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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 47)

früh und hinterläßt zweiunmündige Söhne: Johann Chri- 
stian und Johann Seyfried, die kaum mündig erklärt, um 
das väterliche Erbe in Streit geraten, bis schließlich 1672 
eine Befriedung insoferne eintritt, als der ältere, Johann 
Christian, die böhmischen Besitzungen übernimmt undin 
Krumau residiert, der jüngere, Johann Seyfried, aber die 
stcirischen und krainisehen Herrschaften von Graz aus 
verwaltet. Trotz dieser Differenzen wird seit 1655 
an der Innenausstattung des neuen Schlosses ge- 
arbeitet. Neben einer größeren Zahl von Malern, die 
die reichen Stuckdecken des zweiten Geschoßes mit Dar- 
stellungen von Historien füllen, ist als bedeutendster 
der Stukkateure Alessandro Serenio mit seiner Werk- 
stätte 1666-1669 beschäftigt. Er schafft in dem nun- 
mehr durch ein mächtiges Spiegelgewölbe geschlossenen 
Saal in seinen üppigen und vollplastischen Stukkaturen 
den Rahmen für die Gemälde des großen allegorischen 
Planeten- und Tierkreiszeichcnzyklus, den Hans Adam 
Weissenkirchner 1685 vollendet. 
Nun ist die Verwirklichung des Programmes abgeschlos- 
sen und dieses kann, aufgespürt und wieder neu erarbei- 
tet, abgelcsen werden. Das allegorisch-astrologische Pro- 
gramm umfaßt die Darstellung des Kosmos mit allen 
historischen und astrologischen Werten, projiziert auf 
das Haus Eggenberg, repräsentiert in seinem Stamm- 
schloß. So finden alle Werte des Zeitablaufes ihren Platz 
im Bau bzw. in seiner künstlerischen Aussehmückung, 
gipfelnd in der Apotheose des fürstlichen Hauses im 
großen Festsaal, der wie ein vielstimmiger Schlußakkord 
das Programm bekrönend schließt. 
Zunächst beim Außenbau beginnend, beinhaltet die 
Orientierung der vier Türme nach den vier Himmels- 
richtungen auch gleichzeitig die Verbindung ihrer vier 
Zeltdäeher mit den vier Winden. Die 365 Fenster geben 
die Tage des Jahres und die Verbindung von coelus 
(Himmel) und terra (Erde) ist mit der Spitze des mittle- 
ren und überragenden Kirchturmes und der in dessen 
Untergeschoß sich befindlichen Grotte gegeben. Auch 
können die vier Elemente im Bau ihre Verbindung zei- 
gen. Im großen Saal finden wir in den zwei Zyklen die 
weiteren Werte. Der Tierkreiszeichenzyklus gibt die 
zwölf Monate, den nächst kleineren Wert, die sieben 
Wochentage, der Planetenzyklus, wobei natürlich das 
die Mitte der Saaldecke einnehmende Bild der Sonne den 
Sonntag bedeutet. Aber auch die Anzahl der Tage des 
Monates ist gegeben in den 31 Räumen, die sich im 
zweiten Obergeschoß befinden. Die Reihe der zwei mal 
zwölf Prunkräume, die hier beiderseits der Hauptachse 
des Schlosses liegen, ergehen addiert die 24 Stunden des 
Tages. Da diese Räume aber Festräume, also für einen 
gehobenen Zweck geschaffen sind, entspricht die An- 
zahl ihrer Fenster, nämlich S2, der Zahl der Sonntage 
des Jahres. 
