3 Jazz-Musiker, Ol,
4 Figuren in einer
1961.
1960.
Landschah,
der eben noch die Aufgabe hatte, zu wölben, übernimmt die Funktion der Kontur
oder gar die Schwächung oder Auflösung der Kontur. Ein Pinselstrich muß sich
mehreren Aufgaben widmen, er agiert multipel. Die malerische Intelligenz spielt
ständig zwischen dem millimeterstarken Farbraum, den Einbrüchen des Bildraums
und zurückgeholten räumlichen Illusionen. Die verschiedenen Aufgaben des Iilecks,
als da sind Sinnlichkeit der Palette, Umgrenzen der holden Leiblichkeit, der Wöl-
bungen, Hineinflechten des Schattens und Transparenz des Lichts, sie sind klar
aufgefächert, auch wenn sie einander durchkreuzen und intrigieren. Der kräftige,
von den Muskeln des Malers bewegte Farbraum weitet sich zum läildraum, aber
nur soweit der Arm des Malers reicht. Der Raum überhaucht die Füße der Negerin,
den Rist. Die Wade sträubt sich über dem Sehienbeinlicht. Die traditionellen Farb-
und Pinseltupfbeziehungen werden hier ganz paradox, da steckt CÖzanne-Methode
dahinter, mit der sich Kokoschka nie abgegeben hat. Eislers Malerei spreizt sich
eher vom Grund, als daß sie sich mit ihm vermählt. Sie haut sich in den Atelier-
raum hinein, in den Betrachterraum, auf den Betrachter zu. Das Problem ist stän-
dig: Wer überlagert wen, wer ist vorn? Überlagert Dunkelheit eine rote Kontur,
oder ein Lichttropfen ein Raumloch? Dies muß der oberflächliche Blick zu unter-
scheiden lernen.
Die Unterarme der Negerin werden ganz sanft und weich vor der gröberen Kor-
pulenz des Bauches, vor dem Pinselkorsett des Leibes, hier versehriinken sich alt-
hergebrachte Dimensionen. Die Schenkelkontur spaltet den Unterarm, dieser wird
ganz durchlässig, man sieht durch ihn die Schwärze des Sehoßes. Und dann ist die
Kontur gar nicht Kontur, nicht Begrenzung, wie am rechten Knie, in diesem Raum
des Nächstliegenden herrscht überall Offenheit.
Die Vielfalt der Pinselhandhabungen ist enorm. Die Variationsbreite wird zum
Kriterium. Kaum gibt es Wiederholungen, nie Monotonie. Raum, wo ist der Raum?
Er ist zwischen den Körpern, er ist in Eislers Malerei zwischen den Pinselflecken
(deshalb sind sie sichtbar). Sie sind gegeneinander abgesetzt. Ihre Sichtbarkeit
ist ihr Wesen, sie gehören der Körperwelt an.
Und Raum ist nur, insoweit Pinselflecke sind, und da sie ein paradoxes Geflecht
von Vorn und Hinten bilden, bleibt alles im Erreichbaren (es gibt schon bei Eisler
auch Bilder, dunstige, die nicht im Greifbaren bleiben, aber sie sind nicht seine
Lösung).
Er erarbeitet sich diese Dinge mit hoher Intelligenz, mit trainierter Spontaneität.
Die Bilder folgen einander in Entwicklungsreihen. „Figuren in der Landschaft",
„Das Atelier", Jazzmusik", das sind die Themen, auch sie können einander durch-
kreuzen. Diese Malerei ist ein Prototyp des Nicht-Isolierens, sie ist ein ständiges
Gespräch der Mittel, ein Geflecht von Aspekten - Farbpläne, Impulse, Raum-
fluchten lagern sich nicht schichtenweise ab, liegen nicht aufeinander, sondern sie
durchkreuzen sich, alogisch, nicht systemisiert, aber überschaubar. Mittel und von
ihm erzeugte Wirkung sind deutlich erkennbar und deutlich zu trennen. Es ist beste,
schwindelfreie Malerei.
Allerdings die Fliege von Ingres wird es schwer haben. Über Schluchten, die
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