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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 11 und 12)

lm Zusammenhang mit der Wiener 
Bildhauerkunst des 18.]ahrhunderts 
verdient eine umfangreiche Samm- 
lung von llandzeichnungen ge- 
nannt zu werden, die aus derWerk- 
statt der Bildhauerlamilie Ignatz 
Platzers stammt und seit 1907 im 
Prager Kunstgewerbemuseum auf- 
bewahrt wird. lgnatz Platzer zählt 
zu den Künstlern, die aus der 
Schule Georg Raphael Donners her- 
vorgegangen sind. In Pilsen 1717 
geboren, teilt er sein Geburtsjahr 
mit Balthasar Moll - mit Kaiserin 
Maria Theresia, Winkclmann und 
dem Maler Norbert Grund. Ignatz 
Plalzer finden wir im Jahr 1742 in 
den Schülcrlisten der Wiener Aka- 
demie der bildenden Künste einge- 
tragen, an der zu dieser Zeit Mat- 
thäus Donner auf dem Gebiet der 
Plastik maßgebend war, als Inter- 
pret der Kunst seines Bruders ("eorg 
Raphael Donner, der im Jahr vor 
Platzers Ankunft in Wien, gestor- 
ben war. Laut Worten Platzers er- 
hielt cr selbst noch im gleichen 
Jahr „das erste praemium in der 
Bildthauerei mit allgem. beyfnll". 
Die Wertschätzung des jungen 
Künstlers bezeugt neben dieser Aus- 
zeichnung die Tatsache, daß man 
ihn ausersah, für das Herz der da- 
mals verstorbenen Kaiserin-Witwe 
Amalie Wilhelmine eine Urne zu 
gestalten, die in der Kapuzinergruft 
Aufstellung fand. In Wien befinden 
sich zwar einzelne Werke Platzers, 
doch ein Bild von der Persönlich- 
keit des Künstlers kann man hier 
nicht gewinnen. Niemand, der Plat- 
zers Herzurne in der Kaisergruft 
sieht oder der an seinen Figuren im 
Schönbrunner Schloßparterre vor- 
beigeht, ahnt, daß es sich hier um 
das Anfangsglied und um den Ab- 
schluß einer fast unüberschaubaren 
Figurenkette handelt, die Prag und 
das böhmische Land ziert, und die 
einzelne Perlen barocker Kunst 
aufweist. lgnatz Platzer, dessen Va- 
ter johann bereits als Bildhauer in 
Pilsen tätig gewesen war, ist der 
Begründer der Prager Platzer- 
Werkstatt, die unter seiner Leitung 
ihre Blütezeit erlebte, wovon nehen 
den erhaltenen Plastiken auch das 
reiche Zeichenmaterial Zeugnis gibt. 
Ignatz Platzer stirbt imjahre 1787 in 
Prag. Die Zeichnungen seines Soh- 
nes lgnatz H}, seines Enkels Ig- 
natz llI. und schließlich seines Ur- 
enkels Robert Platzer verraten nicht 
das Zeichentalent des Gründers der 
Werkstatt. 
Diese Zeichensnmmlung von 347 
Blättern (ungleichen Formates mit 
Bleistift- und Federzeiehnungen) 
stellt ein Unikum dar: einerseits, 
weil e' sich um den zeichnerischen 
Niederschlag der ununterhrachenen 
Kette einzelner Glieder ein e r Bild- 
hauerfamilie handelt, andererseits 
weil kein zweiter Fall bekannt ist, 
wo von einem Barockplastiker im 
Bereich der habsburgischen Länder 
ein annähernd umfangreiches und 
vielfältiges Material von Bildhauer- 
zeiehnungen erhalten geblieben 
wäre. Daß die Zeichnungen Ig- 
natz Platzers der Vernichtung ent- 
 
 
4 Ignatz Platzer. HI. Norbert. Die Zeichnung als Vorlage für die Anfertigung des Mndellx. Die Strichführung ist zarter und zeigt 
nahezu durchlaufende Konturen. Prag, Kunstgewerbemuseum 
5 Ignatz Platzer. III. Norbert, Gründer des Prämonstratenserordens. Modell au: Lehm, 87 cm hoch, für das Standbild auf der Karls- 
brücke in Prag. Das ausgeführte Werk wurde 1764 auf der Karlsbrücke aufgestellt. Im Jahr 1848 bci einer Hochwasserkatastrophe 
stürzte es in die Moldau. Prag, Prämonstratenser-Stift Strahov
	        
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