eigenwilligen Arbeiten dieser Zeit kreisen um die Probleme von Licht, Farbe und
Raum, sein wägender Geschmack läßt ihn viele seiner Bilder verwerfen und über-
malen. Sein sonst ruhiges Temperament - er gehört zu den Stillen im Lande -
kann dabei etwas leidenschaftliche Formen annehmen. Ein zertrümmerter Wasch-
tisch in einem Hotelzimmer in Locarno ist das Ergebnis des Kampfes mit der
widerspenstigen Materie. Das Wurfgeschoß, eine südliche Landschaft, ohne die
Ausgewogenheit der Farbtöne, wie sie sich der Künstler wünschte, entschädigte
schließlich den Verärgerten - er mußte für den Ersatz des Waschtisches auf-
kommen - indem es ihm dafür den österreichischen Staatspreis einbrachte. Kein
übermäßig wirksamer Erfolg - Schicksal der Österreicher -, aber in der Beschei-
dung ein Erfolg auf Dauer. Elsner holt sich in den jahren 1932 bis 1937 vier
Staatspreise. (Was für eine Zeit!) Man beginnt seine Bilder zu kaufen, mehr noch
im Ausland als in der Heimat. Der Urwiener wird vom Wiener Publikum nicht
gerade verwöhnt. Schon gar nicht, als der Zweite Weltkrieg ihn wieder zum Mili-
tärdienst beordert und manch Bitteres ihm nicht erspart bleibt. 1946 aber beruft ihn
die Wiener Akademie zum Leiter einer Meisterklasse für Malerei. Nun tritt zum
Künstler der Piidagog und er, in dessen Arbeiten die wohl ausgewogene Harmonie
der Valeurs eine besondere Rolle spielt, versteht auch seine Schüler nach ihrer
Individualität zu führen_. Er lehrt sie sehen, das Wie mehr als das Was. Wie
man eine Form sieht, ist das Wichtigste, das Ausdrucksmittel ist nur ein Unter-
geordnetes.
Seine Geschmacksbcgabung manifestiert sich nun in einer erfreulichen Vielseitig-
keit. Elsner läßt sich nicht klassifizieren, er ist keinem Ismus verfallen, er explo-
diert nicht im Gefühl und experimentiert nur, wenn es ihm um neue Erkenntnisse
der Natur geht oder in Richtung Universalität, da es den Bereich seines Schaffens
auszuweiten gilt durch neue Ausdrucksmittel, neue Techniken, neue Motive. Aus-
druck durch Farbe, Licht und Raum bleibt der Grundpfeiler seines Schaffens. Der
Gegenstand ist ihm nun wichtiger geworden, der Charakter der Figur, die Stim-
mung einer Landschaft, der Aufbau einer Kathedrale. Das dekorative Element ist
stark in seinen Darstellungen und steigert sich manchmal zum Ornament. Darum
auch die Begabung für den Gobelin. Der monumentale Stil (man sehe sein „Abend-
mahl") ist ihm ebenso eigen, wie das Kleinbild und zuletzt die Graphik. Bald
pastos, bald flüssig ist die Farbe aufgetragen. Konturen sind nur da, wenn sie
der Zeichnung dienen. Die reale Gestalt ist ihm so bedeutsam, daß er nicht der
absoluten Abstraktion verfällt. Seine Arbeiten sind Gebilde eines poetischen Realis-
mus, seien sie nun Porträts, Landschaften, Stilleben oder religiöse Szenen. Frauen
gleichen Engeln oder besser Engel Frauen mit Musik in den Gliedern und musi-
zierend auf Instrumenten. Er malt das „Letzte. Abendmahl" in zeitlos anmutcndem,
aber durchaus heutigem Gewand, und will dadurch die immer gegenwärtige Wirk-
lichkeit des Geschehens betonen. Und wieder malt er Blumen und Landschaften
und verliebt sich in Tiere. Er malt sie, er zeichnet sie, er spielt mit ihnen und löst
sie in Ornamente auf, er formt sie in Keramik, er setzt sie in seine Stilleben, in
seine Landschaft. Da sind vorwiegend Eulen, Pinguine und Fische, Meerkatzen
und Truthähne. Zuletzt greift er zurück in die mythische Tradition der romani-
schen Künstler und malt die Evangelisten mit Tierköpfen, den Adler, den Löwen
und den Stier - aber sie haben nichts Tierisches an sich, sie wirken streng, feier-
lich, hieratiseh, und der hl. Lukas mit seinem fremdartigen Engelskopf und den
seherischen Augen ist so weltentrückt wie sie.
Was wird Elsner morgen malen? Das können wir ruhig fragen, denn sein Auftrag
scheint noch nicht am Ende. Er, der kein modischer Maler ist oder sich nach immer
neuen Vorbildern wendet, trägt, wenn auch weniger bekannt und bedankt, mit
einer Gruppe von Schicksals-, Gesinnungs- und jahrgangsgenossen um die jahr-
hundertwende die wesentliche österreichische Malerei in die Zukunft. Sie wissen
sich sicher in der Erfahrung ihrer handwerklichen Meisterschaft und sie schreiten
gelassen und schweigend, nur nach den strengsten Kriterien ihrer Anschauung
schaffend, den Raum aus, den sie sich zumessen und der ihnen völlig eigen ist, zum
Dank für die vielen Freunde der noch immer sinnlich faßbarcn „sehönen" Welt.
Als Elsner eines Tages auf der lsola bella malte, führte er an der einen Hand
seine Katze an der Leine, in der anderen trug er Palette und Pinsel. Durch ein
Flugzeug erschreckt, riß die Katze an der Leine und brachte Elsner aus dem Gleich-
gewicht. Die verschiedenen Malutensilien lagen auf dem Boden verstreut. Da trat
ein älterer Herr mit kleinem, weißem Schnurrbärtchen hinzu und half dem Maler
beim Einsammeln. Elsner bedankte sich. Der andere entgegnete: „Wir dienen doch
einer Idee." Nun sah ihn Elsner richtig an. Es war Toscanini, der ihm geholfen
hatte. „Aber Ihre Arbeiten können bleiben", fuhr dieser fort, „meine sind bald
verweht", und er deutete in die Lüfte. Elsner hat diese Gedanken des großen Mei-
sters der anderen Fakultät wohlverstanden. „Sopravivere." - Er geht weiter
diesen Weg und nimmt in seine Welt die Dinge, die ihm gerade entgegenkommen,
um sie leben und überleben zu lassen. Das ist viel und oft alles.