Probestück der Emailleure erhalten, die das Werk zu
ergänzen ausersehen waren. l)ieselbe Wiener Emailwerk-
Stätte, die den Altar ergänzte, schuf um 1330 für Propst
Stephan auch das köstliche „Ziborium", - eigentlich eine
Pyxis, in welcher einst beim Heiligen Grab das Allerhei-
ligste aufbewahrt wurde. Dementsprechend zeigt das
Gefäß auch, wenngleich für den Beschauer unsichtbar,
eine Auferstehungstypologie: auf der Unterseite des
Fußes als Vorbild den Löwen aus dem Physiologus, der
seine Jungen zum Leben erweckt, und auf der Innen-
seite des Dcckels als Gegenstück dazu die Auferstehung
Christi. Die kleinen, höchst qualitätvollen Emailbilder
der Außenseite zeigen auf dem Deckel die Kindheits-
geschichte, auf dem Kapselkörper die Lcidensgeschichte
Jesu und Prophetenfiguren. Um dieselbe Zeit wurde für
Propst Stephan auch die kostbare Patene geschaffen, auf
der der Stifter, wie es seine Gewohnheit war, sich selbst
abbilden ließ. In Niello-Technik sieht man den Propst
vor dem thronenden Christus knien. Die Rückseite der
Patene schmückt ein zartes Relief der Krönung
Mariae.
Ein reich mit Perlen, Edelsteinen und Emailbildern ge-
schmückter Kelch ist 1337 datiert. Er entstand als Um-
arbeitung eines älteren, von Propst Pabo (1279-1292)
gestifteten Kelches. Aus dem 14. Jahrhundert besitzt
Klosterneuburg ferner noch einen zerlegbaren Reise-
kelch und die alten Kantorenstäbe. Das prachtvolle Kri-
stallkreuz, das heute an Festtagen dem Stiftskapitel vor-
angetragen wird, ist kein bodenständiges Werk, sondern
italienischer Herkunft und wurde 1862 von Kaiser Franz
Joseph dem Stifte geschenkt. Das Kreuz selbst mit dem
Kruzifixus und der Madonnenstatue ist um 1300 ent-
standen, der Knauf und die Stange wurden um 1400 hin-
zugefügt. Auch kleine barocke Zutaten brachte man an.
Besonders prächtig sind zwei große Reliquienmonstran-
zen aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts. Die
eine, vermutlich etwas ältere, enthält einen angeblichen
Dorn der Dornenkrone Christi, die andere eine große
Kreuzpartikel in byzantinische-r Goldfiligranfassung des
11. Jahrhunderts. Am bedeutendsten sind die zarten Tief-
schnittreliefs auf dem Fuß der beiden, einander sehr ähn-
lichen Monstranzen. Beide sind architektonisch reich ge-
staltet. Unter den übrigen Goldschmiedearbeitcn dieses
Jahrhunderts ragt ein Kelch mit Drahtemail aus Sic-
benbürgen (Ende 15. Jahrhundert) hervor, der eine ge-
wisse Verwandtschaft mit dem „Corvinusbccher" von
Wiener Neustadt aufweist.
Zu allen Zeiten hochgeschiitzt wurde eine um 1520
wahrscheinlich in Burgund entstandene Anbetung der
Könige, ein kleines Goldrelief mit transluzidem Email
von höchster künstlerischer Vollendung, dem sich kaum
ein zweites Werk jener Zeit an die Seite stellen läßt.
Nicht weniger reizvoll als die figurale Vorderseite ist
die gleichfalls emaillierte, ornamental gestaltete Rück-
seite. Bereits 1548 erscheint dieses Stück in einem ln-
ventar des Stiftes. Seltsamerweise wurde erst später,
zwischen 1570 und 1591, vom Wiener Goldschmied Marx
Kornblum eine schöne Silberkapsel für das Relief ver-
fertigt. Sie trägt das Wappen Erzherzog Ferdinands von
Tirol, kam also offenbar als Geschenk an das Stift.
Die Zeit der Renaissance ist nicht so sehr durch gottes-
dienstliches Gerät als durch typische Kunstkammer-
stücke vertreten: Silberreliefs, Kunstuhren, Reliquiare,
Gefäße, Medaillen. Unter den interessanten Uhren, die
zum großen Teil aus Augsburg stammen, ist besonders
eine Totenkopfuhr von Paul Wahl hervorzuheben. Zwei
prächtige Reliquiare aus Ebenholz, reich mit Gold, Email.
Edelsteinen und Perlen verziert, Münchner Arbeiten um
1600, stammen aus der Geistlichen Schatzkammer in
Wien und wurden 1779 von Kaiserin Maria Thcrcsia
dem Stifte verehrt.
Das berühmteste Stück der Kloslerncuburger Schatz-
kammer ist zweifellos der österreichische Erzhcrzogshut.
Er wurde 1616 von Erzherzog Maximilian III. als
Wcihcgabe an den hl. Leopold gestiftet. Die hermelin-
verbrämte, reich mit Edelsteinen, Perlen und Email ge-
schmückte Krone war nicht nur dazu bestimmt, das sil-
1 Reliquienkiistchen, vergoldete Bronze und Email,
Limoges, 12. jh.
2 Ziborium, vergoldetes Silber und Email, Wien, um
1313.
3 Reliquienmonslranz, vergoldetes Silber, am Fuß
ligurale Tiefsehniilrclicfs, 2. Viertel des 15. jh.