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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 44)

werde und nicht mehr dem Ermessen der Behörden 0b- 
liegt. Denn wer kann heute garantieren, in welcher Form 
künftige Regierungen den Spielraum zu großzügiger Ge- 
setze gebrauchen und interpretieren? 
Die Sammlerkrcise Österreichs erwarten daher, daß das 
Unterrichlsministerium wohlwollend die Aufnahme fol- 
gender Punkle in das Gesetz prüfen möge: 
1. Alle seit 1938 nachweislich importierten Gegenstände 
werden nach Antrag vom Bundesdenkmalamt jederzeit 
und unbefristet wieder zur Ausfuhr freigegeben, auch 
wenn sie österreichischen Ursprungs sind. 
2. Alle nachweislich seil 1938 importierten Gegenstände 
in Privalbesitz dürfen nur mit Zustimmung oder nach 
Antrag des Besitzers unter Schutz gestellt werden. Wenn 
sie im Zusammenhang einer unter Schutz zu stellenden 
Sammlung sind, sind sie aus den Beschränkungen auszu- 
nehmen. 
Mit diesen den Prinzipien des Denkmalschutzes absolut 
entsprechenden Bestimmungen wäre eine wesentliche 
Lücke im Gesetz geschlossen. Dem privaten Kunstsam! 
mcln in Österreich wird damit ein bedeutender Ansporn 
gegeben werden. 
IN MEMORIAM RUDOLF KAFTAN 
{ANS BERTELE 
Als am 4. Januar dieses jahrcs in dem alten Haus Schul- 
hof 1 hinter der Kirche zu den 9 Chören der Engel, 
Rudolf Kaftan kurz vor Erreichen des 91. Lebensjahres 
seine Augen für immer schloß, hat Wien eine Persönlich- 
keit verloren, die der Stadt eine hoffentlich noch nach 
Generationen bestehende liacette geschenkt hat. 
Die Anziehungskraft des Wiener Uhrenmuseums auf Ein- 
heimische und Fremde hat mehrere Gründe. Zunächst 
ist es der primitive Zauber, der seit Jahrhunderten im- 
mer wieder von tickend sich bewegenden Uhren auf den 
Beschauer ausgeübt wird. Das gleichmäßige Fort- 
schreiten der Zeiger über ein Blatt mit feststehenden 
Ziffernsymbolen ist wohl die beste Veranschaulichung 
des so geheimnisvollen Ablaufes der Zeit: immer nach 
vor und nie zurück, zu namentlich gleichen und doch 
immer neuen und verschiedenen Stunden, Tagen, XVo- 
chen, Monaten und jahren. So ist es ein gleichzeitig 
primitiver und zugleich komplizierter methaphysisehcr 
Reiz der Uhren, dem diese die durch Jahrhunderte dau- 
ernd abgewandelten künstlerischen Attribute zum 
Thema: „Indikation der Zeit" verdanken. Die architek- 
tonischen und dekorativen Monumente machen die Uhren 
für den Kunstliebhabcr und Antiquitätensammler inte- 
ressant. Über die Zcitveranschaulichung und das künstle- 
rische Gewand hinaus beinhalten aber die Werke eine 
reiche Fülle von faszinierender Mechanik, die nicht sel- 
ten zu ihrer Zeit Angclpunkte für die Technik oder 
Wissenschaft bedeutet hat. 