Ist der Sinngehalt der Deckengemälde im allgemeinen 
zweischichtig, sowohl als Factum schlechthin, sowie auch 
als dessen Illustrierung durch eine historische Begeben- 
heit zu verstehen, so finden wir bei den sieben Planeten- 
bildern an der Wölbung des großen Saales diesen Sinn- 
gehalt sogar dreifach gegeben und zwar: 1. astronomisch 
(Planet - dargestellt durch die namengebende Gott- 
heit - Wochentag), 2. heraldisch (geschickte Einflceh- 
tung jeweils eines der Herrschaftswappen), und schließ- 
lich 3. allegorisch auf die Mitglieder des fürstlichen Hau- 
ses bezogen (so z. B. durch Hervorhebung großer Taten, 
höchster Auszeichnungen, Darstellung bevorzugter Be- 
schäftigungen wie Kunst und Wissenschaft, oder Beifü- 
gung von Personifikationen, die nicht in der Schar der 
Tugenden des Hauses Eggenberg im großen Mittclbild 
des Saales Platz gefunden haben). 
Allen Versuchen, die reiche Fülle der Darstellung von 
Historien mit denen die stuckicrten Decken der 24- Re- 
präsentationsräume bedacht wurden, auf eine ordnende 
Einteilung, wie etwa einen Tugend-Laster-Zyklus zu- 
rückzuführen, blieb der Erfolg versagt. Auch die zahl- 
reichen Devisen und Motti, als Füllungen zwischen die 
Deckenbilder der einzelnen Räume eingestreut, sind 
durchwegs beziehungslos zum Inhalt der Darstellungen 
und nur als allgemeingültige Symptome zu werten. Erst 
die Auffindung der Vorlagen in Stichen zeitgenössischer, 
reich illustrierter Historienhücher und ebensolcher 
Ausgaben der Bibel gibt die nunmehr sehr einfache 
Antwort auf diese Frage: Es galt nichts anderes darzu- 
stellen, als all das, was bisher auf dieser Erde vorgefal- 
len war, alle Denkwürdigkeiten, oder zumindest so viel 
davon als man, pars pro toto, in den Räumen unterbrin- 
gen konnte. Ohne Zweifel vom Auftraggeber ausge- 
wählt, fügen sich diese Inhalte folgerichtig in das Ge- 
samtprogramm des Schlosses ein,undgeben der Selbstprä- 
sentation im großen Saal jenen Rahmen, der diese erst 
voll zur Wirkung bringt. Gerade die Möglichkeit des 
Vergleichens gibt ihr das richtige Gewicht. 
Nun war auch die Geschichte der Welt in das astrolo- 
gische Programm einbezogen und dieses schließt sich 
so mit den Darstellungen der Elemente, der Jahreszeiten 
und einiger Sternbilder zur erstrebten universalen Mani- 
festation des Weltbildes: eines Mikrokosmos im Makro- 
kosmos. 
Dern Ruhm des Hauses Eggenberg war damit für die 
künftigen Generationen ein großartiges Denkmal ge- 
setzt. Doch das Schicksal, unbestechlich gegen die In- 
halte der Planetenbilder im großen Saal, die ihm glück- 
liches Leben und Hoffnung auf ewigen Fortbestand nahe- 
legten, wollte es anders. Als Johann Seyfried, 1713, hoch- 
betagt die Augen schloß, ahnte er nicht, daß ihm binnen 
vier Jahren Sohn und Enkel, letzterer noch im Knaben- 
alter, folgen würden. - Sein Bruder in Krumau war 
bereits 1710 kinderlos gestorben und dessen Besitzungen 
in der Folge, 1719, an den Neffen seiner Witwe, Maria 
Ernestine, geb. Fürstin Schwarzenberg, übergegangen. 
- Schloß Eggenberg verblieb zunächst der letzten Trä- 
gerin des Namens, seiner Schwiegertochter Maria Char- 
lotta, geb. Gräfin Sternberg, und ging nach ihrem Tod, 
1754, an ihre, nunmehr in dritter Ehe mit dem Landes- 
hauptmann von Steiermark, Johann Leopold Graf l-ler- 
berstein, verheirateten Tochter über. Hier setzt nun die 
zweite Ausstattungsperiode für das Schloß ein, die neben 
baulichen Bereicherungen die Erneuerung der gesamten 
Einrichtung, vornehmlich des Repräsentationsgeschoßes, 
mit sich bringt und Thema einer weiteren Abhandlung 
sein wird. 
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