IN UNSERER FORTLAUFENDEN ARTIKELSERIE ÜBER ÖSTERREICHISCHE? SCHLOSSER, IHRE (JE-
SCHICHTE, BEDEUTUNG UND AUFGABE IN DER GEGENWART VEROFFISNTLICHEN WIR DEN
I5. AUFSATZ
LOTTE POPELKA
SCHLÖSSER
DES
MARCHFELDES
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Der großartigen Epoche hochbaroeken Kunstschaffens,
die sich - kaum daß die türkische Bedrohung durch
die Entsatzschlacht um Wien 1683 und durch weitere
Siege abgewendet und gebrochen war - seit dem Ende
des 17. Jahrhunderts in der Residenzstadt zu entfalten
begann, verdanken auch die in ihrem unmittelbaren
Strahlungsbereich liegenden Gebiete bedeutende Denk-
mäler.
Eines der Frühwerke (um 169394) des großen Archi-
tekten Johann Bernhard Fischer von Erlach ("' 1656,
1' 1723) und zugleich einer der ersten Zeugen der neuen
barocken Baugesinnung ist das Jagdschloß Engelhart-
stetten (heute Niederweiden) im Marchfeld. Der ein-
stige Zustand dieses für den Grafen Ernst Rüdiger
Starhemberg geschaffenen, keinem anderen Zweck als
dem Aufenthalt und der Erfrischung während der Jagd
dienenden Schlößchens ist uns nur bildlich überliefert:
ein flachgedeckter, niedriger Bau über einem rustizier-
ten Sockelgesehoß, der ebenen Landschaft angepaßt und
in dem Reiz seiner ungewöhnlichen Erscheinung durch
den dahinter liegenden Laubwald noch verstärkt. Dieses
Ungewöhnliche und Neue der Form bestand einerseits in
dem überkuppelten Mittelsaal, der als Oval die Gebäude-
front der Tiefe nach durchschneidet, anderseits in dem
geschwungenen, durchbrochenen Aufbau darüber und den
Flügelbauten an den Ecken. Die Verbindung verschiede-
ner, aus der französischen, der italienischen, selbst der
hellenistischen Kunst stammender Elemente machte die
Eigenart dieses Jagdschlosses aus; das Bild, das sich
heute dem Besucher von Niedcrweiden bietet, ist frei-
lieh nicht mehr so sehr durch die Baugedanken Fischers,
als vielmehr durch die späteren Umbauten - und Zer-
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Störungen - bestimmt. Die ursprüngliche Geschoßcin-
teilung wurde abgeändert, der Bau dadurch erhöht und
nach der Entfernung des Aufbaues über dem Mittelsaal
mit einem steilen Mansarddach eingedeckt. Diese Ver-
änderungen begannen vielleicht schon etwa eine Gene-
ration nach der Erbauung des Schlößchens, nachdem es
aus dem Besitz des Grafen Starhemberg in den des Prin-
zen Eugen von Savoyen übergegangen war, der als
seinen Leibarchitekten den großen Rivalen Fischers v.
Iirlach, Johann Lukas v. Hildehrandt, beschäftigte. In der
Zeit Maria Theresias (die Herrscherin hatte 1755 das
Schloß erworben) wurde Niederweiden neuerlich um-
gestaltet; damals entstanden die illusionistischen Wand-
malereien von jean Pillement ("' 1727, 1' 1808) im ovalen
Mittelsaal und auch die heute vor dem Schloß sichtbaren
Nebengebäude. Der Zweite Weltkrieg und ein späterer
Brand fügten Niederweiden arge Zerstörungen zu; glück-
licherweise haben aber die Aufrufe zur Rettung öster-
reichischer Kunstdenkmäler wie auch die Fischer v.
Erlach-Ausstellung des Jahres 1956 die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit stärker auf diesen Bau gelenkt und
die tatkräftigen Restaurierungsmaßnahmen konnten den
Bestand sichern. Nun fehlt es nur noch an einer sinn-
vollen Verwendung des Schlosses, damit seinc weitere
Erhaltung garantiert werde.
Seiner außerordentlichen Konzeption wegen konnte die-
ses Jagdschloß des Grafen Starhemberg wohl zunächst
keine Nachahmung finden; was andere Architekten der
Residenzstadt für den im Marchfcld begüterten Adel
schufen, waren vor allem Umbauten älterer Anlagen,
die dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprachen.
So ließ Franz Ferdinand Graf Kinsky in den zwanziger