Immer noch ist jene der Maler einer unwirklicben Welt, in der sich Wirklich-
keit widerspiegelt. Seine Kunst wurde mehr und mehr Wiedergabe gefrorener
Bewegung, eines Flutens und Strömens, welchem der Künstler für einen Au-
genblick Einhalt gebietet, um den Charakter dessen, was sich bewegt zu
fassen. Er läißt es in die Tiefe des eigenen Wesens tauchen, vergißt, um neu zu
gewinnen; „ein Künstler, der sich für die Welt nur interessiert, wenn sie
aufhört außerhalb von uns zu existierenfum geheimnisvoll wieder erschaffen
zu werden dadurch, daß sie der Traum ergreift", wie jules Vuillemin
in jean Paul Sartres Zeitschrift „Les Temps Modernes" (jännerjFe-
bruar 1955) ausführt.
„Die Kunst Edgar jenes: ein Lyravogel in der Alabasterscheibe eines Grotten-
fensters . . ." singt Andre Breton. jenes poetische Moment gehört wirklich zu
den Gemälden jenes, die man in einem guten und heutigen Sinne „roman-
tisch" nennen darf. Ein besonders eindrückliches Bild ist „Die Furt" (1954).
Dieses Auftauchen der Märchenpferde aus den keineswegs tiefen Gewässern,
diese Eisfläche, unwirkliche Splegelfläche über ihnen; dies Submarine, das
unter der Fläche lebt und durch sie schimmert; dies Ausrollen eines
starken Windes oben am Horizont in eine Zone der Mäßigung, der Besänf-
tigung; dieses geheime Leben in der Erstarrung noch immer! Meerlicht,
diffuses Licht schimmert fluoreszierend über und durch die toten Takelagen
eines „Stillgelegten Hafens" (1954).
In den fünfziger jahren hat jene Reisen in die Gegend von Auvergne, einen
Teil des zentralen Gebirgsmassivs Frankreichs mit seinen erloschenen Vul-
kanen, in die Bretagne und andere französische Gegenden gemacht. Auch in
Pariser Landschaften, in Seine-lnsellandschaften kommt durch formale Ver-
einfachung, durch malerische Hervorhebung von Stein- und Gemäucrstruktur
etwas Archaisches, Urzeitlich-liinfaches Zustande. Die Gegend von Carnac
mit ihren keltischen Heiligtümern taucht immer wieder auf. Das Thema des
Pferdes, das verendet, verwest, nur mehr den Abdruck seiner Existenz hinter-
läßt („Tamerlans Pferde", 1959), der „Vogel Rok" und die Schleiereule,
„wachsamer Gardist imaginärer Nächte, Gastvogel des jenseits" er-
scheinen. Nach Klassizität, harmonischer Vollendung des Gemäldes strebt
jene bei alledem.
Erstickte Grün spielen in den roten Vibrationen von „Corrida" (1954). Die
meergrüne Harmonie der „Sylvana" wird von einem Saphirblau gejagt. Farbe
drückt bei jene alle Gefühlsvariationen von der zärtlichsten bis zur schau-
rigsten aus, brillante Kälte und unnatürliehes Licht. Sie kann Emailglanz
annehmen, wie Blei schimmern, feinste Übergänge darstellen. Sie schildert
den Glanz der Welt ebenso wie ihren Zerfall und ist selbst wenn sie idies
letzte tut, noch immer Element eines sicheren Bildbaus.
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