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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 11 und 12)

von diesen Kategorien läuft ein eigenwilliger Einzelgänger seinen Weg, 
der den fünfzigsten Geburtstag, um Bilanz vor dem eigenen Gewissen 
wie vor der Öffentlichkeit abzulegen, zum Anlaß einer Ausstellung in- 
nerhalb der Künstlergruppe „Der Kreis" gemacht hat. Dieser nun vier- 
zehn Jahre bestehenden Vereinigung gehört er als gründendes und sehr 
aktives Mitglied an. 
Vielleicht ist es gerade das hewußte Fernbleiben von der Parteien Gunst 
und Haß, was den liberalen Maler Ernst Höffinger schätzenswert macht. 
Unbekümmert um Kunstbörse-Schlager und Modcströmungen hat er 
eine neue Gattung der Nature morte, das „heroische Stilleben" 
erfunden, und auch - so paradox dies klingen mag - eine Art von 
„romantischem Realismus". 
Ein wesentlicher Beitrag Österreichs zur Kunst der napoleonischen Zeit 
lag in Joseph Anton Kochs „heroischer Landschaft". Leben wir nicht 
heute auch wieder - wie viele haben Europa als gigantische Kaserne 
erlebt -- in einem neuen Biedermeier, einer neuen nachnapolconischen 
Zeit? Derem stilleren Pathos entspricht Ernst Höffingers „heroisches 
Stillebcn". Es paßt symbolhaft in das hier skizzierte Porträt eines 
künstlerischen „Sonderlings", daß Höffinger ein Verehrer der Prosa 
Stendhals ist und Henri Bcyles „Leben eines Sonderlings" unter seinen 
Lieblingsbüchern steht. 
Die Herkunft von der tonigen Malerei, Mitte und Ende des 19. jahr- 
hunderts, von Menzel, Leibl, Schuch, verleugnet der Aussteller nicht. 
So hat er begonnen und sich auch an der Wiener Akademie, in der 
Schule des in anderer Weise pathetischen Karl Sterrer, seine liberale 
Malkultur bewahrt. Später treten kubistische Gefüge in seiner Arbeit 
auf. In der letzten Phase ist auch der starke Eindruck amerikanischer 
Milieuschilderer, wie Edward Hopper, Ben Shahn, am tiefsten und am 
meisten nachhaltend wohl das Oeuvre von Mac Iver Loren, sogar noch 
etwas von de Chirieos „Pittura metafisica" und ihrer merkwürdigen 
Böcklinstimmung, zu spüren. Doch, wo immer die Anregungen auch 
herkommen mögen, wird llöffinger niemals ihr Sklave. Nach dem 
Grundsatz „Genie:Fleiß", hat er viel zu viel eigene Arbeit in sein 
kompliz rtes Werk gesteckt, viel zu viel umgearbeitet, überarbeitet, 
so daß von der ersten fremden Anregung nicht mehr viel übrigblieb. Er 
beobachtet sorgfältig, malt langsam, zögernd, bedächtig, zaudernd, 
liebt es, sich die Kunst, im Gegensatz zum Gros seiner malenden Zeit- 
genossen, eher zu schwer als zu leicht zu machen. 
Mit resignierender Melancholie und Überzeugung, mit Meisterschaft. 
mit Herz schildert Höffinger in seinen grüblerischen Stilleben die da- 
hinschwindende Welt der Dampfeisenhahnen: die alten verrosteten 
Lokomotiven, triste in einem „LokomotivenfriedhoP zu Rudeln zu- 
sammengedrängt, vergessen, unbrauchbar geworden in der neuen Welt 
der elektrischen „brummenden Schachteln", die nicht mehr pathetisch- 
vulkanisch Feuer und Rauch speien. Nicht nur diese Eisenbahn-Elegien 
„Signalsehuppen", „Lampisterie", „Kleine Station am Fluß" sind mit 
größter Solidität durchgemnlt; unter der Asche bürgerlicher Ruhe glü- 
hen dramatische Gegensätze auch in den ungewöhnlichen „Ruinen der 
Mcssingstadt", in der farbig exquisiten „FlußlandschafW in „Tor- 
cello" und „Mykene". 
Dieses nicht auf Sand gebaute Werk eines Maler-Dichters hat erfreu- 
licherweise schon früh Anerkennung und Verständnis gefunden: 1955 
erhielt Höffinger für sein Olbild „Fundamente" den Preis des Indu- 
striellenverbandes. Sein Stilleben „Uhrwerk" befindet sich in der 
„Österreichischen Galerie", sein „Lokomotivenfriedhof" in der Samm- 
lung des Bundesministeriums für Unterricht. Eine bemerkenswerte 
Variante dieses Bildes hat das Kulturamt erworben, wie auch aus der 
„KreisfäAusstellung das Gemälde „Mykene" angekauft. 
Höffinger zeigt in seiner jubiläumsausstellung nur wenig Bilder, nur 
fünfundzwanzig. Nicht die Menge, die Qualität entscheidet. Keines 
der Gemälde ist ohne gründliche geistige und handwerkliche Vorberei- 
tung, ohne die Ameisenarheit vieler gründlicher Vorstudien entstanden. 
Zaudern, Verwerfen, Annehmen und wieder Verwerfen waren notwen- 
dig, Uhermalungen, Änderungen, Neubeginne: jene zahlreichen Bild- 
zustände, die ein verantwortungsbewußter Künstler, ein Cunctator 
im höheren Sinne, für unerläßlich hält. In einer Zeit der Vermassung, 
der mitunter gewissenlosen Spekulationen auf dem Kunstmarkt, des 
raschen Selbstbegnügcns, soll sein unbeirrtes (iegen-Strom-schwimmen 
gesegnet sein! 

	        
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