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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 49)

ciscus Paduanus von Forli, der angeblich am Beginn des 
17. Jahrhunderts Kaiser Rudolf II. behandelt hat, stellte 
Erasmus llabermel eine mit Wappen versehene Säulen- 
sonnenuhr (Abb. 1) her, die in technischer und künst- 
lerischer Vollendung als kostbares Schrcibtischgeriit des 
Gelehrten gedacht war. Die allgemeinen und die Plane- 
tcnstunden lassen sich daran ablesen, wie die Tierkreis- 
zeichen und die Wochenplanetcn des Jahres. l)ie un- 
mittelbar praktische Bestimmung dieses Gerätes ist dar- 
aus zu ersehen, daß im Sockel der Säule eine Strcusand- 
büchse untergebracht ist. Der künstlerische Höhepunkt 
dieses Instrumentes ist abgesehen von der Form im gan- 
zen sein Boden, auf dem das Wappen des Besitzers mit 
Name und Devise eingraviert ist. 
Besondere Sorgfalt wurde bei jenen Instrumenten an- 
gewendet, die in Taschenformat eine möglichst große 
Vielzahl verschiedenartiger Tabellen und Berechnungs- 
grundlagen miteinander vereinten. Ein großartiges Bei- 
spiel für diese Art ist das für den Grafen Ulrich Fugger 
1557 von Christoph Schissler angefertigte Universalgerät 
(Abb. 2), das in achteckiger Form zweimal aufklappbar 
die verschiedensten Dinge miteinander vereinigt: In 
großartiger Gravierung in feuervergoldetem Bronze zeigt 
der Deckel außen die Landkarte der nördlichen Halbku- 
gel mit einem verschiebbaren Tierkreis und innen die 
Karte von Deutschland. Aufgeklappt läßt sich das Ge- 
rät als Horizontal-Sonnenuhr verwenden, in deren Mitte 
ein Kompaß angebracht ist und auf deren Rückseite die 
Polhöhen der deutschen Städte eingezeichnet sind. Der 
zweite Deckel, der aullen ein Organum Ptolomei zur 
Bestimmung von Auf- und Untergang der Sonne trägt, 
zeigt innen eine Tabelle des Mondes mit verschicbbarem 
Teil zur Feststellung seiner Phasen. Das Gerät ist in je- 
der Weise als künstlerisch bedeutender Gegenstand aus- 
geführt, wie auch ein ähnlicher kleinerer Apparat des 
Christoph Schissler, der in gleicher Weise die wichtig- 
sten Berechnungen des Raumes und der Zeit möglich 
macht (Abb. 3). 
Zur Veranschaulichung der Gestirnbahnen konstruierte 
man die Armillarsphäre, durch deren kompliziertes be- 
wegliches System verschiedener Ringe die ganzc sicht- 
bare Welt des Himmels darstellbar ist. Das Exemplar 
des Euphrosynus Vulparizt Florentinus aus dem jahre 
155-} (Abb. 4) zeigt das alte ptolemäische Weltsystem, das 
die Erde in den Mittelpunkt verlegt. Durch die künstle- 
rische Ausarbeitung in vergoldetem Bronze mit Gra- 
vicrungen und applizierten Emailkartuschen, die sym- 
bolische Bilder und Inschriften tragen, ragt der Apparat 
aber weit über die Aufgabe eines bloßen Lernbehelfes 
hinaus. 
Eines der hcrvorragendstcn Instrumente dieser Art ist 
ein Zirkel (Abb. 5 und (m), in dem alle Sphären der beab- 
sichtigten Naturkenntnisse in einem einfachsten Gerät 
vereint sind. Der mit zwei Spitzen versehene Meßzirkel 
hat geschlossen eine Balusterform. Der Angelpunkt der 
beiden Schenkel ist zur Himmelskugel gebildet, die mit 
dem Tierkreis den Planctensymbolen uncl einer Maß- 
einteilung versehen ist. Geöffnet und senkrecht gestellt, 
bilden die beiden Schenkel eine Sonnenuhr. Auf den 
vier äußeren Flächen des geschlossenen Zirkels aber sind 
jahreszeiten, Elemente, Temperamente, Wetter und 
Tierkreisbilder in vier Gruppen zueinander in Verbin- 
dung gebracht und ihre Namen eingraviert. So ist die 
Fülle der naturwissenschaftlichen Möglichkeiten hier 
auf kleinstem Raum vereinigt und das Instrument ein 
Meßgerät für Zeit und Raum. Geschlossen aber in sei- 
nem künstlerischen Ansehen, ist es wie ein Zepter, das 
Symbol der Herrschaft, mit der Himmelskugel auf der 
Spitze. 
