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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 47)

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IN UNSERER FORTLAUFENDEN ARTIKELSERIE ZUR „ÖSTERREICHISCHEN KUNST 
HUNDERTS" VEROFFENTIICHEN WIR DEN 62. AUFSATZ 
DES 20. 
JAHR- 
HUNDERTWASSER IN JAPAN 
ARNULF NEUWJRTH 
Der österreichixche Maler Fritz 
Hundertwaxxer hat weben den 
Großen Internationalen llwlainichi- 
Preis erhalten. 
„Hyaku" : Hundert, „Mitsu" I 
Wasser, so lautet der neue japani- 
sche Name des Wiener Malers Fritz 
Stowasser, der schon einmal - „um 
nicht mit dem bekannten Lateinle- 
xikon verwechselt zu werden" - 
seine erste Silbe „St0" (russisch 1 
hundert) sinnvoll ins Deutsche 
übersetzt hatte. 
Mit der Wahl eines wirkungsvollen, 
leicht einprägsamen Nom de guerre 
beginnt die farbenprächtige Kar- 
riere Hundertwassers, von Wien 
über Paris, Mailand und Hamburg 
nach Japan führend, vom Schlafen 
auf Kartolfelsäeken und Essen ge- 
kochter Wcizenkörner zum von der 
„Tokyo-Gallery" großzügig gebote- 
nen Luxus. Diese vornehme japani- 
sche Galerie hat ihm einen Flug 
über den Pol ermöglicht, ihn für 
mehrere Monate ins Reich der Auf- 
gehenden Sonne geholt. Vorher wa- 
ren Mathieu und Crippa ihre Gäste. 
Sie organisiert, gerade im Moment 
da dieser Bericht in Druck geht, 
eine Ausstellung von etwa vierzig 
Hundcrtwasser-Bildern. 
„Mein großer Konkurrent in der 
mit uns rivalisierenden Miami-Ga- 
lerie wird Sam Francis sein", 
schreibt Hundertwasser aus Tokio. 
„Die Tokyo Gallery hofft durch 
meine Ausstellung ihren internatio- 
nalen Ruhm zu bestärken und sich 
vor die Konkurrenzgalerie, (beste 
Maler dort Fautrier und liraneis) 
vor die bedeutendste Galerie des 
alro-asiatischen Raumes zu setzen". 
Ein großes Foto zeigt Hundertwas- 
ser als verzückt erstarrten Narziß, 
gleich einem vom Himmel gefalle- 
nen Engel auf die Steinhrücke eines 
altjapanischen Gartens hinge- 
strcckt. Für den Narziß, der sich 
liebevoll in der reinen Quelle sei- 
ner Kunst spiegelt, der Spiralen, 
konzentrische Kreise in den Dienst 
offensichtlicher, koketter, charman- 
ter Ichbezogenheit stellt, der seine 
roten, grünen und goldenen Gär- 
ten zärtlich mit spitzen Zäunen ein- 
faßt, um Banausen ein dezentes 
„Eintritt verboten" hinzusehreiben, 
ergeben sich präehtigste Möglich- 
keiten immer gesuchter, wollüstig 
ausgekosteter Scheinwerfer-Publi- 
city. 
„Die Galerie hat elf Leute vom 
Stab", so schreibt er, „zwei Chauf- 
feure, eine Telefonistin, ein stän- 
dig teckochendes und teeservicren- 
des Mädchen, einen Dolmetscher, 
einen Bildverpacker, einen Tischler, 
den Direktor Yamamoto, den Vize- 
direktor Hayashi, ferner Herr Shi- 
nichi Segui, der auch in Wien war, 
als Kritiker... Ich habe jederzeit, 
wenn ich sie benötige, zwei Autos 
zur Verfügung. Alle meine Bilder 
sind verkauft. Die aus Paris mit- 
gebrachten innerhalb weniger Stun- 
den nach meiner Ankunft auf dem 
Tokioter Flughafen. Das ist formi- 
dable. Wenn ich die Bilder fertig 
habe, will ich sie nicht in die Gale- 
rie bringen, weil sie sofort verkauft 
werden, so wie wenn Wassertropfen 
in durstiger Erde oder im Lösch- 
blatt aufgesaugt werden. Mein Ka- 
talog wird ganz toll. 31 Farhrepro- 
duktionenl Davon eine in ein gro- 
ßes Foto an Stelle meines rechten 
Auges hineinkopiert. Über allem 
wächst Gras mit feinen grünen Li- 
nien." 
Michel Ragon, Verfasser des Bu- 
ches „Das Abenteuer abstrakter 
Kunst" nennt, als Hundertwasser 
19S4in der Pariser Galerie Facchetti 
ausstellt, dessen malerische Anfän- 
ge „ziemlich geschickt, in Kompo- 
sition und Kolorit verführerisch, 
aber diese vielfachen Köpfe, die- 
ses Spicl von schiefen Quadraten 
und Spiralen recht literarisch." Er 
schenkt llundertwassers Malerei 
wenig Bedeutung und glaubt („Ci- 
maise" Nr. 4. 1954) die literarische 
Invasion reiche kaum über die 
Grenzen des Literatenbezirkes von 
Saint Germain de Pre's hinaus. Auch 
anderen Kunstkritikcrn ist zu- 
nächst Hundcrtwassers literarisches 
Talent, später erst die größere Be- 
deutung als Maler aufgefallen. 
Doch die Wertung auf dem Kunst- 
markt in Paris hat sich rasch gebes- 
sert: Hundertwasser ist nächst Ko- 
koschka der bestbekannte Österrei- 
chische Maler in Frankreich und 
der ganzen westlichen Welt. Der 
aktuelle Anlaß seiner japanreise 
hat die Pariser Kunstzeitschrift 
„L'oeil" bewogen, - Ehre, die noch 
keinem Österreicher zuteil wurde 
- ihm cin sechs Seilcn langes In- 
terview mit großem, ganz Iigcm 
Farhhild und mchrcrcn schwarz- 
weiß Reproduktionen zu widmen. 
XVcr llundcrlwzlsser gerecht heur- 
lcilun will, darf scinc mnlcrisßln- 
llvgxlivung nicht strcngu von der lite- 
' ischcn trennen, muß Hllth die" 
Aklionrn romzmtisfhcn lhndywurni 
in Seim-m Privatleben nlx "Feile 
eines Gcsnmtwerkes mit in läctraicht 
 
 
 
1 
zirhcn. XVie Gzluguin, wic Klimt. 
liebt cr extravagante farbenpräch- 
tige Kleidung: „Ich trage hicr cinc 
kohnlthlauc Samthosc mit ultrnma- 
rinhlnucm Samigürlcl, in Pälfiß ux- 
tra für Japan angclicrtigl. Furncl" 
rosnrotv Seidenkrawrilte, Snmtjak- 
kcit. grünschwarzmt gestreiften 
Pullovcr. Mit meinem inrbigcn We- 
scn hin ich hier genau in meinem 
Elumcnl. Oft crblassc ich vor Neid, 
wenn ich ganz tolle grün-rot ge- 
strviflc llurrcnanzügc schc. I'm 
nicht ins llinlcrtrcffcn zu gumlcn. 
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