werde und nicht mehr dem Ermessen der Behörden 0b-
liegt. Denn wer kann heute garantieren, in welcher Form
künftige Regierungen den Spielraum zu großzügiger Ge-
setze gebrauchen und interpretieren?
Die Sammlerkrcise Österreichs erwarten daher, daß das
Unterrichlsministerium wohlwollend die Aufnahme fol-
gender Punkle in das Gesetz prüfen möge:
1. Alle seit 1938 nachweislich importierten Gegenstände
werden nach Antrag vom Bundesdenkmalamt jederzeit
und unbefristet wieder zur Ausfuhr freigegeben, auch
wenn sie österreichischen Ursprungs sind.
2. Alle nachweislich seil 1938 importierten Gegenstände
in Privalbesitz dürfen nur mit Zustimmung oder nach
Antrag des Besitzers unter Schutz gestellt werden. Wenn
sie im Zusammenhang einer unter Schutz zu stellenden
Sammlung sind, sind sie aus den Beschränkungen auszu-
nehmen.
Mit diesen den Prinzipien des Denkmalschutzes absolut
entsprechenden Bestimmungen wäre eine wesentliche
Lücke im Gesetz geschlossen. Dem privaten Kunstsam!
mcln in Österreich wird damit ein bedeutender Ansporn
gegeben werden.
IN MEMORIAM RUDOLF KAFTAN
{ANS BERTELE
Als am 4. Januar dieses jahrcs in dem alten Haus Schul-
hof 1 hinter der Kirche zu den 9 Chören der Engel,
Rudolf Kaftan kurz vor Erreichen des 91. Lebensjahres
seine Augen für immer schloß, hat Wien eine Persönlich-
keit verloren, die der Stadt eine hoffentlich noch nach
Generationen bestehende liacette geschenkt hat.
Die Anziehungskraft des Wiener Uhrenmuseums auf Ein-
heimische und Fremde hat mehrere Gründe. Zunächst
ist es der primitive Zauber, der seit Jahrhunderten im-
mer wieder von tickend sich bewegenden Uhren auf den
Beschauer ausgeübt wird. Das gleichmäßige Fort-
schreiten der Zeiger über ein Blatt mit feststehenden
Ziffernsymbolen ist wohl die beste Veranschaulichung
des so geheimnisvollen Ablaufes der Zeit: immer nach
vor und nie zurück, zu namentlich gleichen und doch
immer neuen und verschiedenen Stunden, Tagen, XVo-
chen, Monaten und jahren. So ist es ein gleichzeitig
primitiver und zugleich komplizierter methaphysisehcr
Reiz der Uhren, dem diese die durch Jahrhunderte dau-
ernd abgewandelten künstlerischen Attribute zum
Thema: „Indikation der Zeit" verdanken. Die architek-
tonischen und dekorativen Monumente machen die Uhren
für den Kunstliebhabcr und Antiquitätensammler inte-
ressant. Über die Zcitveranschaulichung und das künstle-
rische Gewand hinaus beinhalten aber die Werke eine
reiche Fülle von faszinierender Mechanik, die nicht sel-
ten zu ihrer Zeit Angclpunkte für die Technik oder
Wissenschaft bedeutet hat.
Von dieser eigenartigen Dreiheit: „Zeiterfassung, Me-
chanik und Kunst war Rudolf Kaftan als junger Mensch
in Bann geschlagen. Schon als Mittelschüler hat er ver-
sucht, in das Wesen der Uhren einzudringen und dem
Gang ihrer historischen Entwicklung nachzuspüren. Zu-
erst waren es einfache Uhren seiner unmittelbaren
oberösterreichischen Heimat, die er studierte und sam-
melte, später in Wien während seiner Tätigkeit als Leh-
rer an verschiedenen Wiener Mittelschulen von 1899 bis
September 1917 hat er die reichen Möglichkeiten aus-
genützt, die ihm die Hauptstadt der alten österreichisch-
ungarischen Monarchie mit ihren ungeheuer reichen Be-
ständen geboten hat. Der Gang der politischen Ereig-
nisse brachte es mit sich, daß er am Ende des Krieges
seine selbständige Sammlertätigkeit zu Gunsten der Lei-
tung eines von der Stadt Wien im Mai 1917 begründeten
Uhrenmuseums aufgab, in das seine Sammlung als
Grundstein eingebaut wurde, und nun dessen Leitung
übernahm. Durch das Opfer der Entäußerung seiner
Selbständigkeit hatte er aber die Möglichkeit gewonnen,
in viel breiterem Umfang - und in großzügiger Weise
von der Stadt Wien unterstützt - das Sammeln fort-
führen zu können. Lir hat durch seine besondere Zunei-
gung zu dem 19. Jahrhundert Werte erhalten, die ohne
ihn Vielfach verloren gegangen wären.
Heute stehen wir alle unter dem Eindruck, daß jeglicher
Hausrat, der Z oder 3 Generationen oder gar noch älter
ist, besondere Bedeutung hat und dementsprechend ge-
schätzt und gepflegt werden muß. Als Rudolf Kaftan
Uhren zu sammeln begann, herrschte noch in weitesten
Kreisen der Bevölkerung eine betonte Vorliebe für das
damals Moderne. Kunstsammler aber beschränkten sich
auf sehr weit zurückliegende Epochen: Renaissance-Ge-
genstände wurden damals hoch geschätzt, während Haus-
rat des 18. Jahrhunderts nur mehr wenige Liebhaber
fand, und speziell alles aus dem 19. Jahrhundert bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts in breitesten Kreisen
mißnchtet und ausgemistet wurde.
Entgegen dieser damaligen Einstellung hat Rudolf Kaf-
tan sein Hauptsammelinteresse auf das mißachtete Ge-
biet gelegt und dadurch eine große Anzahl von Uhren
vor der Ausschlachtung bei Vorstadttrödlern und Alt-
metallhändlern gerettet. Gerade aus diesen, von Rudolf
Kaftan der Nachwelt erhaltenen Uhren, konnte sich im
Laufe der letzten 20 Jahre das vorher völlig übersehene
Bild einer sehr bedeutenden uhrmacherisehen Hoehblüte
im Wien der 1. lläilfte des 19. Jahrhunderts heraus-
bilden, einer Epoche, deren Repräsentanten heute in in-
ternationalen Sammler- und Liebhaberkreisen hoch ge-
schätzt werden.
lch würde gerne viel mehr über Rudolf Kaftan schrei-
ben, der mir durch über 30 Jahre seine ehrende Freund-
schaft entgegengebracht hat, dem ich wichtige Anregun-
gen für die Forschung auf dem horologischen Gebiet
und viele menschliche Einblicke zu verdanken habe, ein
stiller Mensch, der sich ganz der crfühlten Aufgabe hin-
gegeben hat, und den ich nie vergessen werde; der Platz
verbietet es aber. Die Erinnerung aber an den Schöpfer
und Leiter des Wiener Uhrenmuseums, das das Zeugnis
einer großen Tradition der Stadt ist, in der viele Wur-
zeln unserer modernen technischen Zivilisation ruhen,
wird durch die Wahl und Aufstellung der Objekte, durch
deren Erhaltung oder Restaurierung, durch deren eigen-
gesetzlich mechanisches Arbeiten, durch deren Klänge,
Töne und Schlagen zu jedem Besehauer sprechen, und
so wird im Inhalt der zauberhaften alten Räume ein
seiner Stadt und seiner Berufung treuer Sohn durch sein
Werk weiterleben und andere ermahnen, Hüter der Wie-
ner Tradition zu bleiben.
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