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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 46)

Krankheiten" getragen hat, aber sie wendet nicht nur ihr 
Haupt ab, sondern macht die beiden entscheidenden Ge- 
sten, die vom Einverständnis in den Willen des Vaters 
zeugen, die olierierende zum Himmel hin, und die ver- 
weisende aui das „Lamm Gottes, das die Sünden der Welt 
trägt". Der Tod des Christus stürzt den Satan, der durch 
den Tod seine Herrschaft dokumentierte, denn der Tod 
ist „der Sold der Sünde". Vom Christus hingegen heißt 
es, „der den Tod sterbend vernichtet hat". Die Marter- 
Werkzeuge, die der Böse umklammert, die ihm zur Ver- 
nichtung des „Heiligen Gottes" dienen sollten, sind, wie 
das Kreuz selbst, zum Instrument des Heils geworden; 
darin liegen Kraft und Weisheit Gottes, die triumphie- 
rend sagt: „hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Tor- 
heit erwiesen?" (1 Kor l, 20) und „Gottes Torheit ist 
weiser als die Menschen und Gottes Schwäche ist stärker 
als die Menschen" (1,25). 
Die dritte Standarte zeigt das Mysterium der Verklä- 
rung. Die hintergründige Figur umspannt den Kosmos; 
es ist der auferstehende, auffahrende und als Gottherr 
das All mit seiner Kraft erfüllende Christus, nicht nur 
das Haupt der Kirche, sondern „der Anfang, der Erst- 
ling von den Toten": er hat „in allem den Vorrang; denn 
es hat Gott gefallen, die ganze Fülle in ihm wohnen zu 
lassen und durch ihn alles mit sich zu versöhnen, was 
auf Erden und was im Himmel ist" (Kor 1, 19 f.). 
Die Form des Andreaskreuzes in dem der kosmische 
Christus das All umiaßt, deutet auf das Lamm hin, das 
„seit Anbeginn der Welt geschlachtet" ist und verbindet 
mit dem historischen „Jesus aus Nazareth" (darin liegt 
eine antignostische Geste des Künstlers). Der Christus 
trägt die Embleme des Hoehpriesters, der Himmel und 
Erde versöhnt und der „hinter den Vorhang", nämlich 
des himmlischen Allerheiligsten, in seinem eigenen Blute 
eingegangen ist, „der Hochpriester in Ewigkeit nach der 
Ordnung des Melchisedek" (Hebr 6, 20); sein Gewand 
zeigt präzise alle Details der alttestamentlichen Hoch- 
priesterparamente; aber der siebenflammige Geist, der 
aus seinem Haupte ausbricht, zeigt ihn als „Sohn", von 
dem es heißt, „mein Sohn bist du, heute habe ich dich ge- 
zeugt" (Hebr 1, 3; Ps. 2, 7). Der alte und erste Bund geht 
hier in den „neuen und ewigen" über. Hinter dem Mes- 
sias breiten sich die Schwingen des Engels jahwes, so 
erscheint in ihm zugleich die Präsenz des Vaters und 
der aus seinem Haupt strahlende Geist geht aus Vater 
und Sohn wie aus einem Prinzip hervor (qui a patre 
filioque procedit). Vor dem Christus die „aufgenommene" 
Maria mit dem Gestus bräutlicher Hingabe: sie wird von 
der Schechina, der Wolke jahwes, getragen, die auch 
Christus aufnimmt, als er sich von der Erde erhebt. Als 
„Braut des Wortes" wird sie königlich gekrönt. Ihre Ehre 
ist ganz von seiner abgeleitet und ist in ihr inbegriffen. Aus 
den Händen und Füßen des einst Gekreuzigten strahlt 
der Geist, der den „neuen Himmel und die ncue Erde" 
schafft. Die Standarten der Rosenkranzkirche realisieren 
so künstlerisch, in Nachfolge der Gotik und auf dem Wege 
einer intensiven theologischen Meditation, die sich bis ins 
Einzelne an die Schrift hält, jene Grundmysterien, um die 
heute wie je das christliche Denken kreist; sie vereinen 
den historischen Realismus der Gotik mit jener ins Über- 
zeitliche zielenden Symbolik, derer sich schon die Auto- 
ren der kanonischen Schriften selbst bedienten. 
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