INTERNATIONALES STUDENTENHAUS-
Die Caritas hat sich nie darauf beschränkt, materieller Not zu Hilfe zu kommen
und würde sich um die Bedürfnisse von Studenten und Intellektuellen aus allen
Ländern auch dann kümmern, wenn keine materielle Not dazu den Anlaß böte.
Die sechs Studentenheime, die in den letzten Jahren errichtet wurden, haben frei-
lich das Flüchtlingselend zum unmittelbaren Anlaß gehabt. Die Mittel, die uns nach
der ungarischen Revolution geschenkt wurden, haben nicht ausgereicht, diese Heime
zu errichten, doch haben wir mit einem Kredit der kirchlichen Aufbauanleihe und
mit Spenden des Flüchtlingshochkommissariats, der Schweizer Auslandshilfe und
des Internationalen Rescue Komitees Plätze für annähernd 400 Hochschüler und
Hochschülerinnen geschaffen. Dabei war es uns von vornherein klar, daß nach dcm
Abschlufl des Studiums der Flüchtlinge diejenigen Studenten den größten Anspruch
auf unsere Hilfe haben würden, die aus den Entwicklungsländern nach Österreich
kommen, um hier ihre Ausbildung zu erhalten.
Ein zwei faches Motiv hat uns dabei beeinflußt: Wir wollten menschlich, geistig und
kulturell die Verbindung zwischen Flüchtlingen und Österreichern herstellen und
Zweitens Menschen, die gewohnt waren, in den Europäern den Kolonialherrn oder
den materiell an Schätzen des Landes Interessierten zu sehen, in brüderlicher Liebe
entgegenzukommen.
Hinter dieser Bemühung um liebevolles Verständnis verbirgt sich kein Motiv der
Proselytenmacherei. Wir hoffen, daß die Studenten aus allen Ländern der Welt in
unseren Heimen eine kleine Schule des Zusammenlebens finden. Dieses Zusammen-
leben auf der Basis der Kameradschaft und der gegenseitigen Achtung in den inter-
nationalen Studentenheimen findet seine Parallele und Ergänzung in den Bemü-
hungen des Internationalen Kulturzentrums.
Das Kulturzentrum hat es sich zum Ziel gesetzt, eine Analyse der Kulturen durch-
zuführen, die die unsere entscheidend beeinflußt oder sogar gestaltet haben. Dar-
über hinaus verfolgt es das Studium der parallelen Entwicklungen und Strukturen
in allen Kulturen der Welt. Den westlichen Studenten wird so in Erinnerung ge-
rufen, wieviel sie den alten Kulturen Asiens und Afrikas zu verdanken haben. Das
Wort „Internationales Kulturzentrum" beschreibt freilich nicht ganz dieses Ziel.
Wir glauben nicht, daß jede Nation eine eigene Kultur hat, im Gegenteil betrach-
ten wir den in die asiatischen und afrikanischen Länder importierten Nationalismus
als eine vorübergehende Phase westlichen Einflusses. Wir glauben aber, daß alle
Kulturen der Welt zu einer Synthese finden müssen. Wenn es nach dem Rausch
10