IN UNSERER FORTLAUFENDEN ARTIKELSERIE ZUR ÖSTERREICHISCHEN KUNST
19. JAHRUUNDERTS VEROFFENTLICHEN WIR DEN 7. AUFSATZ
DES 18. UND
DIE SELBSTBILDNISSE
DES ANTON
VON
MARON
HANS WERNER GROHN
Zwei Selbstbildnisse des Wiener Malers Anton von
Maron waren bisher der Forschung bekannt. Sie be-
finden sich in den Uffizien von Florenz und in der
Academia di S. Luca zu Rom. Beide werden von Voss
erwähnt} der eine Anzahl der bedeutendsten Werke des
Malers zusammenstellt, und sind auch genannt unter den
in Thieme-Beekers Künstler-Lexikon aufgeführten noch
erhaltenen Porträtschöpfungen des Meisters? Diesen
beiden Selbstdarstellungen läßt sich nun eine dritte hin-
zufügen, die, von unbekannter Herkunft, vor einiger Zeit
aus öffentlicher Hand der Gemäldegalerie der Staatlichen
Museen zu Berlin überwiesen worden ist? Das neu auf-
getauchte Bild, signiert und datiert, ist das späteste
Selbstporträt der Reihe.
Anton von Maron, an der Wiener Akademie unter Mar-
tin van Meytens und Daniel Gran ausgebildet und durch
Anton Raffael Mengs gefördert, ging etwa fünfundzwan-
zigjährig nach Rom und wird dort vor Ostern 1756 als
ein Hausgenosse von Mengs in der Via Sistina 72 ge-
nannt! Diese Wohngemeinschaft dauerte an bis zu des-
sen Übersiedlung nach Madrid, und auch danach noch
verblieb Maron zusammen mit Christoph Fesel in dem
von seinem Lehrmeister verlassenen Atelier, Via Vitto-
ria 54. Während der Jahre gemeinsamen Wirkens wurde
Maron vielfach von Mengs zu großen Aufgaben mit
herangezogen; so war er beteiligt an der Ausführung
von Deckenmalereien in San Eusebio, und da, wie be-
richtet wird, der Meister hierbei sehr zufrieden mit ihm
war, ließ er ihn auch an dem Fresko des Parnaß in der
Villa Albani mithelfenn" Am 24. August 1765 heiratete
Maron die Schwester seines Lehrmeisters, Thcresia Con-
cordia Mengs, die als Miniaturmalerin mit ihrem Bruder
in Rom zusammenlebtc.
Nach dem Weggang von Mengs begründete Maron
schon bald seinen Ruf als Porträtist. Um 1763 schuf er
ein Gruppenbild des Kaisers Franz l. mit seiner Familie;
1766 entstand das lebensgrofle, ganzfigurige Bildnis des
Herzogs Leopold Friedrich Franz von Anhalt (Dessau,
Sehloß). Im gleichen Jahre wurde Maron Mitglied der
römischen Lucas-Academie, was die Inschrift auf dem
noch heute im Besitz dieses Institutes befindlichen Selbst-
bildnis bestiitigtß Zwei Jahre später entstand jenes
prachtvolle Porträt von Johann Joachim Winckelmann
(Museum Weimar), das zu den bekanntesten Arbeiten
des Malers zählt. Die Freundschaft mit dem Gelehrten,
der im Hause von Mengs verkehrte, muß frühzeitig ge-
knüpft worden sein, denn wie aus Winekclmanns Testa-
ment hervorgeht, hatte dieser - wohl um 1757 - von
seiner Pension „einen Notpfennig von hundert Talern
beim Maler Maron zurückgelegt"? Während eines Auf-
enthaltes in Wien von 1771 bis 1772 schuf Maron auf
Bestellung der Kaiserin ein Bildnis ihres verstorbenen
Gemahls sowie Porträts ihrer Söhne Leopold und Maxi-
milian und der Tochter Maria Elisabeth. Mit diesen
Arbeiten errang er allerhöchste Anerkennung und wurde
am 17. Oktober 1772 durch Maria Theresia in den erh-
ländisehen Adelsstand erhoben} Wie berichtet wird,
unterbreitete der Künstler damals Pläne zu einer Refor-
mierung der Wiener Akademie, doch schlug er das ihm
angetragene Direktorat aus, denn „La vera patria degli
artisti e Roma", war seine Überzeugung? und so drängte
es ihn, dorthin zurückzukehren. Ein Bildnis der Kaiserin,
1773 datiert, hat er, wie auch das Porträt Josephs II..
erst in Rom vollendet.
