HUNDERTS IM HISTORISCHEN MUSEUM DER STADT WIEN
Diese Aufgabe übernahm das neu-
erbaute eigene Museumsgebäude der
Stadt Wien am Karlsplatz, in dem
im 2. Stockwerk kürzlich die Ab-
teilung des 19. und 20. Jahrhun-
derts eröffnet wurde.
Wer noch die alte Aufstellung im
Rathaus im Gedächtnis hat, der er-
innert sich der Überfülle der Ob-
jekte, die, in vier Abteilungen zu-
sammengestellt, die Denkmäler des
Stephansdomes, die Stadtpläne und
Stadtansichten, die Denkmale des
bürgerlichen Lebens und schließlich
die Waffensamrnlung umlaßte. Die
Wertschätzung der vergangenen
Zeitepochen hatte zum Sammeln
ihrer Überreste geführt und so war
förmlich ein Magazin dieser Oh-
jekte entstanden, das nur in ge-
drängter Häufung gezeigt werden
konnte. Die Gegenstände waren aus
ihrer natürlichen Umgebung heraus-
gerissen worden, waren eigentlich
nur Reste, fast möchte man sagen
„Trümme-r" eines einstigen Gan-
zen.
Wenn wir aber heute in die neuen
Museumsräume kommen, so stehen
wir einem ganz anderen Bild un-
serer Vergangenheit gegenüber. Die
Umgebung, der die einzelnen Schau-
stücke angehört haben, ist in gro-
ßen Umrissen wiederherzustellen
versucht worden und die Werke ha-
ben den ihnen zugehörigen Rahmen
erhalten. Um diesen neuen, inneren
Museumsauibau aber durchführen
zu können, war der Neubau geplant
worden, der sich nach den darin zu
zeigenden Gegenständen richten
sollte. je mehr Freiheit, je mehr
Möglichkeiten der Bau der Aufstel-
lung der musealcn Objekte und
auch ihrer Veränderung läßt, desto
besser ist er. ln dieser Hinsicht ist
der Neubau des Historischen Mu-
seums der Stadt Wien vielleicht
nicht ganz glücklich rücksichtlich
der l-löhe seiner Räume gelöst, er
ist sicher auch zu klein lür alle
Schätze, die das Museum besitzt,
aber mit seinen losen, verschieb-
baren Wänden lassen sich leicht
Gliederungen durchführen, die den
Besucher in leicht laßlichcr Form,
einem aufgeschlagenen Bilderbuch
vergleichbar, von einer Zeitepoche
unserer Hcimatgeschichte in die an-
dere geleiten.
Der Stephansdom, das Wahrzeichen
Wiens, begleitet uns natürlich auch
in der neueröffncten Schausamm-
lung. Waren es im Erdgeschoß der
Pergamentriß von Hanns Puchs-
haum oder die herrlichen Stifter-
figuren, und leitete der Doppeladlcr
mit dem Kreuz das barocke Wien
ein, so bildet der Adler mit dem
Doppelkreuz, der anläßlich der Re-
staurierung des Turmes 1860 ent-
fernt wurde, den Beginn der Auf-
ste lung des 2. Stockwerkes. Neben
dem historischen Denkmal ist da-
durch auch die zeitliche Umgren-
zung der folgenden Schauräume an-
geceutet. Wien war aus einer be-
festigten Stadt gegen die Türken
unc Magyaren eine Weltstadt ge-
worden, aber auch das monarchisch-
aristokratische Wien war von einer
bürgedich-bürokratischen Epoche
abgelöst worden, die in Kunst und
Ku tur ihr Vorbild in der Antike
unc dann im Mittelalter suchte. Die
klassisch-kühle Lünette von dem
erst 1955 niedergerissenen Palais
Ercödy in der Waliischgasse leitet
zum Empire-Zimmer des Palais Ca-
prara-Geymüller über. Wir stehen
da inmitten eines Raumes, in dem
nic ut nur Geschichte und Leben ab-
gerollt sind - hat hier doch Grill-
parzcr seine „Katti" zum ersten
Male gesehen -, sondern der mit
seinen Seidentapeten und den in
Tempera auigemalten schwebenden
Genien auch ohne Möbel trefflich
den Zeitgeist wiederspiegelt. Eine
Ergänzung bildet die bedeutsame
Neuerwerbung einer großen Hen-
kelvase mit ihrem Blumendekor von
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