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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 47)

ÖSTERREICHISCHES EDELZINN II 
ERICH EGG 
Die Sammlung Karl Ruhmann 
l)ie am wenigsten mit dem Begriff „Österreichische 
Kunst" faßbare Ländcrgruppe umfaßt Salzburg und Ti- 
rol. Das bajuwarischc Element in der Bevölkerung und 
die große Entfernung von der geschlossenen österreichi- 
schen Ländergruppe ließen hier eine stärkere eigene 
Note entstehen. Tirol wurde durch lange Zeit von einer 
habsburgischen Nebenlinie regiert und hat am politi- 
schen Geschehen Osterreichs wenig Anteil gehabt, Salz- 
burg war überhaupt bis zur napoleonischen Zeit ein selb- 
ständiges geistliches Fürstentum außerhalb des habsbur- 
gischen Machtbereiches. So entwickelte auch das Edel- 
zinn hier andere Formen. Der süddeutsche Einfluß ist 
dabei unverkennbar. Für die Tiroler Stücke zur Ausstel- 
lung „Edelzinn" im Tiroler Landesmuseum Ferdinan- 
deum wurden außer der Sammlung Dr. Ruhmann auch 
Objekte der Sammlung Hofrat Dr. Karl Moeser, Inns- 
bruck, herangezogen. 
Die regen. vom Bergbau bedingten Handelsbeziehungen 
mit Nürnberg und Augsburg wirkten sich auch in der 
Kunst Tirols aus. Besondere Qualität zeigt ein Teller 
des Innsbruckcr Hofzinngießers Nikolaus Yenpacher, um 
l570[8O (Abb. i), der in der Dekoration mit Ranken und 
Flechtwerk die Blütezeit der Hochrenaissance am Inns- 
brucker Hof verrät. Eine Kanne des Klarissenklosters 
Meran von Ludwig Paul 1582 (Abb. 2) vertritt den Haupt- 
typ des tirolischen und salzburgischen Trinkgefäßes ge- 
genüber dem österreichischen „Krügel": die hohe koni- 
sche Form. Die Dekoration ist figural mit Wappen und 
Figuren ausgestaltet. Ohne Zweifel steckt in diesem Ge- 
fäß noch die gotische Form. Meran war neben Innsbruck, 
Hall, Brixen, Bozen und Rattenberg ein Zentrum des Ti- 
roler Zinngießerhandwerks. 
Ein besonders interessantes Stück ist der Reliefteller des 
Innsbrucker Hofzinngießers Jakob [lasse 1630 (Abb. 3). 
Hasse war wegen seines katholischen Glaubens aus 
seiner ostpreusischcn Heimat Braunsberg vertrieben (es 
gab also nicht nur Protestantenausweisungenl) und in 
Innsbruck ansässig geworden. Sein Weg führte ihn über 
Nürnberg, dem Zentrum der Erzeugung von Reliefzinn. 
Nach dem Muster der Nürnberger Meister (Veit Zipfler, 
Jakob Koch etc.) schuf er den Araheskendekor dieses 
Tellers. Er dürfte das einzige bekannte Stück dieser 
Dckorationsart außerhalb Nürnbergs sein. 
Auch S a l z b u rg war ein ausgesprochenes „Zinnland" 
und seine Zinngießer erhielten schon 1487 ihre erste 
Handwerksordnung. Die Blütezeit setzte, wie allgemein 
beim Edelzinn, um 1550 ein. Zu den älteren Stücken ge- 
hört ein Deckelkrug des Salzburger Meisters Balthasar 
Veiehtner von 1560 (Abb. 4). Er zeigt die den tirolischcn 
Kannen ähnliche hohe, konische Form, einen aus Strei- 
fen aufgebauten Rankendekor und im Mittelmedaillon 
einen Hirsch. Auf dem Deckel sitzt ein gegossener Löwe. 
Ein ähnliches, in der äußeren Form besonders elegantes 
Stück ist die Deekelkanne des Meisters ll. G. aus Hallein, 
um 1600 (Abb. S). Die geflechelte Dekoration besteht 
hier aus um den Körper gewundenen Rankenstreifen, die 
von waagrechten, schaehbrettartigen Zonen eingefaßt 
werden. An den Boden- und Deckelrändern ist eine wei- 
tere Technik des Zinngusses, die Punzierung mit Pal- 
metten, angebracht. Die Dekoration der Zinngießer 
kennt im Wesentlichen nur drei Techniken: Das flache 
Relief aus der Gußform, das Einschlagen von gleicharti- 
gen Dekorationsleisten durch Punzen und das Gravieren 
mit dem Stichel. 
Künstlerische Feinheit zeigt die viereckige Schraubfla- 
sche von llans Sieghardt von Salzburg 1620 (Abb. 6). 
Schraubflasehen oder Pitsehen, die zum Aufbewahren von 
Wein dienten, sind im österreichischen Raum besonders 
häufig anzutreffen, ohne daß sie als typisch für Oster- 
reich allein angesehen werden können. Die großen und 
ebenen Flächen der Schraubflasche boten dem Graveur 
günstige Möglichkeiten für die Anbringung des Dekors. 
Dabei wurde selten Rankenwerk verwendet, meist ent- 
standen richtige Bilder. Die Salzburger Schraubflasche 
zeigt daher zwei Wappen, einen Mann, der einen großen 
Fisch gefangen hat, einen jäger mit einem Hasen, eine 
Frau, die am Spieß ein Ferkel und eine Ente brät und 
einen Mann bei der Falkenbeize. 
Die Freuden der Jagd und Fischerei gaben das Motiv für 
den Künstler, der wohl nicht unter den Zinngießern, 
sondern unter den Malern zu suchen sein wird. Die Dar- 
stellung weist eine die übliche Dekorationsart überra- 
gende Qualität auf und dürfte daher einem Maler zuzu- 
weisen sein. Die Maler haben damals auch Harnische 
geätzt und Kupferstiehe angefertigt und waren daher mit 
der Stichelarbeit vertraut. Allerdings sind solche feine 
Gravierarbeiten an Zinngefäßen ziemlich selten, so daß 
die übliche Verzierung, besonders in der Flechelmanier, 
sicher von den Zinngießern selbst ausgeführt wurde. lm 
städtearmen Salzburger Land waren Salzburg und llal- 
lein die dominierenden Mittelpunkte des Zinngießer- 
handwerks, aber auch hier hat man den Eindruck, daß 
eine eigene salzhurgische Note herrscht, die in der koni- 
schen Kanne eher mit Tirol als mit dem übrigen Öster- 
reich verbunden ist. 
Die Ausstellung in Innsbruck hat mit der „Edelzinn"- 
Schau ihre Absicht voll erreicht: heute, wo die Wert- 
schätzung des sogenannten Kunstgewerbes immer mehr 
in den Vordergrund tritt, auf die hohe Qualität und den 
Formenreichtum des Edelzinns aufmerksam zu machen 
und damit das Interesse auf diesen typisch deutschen 
Zweig der angewandten Kunst zu lenken, dessen Objekte 
in Privatsammlungen und Museumsdepots ein verborge- 
nes Dasein führen. 
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