erlebte Paul Gauguin schon als Kind, als sein Vater Clo-
vis, ein liberaler Journalist, nach dem Staatsstreich des
späteren Kaisers Napoleon IH. Frankreich verließ, um
zu der Familie seiner Frau nach Peru zu übersiedeln. Er
starb jedoch auf der Überfahrt und die junge Witwe blieb
mit ihren Kindern bis 1855 in Lima, kehrte aber dann
nach Frankreich zurück. Möglicherweise waren diese
Überfahrten für den jungen Paul bestimmend, daß er
nach dem Besuch eines Internates in Orleans als Sech-
zehnjähriger in die Handelsmarine eintrat. Als Schiffs-
junge und Leichtmatrose lernte er Skandinavien kennen
und abermals, auf der Linie nach Rio de Janeiro, den
Süden. Den Krieg 1870[71 machte er auf einem fran-
zösischen Kreuzer in der Nordsee mit. Eine Wendung in
sein Leben brachte der, wahrscheinlich durch seinen Vor-
mund vermittelte, Eintritt in das Bankhaus Bertin in
Paris. Als gut verdienender Börsenmakler heiratete er
1873 Sophie Mette Gaad, die aus einer Kopenhagener
Bürgerfamilie stammte, und in seinem Pariser Heim
wuchsen schließlich fünf Kinder heran.
In dieser Zeit begann Gauguin sich für bildende Kunst
stärker zu interessieren, und nicht nur Bilder zu sam-
meln, hauptsächlich Impressionisten und Cezanne, son-
dern sich auch selbst als Maler zu versuchen. Wenn auch
diese frühen Stilleben und Landschaften ihm kaum einen
Namen in der Kunstgeschichte gesichert hätten, so sind
sie doch keinesfalls Dilettantenarbeiten und haben ihm
auch zu Anerkennungserfolgen verholfen, wie im Salon
von 1876. Auch seine ersten plastischen Versuche -
Porträts seiner Familie - verraten ein geschultes Auge
und eine sichere Hand. Unter dem Einfluß von Camille
Pisarro, mit dem er einen Sommer lang Malferien
machte, wandte er sich von seiner ursprünglich mehr
der Schule von Barbizon verwandten Naturauffassung
dem Impressionismus zu und stellte auch regelmäßig
mit den Impressionisten aus. Hier „entdeckte" ihn 1881
Huysmans und lobte seine große „Natürlichkeit und
Wahrheit", die er über die impressionistische Schein-
welt stellte. Die dramatische Wendung im Leben Paul
Gauguins erfolgte 1883, als er das Bankgeschäft aufgab,
um „fortan nur mehr zu malen". Auch wenn man die
Wirtschaftskrise Frankreichs und den drohenden Bank,
krach, der viele seiner Kollegen schwer traf, und damit
die keineswegs so glänzende Situation eines Maklers he-
rücksichtigt, verliert dieser Entschluß nichts von seiner
schwerwiegenden Grundsätzlichkeit. Eine der ersten Fol-
gen war eine finanzielle Enge, die Gauguin veranlaßte,
mit seiner Familie zuerst nach Rouen und dann nach
Kopenhagen zu übersiedeln. Die Versuche, in Dänemark
- wirtschaftlich als Vertreter französischer Firmen und
künstlerisch durch Ausstellungen - Fuß zu fassen,
schlugen fehl. Aber seine Entscheidung zur Malerei war
gefallen, und in einer Reihe von Briefen aus Kopenhagen,
vor allem an seinen ebenfalls malenden ehemaligen Kol-
legen Schuffeneeker, zeichnet sich ein Programm ab, das
er im Verlauf der nächsten jzthre zu verwirklichen sich
mühte und das in seinen präzisen Formulierungen und
neuen Forderungen tatsächlich wegweisend für die Ma-
lerei geworden ist: Er verurteilte die Akademien, die
sämtliche von den alten Meistern angewandten Mittel
kennten und doch keine Meisterwerke schufen, da sie
das Denken vor das Intuitive stellten. Er suche die Über-
mittlung eines Gedankens durch etwas ganz anderes als
das Literarische zu erreichen und wolle mit Linien und
Farben „Harmonien" schaffen, die einem seelischen Zu-
stand entsprächen. Gauguin führte Beispiele aus der Gra-
phologie an und kam zu einer Art „Psychologie der For-
men und Farben": „Es gibt edle, trügerische etcetera
Linien. Die gerade Linie gibt das Unendliche, die ge-
bogene begrenzt die Schöpfung. Die Farben sind infolge
ihrer Macht noch aufschlußreicher. Es gibt edle und
daneben gewöhnliche Töne, ruhige, trostspendende und
daneben durch ihre Kühnheit aufreizende Harmonien.
Darum ziehe ich eine suggestive Farbe den Formen vor
und in der Komposition das Gleichnis dem gemalten
Roman."
Nicht nur die Akademien, auch das Abmalen der Natun
lehnte Gauguin ab. „Durch den Anspruch, alles wieder-
geben zu wollen, versinkt das Ganze in den Details und
die Folge davon ist Langeweile. Zeichnen können allein
heißt noch nicht, gut zeichnen. - Nehmen Sie von der
Natur, indem Sie von ihr träumen, und denken Sie mehr