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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 45)

 
2.3 
das Wandrelief für das Bouwcen- 
trum in Rotterdam (1955) und die 
monumentale „Liegende Figur" für 
das UNESCO-Gebäude in Paris 
(19S8),sowiemehrere Ausstellungen 
seiner Werke im Ausland. Nicht 
alle Künstler haben es vermocht, 
sich angesichts solcher Erfolge _ 
abgesehen von einem wachsenden 
Selbstvertrauen - zu noch höherer 
Vollkommenheit zu entwickeln. 
Moore aber ist in dieser Dekade 
ganz offenbar weiter gewachsen - 
sowohl in technischer Meisterschaft 
wie in emotionaler Tiefe. Beim Be- 
treten der aus einem einzigen geräu- 
migen Saal bestehenden Whitechapel 
Gallery war man zunächst schon 
allein von der Größe der wichtigen 
Ausstellungsstücke überwältigt: dem 
fast Sllgm hohen „Glenkiln-Kreuz" 
mit den zwei kaum weniger hoch- 
aufragenden flankierenden Säulen, 
den wuchtigen Gestalten der „Sit- 
zenden" und der „Liegenden" mit 
ihren schrägen Falten von dicht um 
diemassigen Körperformen drapier- 
ten Gewändern und den beiden erst 
vor kurzem geschaffenen „Zweiteili- 
gen liegenden Figuren", die schon 
rein äußerlichmächtig genugsind, in 
der Phantasie aber eine geradezu 
gewaltige Vorstellung von ver- 
witterten Landmassen oder vom 
Meer zerklüfteter Klippen auslö- 
scn. Nicht geringer als die Größe 
all dieser monumentalen Figuren 
ist ihre Macht, den Beschauer zu 
erschüttern, zu erschrecken oder zu 
erheben. Wo sie abstrakt sind, be- 
unruhigen sie tiefer, wo sie „na- 
turalistisch" und „gegenständlich" 
sind, wirken sie weit erhabener und 
schrecklicher als alle seine früheren 
Werke. 
Dies hängt mit der vielleicht be- 
deutendsten Entwicklung in Moores 
Kunst während des letzten Jahr.- 
zehnts zusammen: mit seiner er- 
neuten Hinwendung zum Abstrak- 
ten, nachdem sich etwa bis zum 
Jahre 1955 eine Bewegung in der 
entgegengesetzten Richtung abzu- 
zeichnen schien. Nach dem Zwei- 
ten Weltkrieg konnte man immer 
stärker hervortretende menschliche 
Züge an seinen so charakteristisch 
unheimlichen und gewöhnlich kaum 
als menschlich anzusehenden Figu- 
ren erkennen. Er begann, Hände, 
Arme und Füße naturalistischer zu 
modellieren. Das psychologische 
Element dieser neuen Figuren trat 
gegenüber ihrer rein formalen Ge- 
staltung in Holz, Stein oder Metall 
weit stärker hervor. Es war die 
Periode, die Moore seine „Mischung 
verschiedener Stadien des Realis- 
mus" nannte und in der er Figuren 
schuf, bei denen er naturalistisch} 
dargestellte Glieder mit abstrakt 
geformten Köpfen und Rümpfen 
verband, zum Beispiel die auf der 
Ausstellung gezeigte Doppelstatuc 
„König und Königin", den „Krieger 
mit Schild" in Arnheim und den 
später entstandenen „Fallenden 
Krieger". Der hervorstechendste 
Zug an diesen halbwirklichen We- 
sen mit ihrem - wenn man sie als 
Skulpturen betrachtet - seltsam 
rührend und linkisch wirkenden 
Mangel an organischer Einheit ist 
ihr ergreifendes Pathos. 
Leidenschaftliches Pathos aber läßt 
sich schlecht mit dem Monumenta- 
lcn vereinbaren. Der „Fallende 
Krieger", der das Pathetische so 
besonders stark zum Ausdruck 
bringt, ist nur knapp lebensgroß; 
viel größer und massiger sind da- 
gegen die beiden bisher letzten 
„naturalistischen" Figuren, die 
Moore geschaffen hat: die in Ge- 
wänder gehüllten Frauengestalten 
der „Sitzenden" und der „Liegen- 
den". Mögen sie auch eine erhabene 
Ruhe und eine gewisse einsame 
Größe ausstrahlen, so sind sie doch 
zu wuchtig, um das ästhetische Ge- 
Xi  x 
2 Die wuchtige Figur der „Licgcnden" 
mit dem in schrägen Fallen eng um die 
mnssigcn Körperformen drapiertcn Ge- 
wand gehört zu den bisher letzten „na- 
turallstischcn" Schöpfungen Moores. 
3 Das Gewaltige und Monumenlale wird 
an dieser Detailaufnahme derselben Fi- 
gur noch deutlicher. 
 
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