Als kunstgewerbliche Arbeiten stehen alle diese Gegen- 
stände im allerersten Rang. Sie sind nicht nur technisch 
meisterhaft konstruierte Instrumente, die zum wissen- 
schaftlichen Gebrauch bestimmt auch tatsächlich nach- 
weisbar von Gelehrten zu wissenschaftlichen Zwecken 
verwendet wurden, sondern sie bes zen auch als Kunst- 
gegenstände eine sehr hohe Qualität. Wie bei allen 
Kunstgewerbe-Objekten taucht daher bei ihnen auch die 
Frage nach dem eigentlichen Zweck ihrer künstlerischen 
Rolle auf. Sicherlich gehören sie viel weniger der Ge- 
samtwirkung eines einheitlichen dekorativen Systems 
an, als sonstige Gegenstände, da ihre künstlerische Wir- 
kung in erhöhtem Maße mit ihrer tatsächlichen Benüt- 
zung in Verbindung steht, die selbst aber nur von der 
mechanischen Exaktheit und nicht von der künstleri- 
schen Wirkung abhängt. Die ganze Gattung dieser künst- 
lerisch ausgeführten Instrumente, die ihren Anfang wohl 
im 15. Jahrhundert hat, strahlt bis an das linde des 
18. Jahrhunderts aus und umfaßt damit jenen Abschnitt 
der europäischen Kultur in dem die besondere und eigen- 
artige Naturwissenschaft dcr Renaissance in allen Schich- 
ten abgehandelt wurdc. Das kann zu der Vermutung An- 
laß geben, daß der eigentliche Zweck dieser Objekte 
nicht mit ihrer wissenschaftlichen Bcnützung erschöpft 
war. Ihre künstlerische Form aber kann auch nicht bloß 
durch die Anwendung eines allgemein dekorativen Prin- 
zipes auch auf diese Gegenstände erklärt werden. Viel- 
mehr maß man wohl der Berechnung und Erforschung der 
Natur eine so hohe spekulative und meditative Bedeutung 
zu, daß der dazu notwendige Gegenstand über seine 
Benutzbarkeit hinaus einen anschaubaren Charakter er- 
halten sollte. Das könnte auch dafür verantwortlich sein, 
daß die besten dieser Instrumente immer die Erfor- 
schung beider naturwissenschaftlicher Dimensionen: 
des Raumes und der Zeit in sich vereinigen, um so zur 
Totalität der Naturerkenntnis hinzuleiten. Deswegen 
sind sie künstlerisch auch wohl im Rang sakraler Ge- 
räte, die ja auch die Aufgabe haben, den, der sie benützt, 
zur tieferen Bedeutung seiner Tätigkeit hinzuführen. 
Die Ausstrahlung dieses Prinzipes geht in zwei diver- 
gente Richtungen: einerseits zur Veraußerlichung und 
Oberflächlichkeit der künstlerischen Form, die im 
19. Jahrhundert in sinnlosen „Verzierungen" ihren End- 
punkt findet und schließlich - bei veränderter Ein- 
stellung zum Kernproblem - als störend und unsach- 
lich weggelassen wird; andererseits zur llerabminderung 
der wissenschaftlichen Qualität des Objektes, das über 
das Amulett schließlich auch zum Schmuck, etwa einer 
mit Edelsteinen verzierten Armbanduhr, werden kann. 
So wird wissenschaftliche Exaktheit und künstlerischer 
Wert der Instrumente der Naturbeobachtung wieder ge- 
trennt, die einmal in ihrer Vereinigung im 16. und 17. 
jahrhundert die Totalität der Naturvorstellung der Re- 
naissance repräsentierten. 
Lit.: E. Zinncr, Aslronomischc Instrumente des 11. 
Jahrhunderts. München 1956. 
bis 18.
	        
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