neuer Freund, der ihn endgültig von der literarischen
Malerei wegführt.
„Pissarro hat einen ungeheuren Einjluß auf mich gehabt,
da: war ein Mann, der einem zu raten verstand, so etwa:
wie der liebe Colt."
Nach dieser vehementen Frühperiode, betritt Cezanne
den Weg, dessen Ziel für ihn jene Aufgabe ist, die eigent-
lich das Streben seiner ganzen Epoche kennzeichnet: Das
Suchen nach dem Elementaren, das Veranschaulichen
jener Kräfte, die hinter dem Sichtbaren wirksam sind.
Der Betrachter Cezannscher Landschaften kann - be-
sonders im Vergleich mit entsprechenden Photos - sehr
bald feststellen, daß der Künstler nie ganz von den topo-
graphischen Gegebenheiten abweicht, nie, selbst in seinen
späten, nur mehr andeutenden Aquarellen, ganz den
Boden der Wirklichkeit verläßt. Woran aber liegt es, daß
eine gewisse Distanziertheit, eine fast völlig unpersön-
liche Kühle bei aller Farbkraft und sonnenleuchtenden
Wiedergabe der Natur den Laien beunruhigend und zu-
gleich faszinierend gefangenhält?
Die Grundformen des Waldbodens, der Landschaft, der
Gebirge scheinen geradezu bis auf ihre geologische Ur-
struktur reduziert. Die licht- und schattenwechselnde Le-
bendigkeit des flimmcrnden Sonncnlichts auf Blättern,
Bäumen, Häusern und dem Meer ist in die glasige Helle
einer völlig luft- und windlosen Atmosphäre getaucht.
Alle Vielfalt des Lebens, alles Blühen und Vergehen in
der Natur ist auf eine in Farbkontrasten aufgebaute
strukturelle Form gebracht, Zugleich verändert Cezanne
die Spannungen von Nähe und Ferne, d. h., er hebt sie
gleichsam auf, denn was bei der Betrachtung der Natur
gewohnheitsgemäß ein Gehen in die Tiefe ist, wird bei
Cezanne Ausfüllung der Bildfläche, bedingt durch ein
Nachvornerücken des Hintergrundes. Damit wird ein
seltsamer Schwcbezustand zwischen Tiefe und Fläche er-
reicht, welcher dem Bild von vornherein etwas unwirk-
lich Rätselhaftes gibt. In seinen Bildern herrscht durch
das Fehlen ausgeprägter Schlagschatten und Lichteffekte
ein ständig gleichbleibendes und keiner atmosphärischen
Veränderung oder persönlichen Empfindung unterwor-
fenes „stimmungsl0ses" Licht. Die verschiedenen Erschei-
nungsformen der Materie werden einander angeglichen,
die Unterschiede übergangen, auf alle belebende Staffage
verzichtet.
Cezanne, der Seite an Seite mit dem Impressionismus
lebt, vermeidet streng jeden Momenteindruck, jede vir-
4
tuos-lttmosphiirisehe Stimmung, jede Licht- und Schatten-
wirkung, also die wesentlichstrn Errungenschaften dieser
ganz dem Optischen zugekehrten Richtung. lhm geht
es um eine von der Vergiine chkeit unzihhlingigt-„NYfahr-
heil", um eine vom Per onliehen gänzlich ahgerüekte
absolute Darstellung der Natur. lis geht ihm darum.
„ . . . ihre Eziviglecil erst sichtbar zu nzarbezz".
Alle diese Vereinfachungen in der Landschaft setzt er in
eine feinst differenzierte Farhwelt, in der für ihn eigene
logische Gesetze herrschen, durch welche die subtilsten
ilionwerte einer strengen Harmonie unterworfen werden
und eine fast kristallklare Ausgewogenheit ergehen. je-
des Bild, das Cezanne malt, ist ein wirklicher Schöpfungs-
ukt. lir malt unendlich lang am und pedantisch genau;
man weil}, dall er jedem Parhfleck auf der einen Seite
die lintaprechung auf der anderen Seite entgegensetzt
und damit ein (ileichgewicht und eine Ausgewogenheit
im Optischen zu erreichen versticht, welche seinem mea
diIcran-klaebischcn ldeal entgegengekommen. (,.ll"'irmüx-
xvn im Kontakt mit rler Natur wieder lalayxisrfv uiurrlenfj
Damit hängt es auch zusammen, daG die Bilder (Üezannes
in jeder Entstehungsphitse schon abgeschlossen sind.
Cezannes kühner Vorstoß in du (jebiet objektiven Gei-
stes in einem jahrhundert, das unter dem Zeichen einer