Doch auch außerhalb seines Spezialfaches war Maron
in jenen Jahren tätig. 1782 entstand eine Madonna mit
Heiligen für die Nepomukkapelle der deutschen Natio-
nalkirche Santa Maria dell'Anima in Rom und 1784 bis
1785 schuf er fünf Deckengemälde für die Villa Borghese
mit Szenen aus der Geschichte von Dido und Aeneast
Das erste Selbstbildnis Marons, 1787 angeblich für einen
vornehmen Gönner gemalt 1" und heute im Besitz der
Uffizien, zeigt den Künstler, Pinsel und Palette in der
Hand, vor einem Werk aus eben diesem Zyklus. Nach
rechts gewendet, den stolz erhobenen Kopf jedoch fast
völlig dem Beschauer zugekehrt, steht der Maler vor
seiner Staffelei. Die lebensgroile Dreiviertelansicht ist
ebenso anspruchsvoll wie die noble Haltung mit dem in
die Hüfte gestemmten Arm und der prachtvollen Dra-
pierung des kostbaren Umhangs, eine Attitude, die dem
höfischen Porträt des Barock entlehnt ist. Der Eleganz,
mit der die vornehme Kleidung aus glänzender Seide,
schwerem Samt und feinen Spitzen malerisch erfaßt wird,
entspricht auch die Art, in der das ansehnliche Gesicht
mit dem hübschen, schwellenden Mund und den strahlen-
den Augen lebendig, doch etwas glatt gestaltet ist. Hier
stellt der erfolgreiche Künstler der vornehmen Welt sich
vor, der sich rühmen konnte, daß kaum ein bedeutender
deutscher Romfahrer dieser Jahre die Ewige Stadt ver-
ließ, ohne mit ihm in Verbindung getreten zu sein.
Doch schon das nächste Selbstporträt, nur zwei Jahre
später entstanden, ist völlig andersartig im Ausdruck
und kündet einen unverkennbaren Wandel der Auffas-
sung an. Die knappe Halbfigur ohne llände läßt das Bild
von vorneherein intimer erscheinen. Auch die Kleidung
ist keineswegs als sonderlich aufwendig zu bezeichnen;
der einfache dunkle Rock und das Spitzenjabot wirken
bürgerlich schlicht. Die Haltung des Kopfes ist ähnlich
wie auf dem ersten Bild; doch stellt sich der Malcr nicht
ganz so erhobenen Hauptes dar, und die Züge sind weni-
ger verschönt und geglättet, erscheinen persönlicher und
reicher an innerem Ausdruck. Eine steile Falte steht
zwischen den Brauen. Die Augen, nicht so strahlend im
Blick, schauen das Gegenüber eher abschätzend an. Die
Oberlippe ist knapper gespannt, die kleinen Falten an
den Mundwinkcln tragen einen leise spöttischen Zug in
das Antlitz. Die Wangenpartie ist weniger modelliert,
wodurch das Gesicht hier fast etwas schwammig wirkt.
Das Bild entstand im sclben Jahr, in dem ein Auftrag
des Staatssekretärs Kardinal Boncompagni, der ein gro-
ßes Altarbild der Heiligen Karl Borromäus und Limidius
für die Kirche zu Loreto bestellte, Anton von Maron
auf den Gipfel seines Ruhmes hob.
Doch mit Beginn der neunziger Jahre wird es um den
Maler auffallend still, und in dem Jahrzehnt vor seinem
Tode, am 3. März 1808, scheint die schöpferische Tätig-
keit dcs Künstlers schließlich ganz erlahmt zu sein.
Noack verweist in diesem Zusammenhang auf einen Brief
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