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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 49)

denen die großen und kleinen Entfernungen im Raum 
erforscht und auf ein rechenbares Maß festgelegt werden 
können; vom Fernrohr bis zum Maßstab und vom Zir- 
kel bis zum Winkelmaß dienten eine Reihe von Geräten 
diesem Zweck. Die zweite Gruppe umfullt jene Geräte. 
die den Ablauf der Zeit in gleichmäßige Abschnitte un- 
terteilen und diese den tatsächlich sichtbaren und er- 
lahrbaren Zeitabschnitten ungleichen, um auch in Zeit- 
abschnitten, deren Ablauf nicht sichtbar ist, die gleich- 
mäßig herrschende Ordnung feststellen zu können. So 
NATURWISSENSCHAFTLICHE INSTRUMENTE DER 
RENAISSANCE 
GERHART 
EGG 
[ZR 
Die Naturwissenschaft der Renaissance ging von einer 
anderen Einstellung zu den Phänomenen der Natur aus, 
als sie das vorausgehende Mittelalter eingenommen 
hatte,für das diese in erster Linie Manifestationen Gottes 
waren. Sie baute dabei zum größten Teil auf die mathe- 
matischen und astronomischen Wissenschaften der Ara- 
ber auf, die selbst wieder das Erbe der griechischen Na- 
turwissenschaft angetreten hatten. Forschungen und 
Überlegungen, die bei den griechischen Naturphiloso- 
phen und bei Aristoteles ihren Ausgang nahmen und über 
die Pytagoreer zu den Arabern gelangten, fanden auf 
diesem Weg letzten Endes in Leonardo da Vinci, Giora 
dano Bruno und den übrigen Philosophen und Gelehrten 
der Renaissance ihren Niederschlag. [)as große Thema 
aller dieser Überlegungen, deren Wurzeln sogar bis zu 
der Astronomie und Astrologie der Babylonier zurück- 
zuverfolgen wäre, ist das der Gesetzmäßigkeit der Na- 
tur. Viele Ereignisse und sichtbare Erscheinungen in 
unserer Umwelt führen zu dem Gedanken, die Zufällig- 
keit auszuschalten und einen gesetzmäßigen Ablauf, eine 
strenge Ordnung zu suchen. In diesem Zusammenhang 
bemühten sich die sich mit diesen Fragen beschäftigen- 
den Gelehrten auch um die Erfindung und Konstruktion 
von Apparaten, die behilflich sein können, diese Ord- 
nung und Gesetzmäßigkeit darzustellen. 
Die astronomisch-mathematisehen Beobachtungen um- 
fassen zwei Bereiche: die Bewegung im Raum in den 
Bahnen der Gestirne und den Ablauf der Zeit in der 
regelmäßigen Aufeinanderfolge von Tagen und Stunden. 
Die zu diesen Beobachtungen konstruierten Apparate 
lassen sieh in drei Gruppen gliedern: erstens jene, mit 
kam es zur Erfindung der Uhr. Das naheliegendste Zeit- 
maß bildet die Sonne selbst, deren Ablauf genau festzu- 
halten und in einzelne gleichmäßige Abschnitte zu un- 
terteilen, Zweck und Aufgabe der Sonnenuhr ist, die 
immer die präziscste Darstellung des natürlichen Zeit- 
ablaufes sein wird. In vielen Variationen, von dem ein- 
fachen aufgerichteten Stab mit einer empirisch festge- 
stellten Skala, bis zu kompliziertesten Taschengeräten, 
die in Verbindung mit geographischen Lagemeßeinrich- 
tungen gebildet waren, wurde dieser Apparat entwickelt. 
Um aber von der Variabilität der Sonnenbestrahlung 
loszukornmen, bemühte man sich seit Jahrtausenden um 
selbständig mechanisch funktionierende Geräte, die den 
regelmäßigen Zeitablauf auch ohne Sonne aufzeigen. 
Von der Wasseruhr im Turm der Winde in Athen des 
ersten vorchristlichen Jahrhunderts über jene sagenhafte 
Wasseruhr, die Harun al Raschid Karl dem Großen zum 
Geschenk machte, zur Pendeluhr und unseren Federuhren 
führt ein langer Weg der Entwicklung dieses Gebietes. 
Die dritte Gruppe aber umfaßt jene Geräte, die die ein- 
mal festgestellte Ordnung in anschaulicher Weise dar- 
stellen, wie die Armillarsphäre, die gleichgültig auf 
welches Weltsystem aufgebaut, die Gestirnbahnen und 
Bahnen der Planeten in einzelnen Ringen und Kreisen 
ineinandergeschoben so darstellt, daß man die Gesetz- 
mäßigkeit ihres Ablaufes daran ablesen kann. Je höher 
die Präzision dieser einzelnen technischen Geräte, um so 
sicherer die Wiedergabe des Gesetzes. 
Alle diese äußeren Gesetzesdarstellungen waren aber 
nicht bloß da, um im einzelnen Fall zu wissen, welche 
Zeit es ist und an welchem Ort im Raum man sich be- 
findet, sondern sie waren in höherem Maße dazu da, in 
die Totalität der Gesetzmäßigkeit der natürlichen Welt, 
in ein rechenbares, mechanisches Weltgesetz einzudrin- 
gen und die „Weltformel" (Laplace) zu finden. So phan- 
tastisch und auch so vermessen diese Absicht war, so 
führte sie auch bald von der Exaktheit zur Magie. 
Jener Zeitabschnitt der europäischen Kultur, der die 
innere Berechtigung der natürlichen äußeren Form in 
ihrem ganzen Umfang zu erkennen und darzustellen ge- 
sucht hat, hat auch auf dem Gebiet des naturwissen- 
schaftlichen Apparates großartige Leistungen hervorge- 
bracht. Das merkwürdige und besondere dieser Apparate 
der Renaissance liegt aber vor allem darin, daß sie in 
vielen Beispielen nicht nur technisch präzise und exakt 
gearbeitet sind, sondern daß sie als Gegenstände für 
sich genommen, einen hohen künstlerischen Rang errei- 
chen und als kostbare Geräte ausgestattet wurden. Eine 
Reihe von Beispielen höchster Qualität illustrieren hier 
dieses Gebiet. 
Eines der wichtigsten unter allen diesen Geräten war die 
Sonnenuhr, von der es eine Reihe von verschiedenen 
Möglichkeiten gibt. Für den Doktor der Medizin Fran- 
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