Von dieser eigenartigen Dreiheit: „Zeiterfassung, Me- 
chanik und Kunst war Rudolf Kaftan als junger Mensch 
in Bann geschlagen. Schon als Mittelschüler hat er ver- 
sucht, in das Wesen der Uhren einzudringen und dem 
Gang ihrer historischen Entwicklung nachzuspüren. Zu- 
erst waren es einfache Uhren seiner unmittelbaren 
oberösterreichischen Heimat, die er studierte und sam- 
melte, später in Wien während seiner Tätigkeit als Leh- 
rer an verschiedenen Wiener Mittelschulen von 1899 bis 
September 1917 hat er die reichen Möglichkeiten aus- 
genützt, die ihm die Hauptstadt der alten österreichisch- 
ungarischen Monarchie mit ihren ungeheuer reichen Be- 
ständen geboten hat. Der Gang der politischen Ereig- 
nisse brachte es mit sich, daß er am Ende des Krieges 
seine selbständige Sammlertätigkeit zu Gunsten der Lei- 
tung eines von der Stadt Wien im Mai 1917 begründeten 
Uhrenmuseums aufgab, in das seine Sammlung als 
Grundstein eingebaut wurde, und nun dessen Leitung 
übernahm. Durch das Opfer der Entäußerung seiner 
Selbständigkeit hatte er aber die Möglichkeit gewonnen, 
in viel breiterem Umfang - und in großzügiger Weise 
von der Stadt Wien unterstützt - das Sammeln fort- 
führen zu können. Lir hat durch seine besondere Zunei- 
gung zu dem 19. Jahrhundert Werte erhalten, die ohne 
ihn Vielfach verloren gegangen wären. 
Heute stehen wir alle unter dem Eindruck, daß jeglicher 
Hausrat, der Z oder 3 Generationen oder gar noch älter 
ist, besondere Bedeutung hat und dementsprechend ge- 
schätzt und gepflegt werden muß. Als Rudolf Kaftan 
Uhren zu sammeln begann, herrschte noch in weitesten 
Kreisen der Bevölkerung eine betonte Vorliebe für das 
damals Moderne. Kunstsammler aber beschränkten sich 
auf sehr weit zurückliegende Epochen: Renaissance-Ge- 
genstände wurden damals hoch geschätzt, während Haus- 
rat des 18. Jahrhunderts nur mehr wenige Liebhaber 
fand, und speziell alles aus dem 19. Jahrhundert bis 
zum Ende des 18. Jahrhunderts in breitesten Kreisen 
mißnchtet und ausgemistet wurde. 
Entgegen dieser damaligen Einstellung hat Rudolf Kaf- 
tan sein Hauptsammelinteresse auf das mißachtete Ge- 
biet gelegt und dadurch eine große Anzahl von Uhren 
vor der Ausschlachtung bei Vorstadttrödlern und Alt- 
metallhändlern gerettet. Gerade aus diesen, von Rudolf 
Kaftan der Nachwelt erhaltenen Uhren, konnte sich im 
Laufe der letzten 20 Jahre das vorher völlig übersehene 
Bild einer sehr bedeutenden uhrmacherisehen Hoehblüte 
im Wien der 1. lläilfte des 19. Jahrhunderts heraus- 
bilden, einer Epoche, deren Repräsentanten heute in in- 
ternationalen Sammler- und Liebhaberkreisen hoch ge- 
schätzt werden. 
lch würde gerne viel mehr über Rudolf Kaftan schrei- 
ben, der mir durch über 30 Jahre seine ehrende Freund- 
schaft entgegengebracht hat, dem ich wichtige Anregun- 
gen für die Forschung auf dem horologischen Gebiet 
und viele menschliche Einblicke zu verdanken habe, ein 
stiller Mensch, der sich ganz der crfühlten Aufgabe hin- 
gegeben hat, und den ich nie vergessen werde; der Platz 
verbietet es aber. Die Erinnerung aber an den Schöpfer 
und Leiter des Wiener Uhrenmuseums, das das Zeugnis 
einer großen Tradition der Stadt ist, in der viele Wur- 
zeln unserer modernen technischen Zivilisation ruhen, 
wird durch die Wahl und Aufstellung der Objekte, durch 
deren Erhaltung oder Restaurierung, durch deren eigen- 
gesetzlich mechanisches Arbeiten, durch deren Klänge, 
Töne und Schlagen zu jedem Besehauer sprechen, und 
so wird im Inhalt der zauberhaften alten Räume ein 
seiner Stadt und seiner Berufung treuer Sohn durch sein 
Werk weiterleben und andere ermahnen, Hüter der Wie- 
ner Tradition zu bleiben. 
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