigkeit und Zartheit der Stickerei mit ihrem durchbro- 
chenen Gitterwerk läßt nun auch den Stiekgrund stärker 
mitsprechen. 
Erst um 1730 werden die farbigen Akzente kräftiger, die 
buntfarbige Seidenstickerei in reichen Schattierungen 
tritt in den Vordergrund. Die naturfeme Ornamentik 
des Laub- und Bandelwerks weicht üppig sich entfalten- 
den großen Blumenmustern (Abb. 4). Phantasievollste 
Erfindung und beginnender Naturalismus der Einzel- 
motive mischen sich in dem reichhaltigen Formenschatz 
der Muster mit ihrer leuchtenden Farbenpracht. Diese 
prunkvollen Stickereien der liturgischen Gewänder fü- 
gen dem vollen Ensemble der Praehtentfaltung in den 
Kirchen der Barockzeit noch einen letzten Akzent zu. 
 
1, 2 Stickerei von der Kasel und Min-a des Bcrtholdiornzncs 
aus dem Benediktinerstift Melk. Goldreliefslickerei mit etwas 
bunter Seide auf weißem Grund. 1712 im Auftrag des Abtes 
Berthold Dicrmayr von dem Perlsticker Johann Jakob Edl- 
mannsperger ausgeführt. 
3 Gremiale aus dem Bcnediktinerstilt Seitcnslcnen. Gold- 
reliefstickerei auf rotem Damast, Goldspitze. In der Mitte Wap- 
pen des Abtes Ambros Pi-euenhubcr mit dem Damm 1726 von 
einem Bergknappen gehalten, als Hinweis auf die Herkunft des 
Abtes aus Eisenerz. 
4 Kasel aus dem Chorhcrrensrift St. Florian. Auf weißem Sei- 
dcnrips Goldstickerei und große phantastische Blüten in leuch- 
tend bunter Seide. 1730-40. 
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